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"What is a Happening? - A game, an adventure, a number of activities, engaged in by participants for the sake of playing." Allan Kaprow 1967

Die Entstehung des Happenings

Der Amerikaner Allan Kaprow (1927-2006) hat Ende der 50er-Jahre den Begriff des Happenings geprägt. Es war die Zeit, in der es in der Musik zum Einsatz von Stille und Geräusch kam, in der Malerei und Skulptur zur Verwendung von Materialien aus der Industrie und dem Papierkorb, im Tanz zu Bewegungen, die nicht länger anmutig waren, aber auf der Beobachtung menschlicher Handlungen gründeten. Allan Kaprow war aufgeschlossen für Einflüsse aus mehreren Gebieten; studiert hat er bei dem Kunsthistoriker Meyer-Schapiro, dem Komponisten John Cage und dem Maler Hans Hofmann. Sein eigenes Werk und das anderer Künstler hat er in zahlreichen Veröffentlichungen vermittelt; in seinem einflussreichen Essay "The Legacy of Jackson Pollock" bezeichnet er außerdem Pollock als für ihn Weg weisend.

Bekannt wurde Allan Kaprow 1959 mit "18 Happenings in 6 Parts"; mit diesem Event eröffnete die von ihm mitbegründete Reuben Gallery in New York. "18 Happenings in 6 Parts" wurde am 4. sowie am 6. bis 10. Oktober, also an sechs Abenden, aufgeführt. Allan Kaprow hatte die Galerie unterteilt: Die Installation bestand aus drei Räumen, die durch auf Holzrahmen gespannte Plastikfolie voneinander getrennt wurden. Die Zuschauer erhielten am Eingang ein Programm und drei Kärtchen, auf welchen notiert war, in welchen Raum sie sich wann begeben sollten.

Mit "18 Happenings in 6 Parts" war ein entscheidender Schritt in Kaprows Werk vollzogen: Erwünscht war nicht länger passives Zuschauen, sondern aktive Teilnahme. Bei einem Happening sollte es ausschließlich Mitwirkende geben. Allan Kaprow hat in den "Scores" (eigentlich: Partituren), den Handlungsanleitungen für die Teilnehmer, manchmal ausdrücklich darum gebeten, dass Zuschauer sich fern halten; so heißt es etwa bei "Flick" von 1967: "Diejenigen, die nicht teilnehmen möchten, werden respektvoll gebeten, nicht als bloße Zuschauer zu kommen. Es wäre unfair den anderen gegenüber." Bei "Flick" verteilen sich die Mitwirkenden in vier Gruppen auf vier verlassene Straßen. Fünfzehn Minuten vor Mitternacht stoßen sie mit Trillerpfeifen schrille Töne aus, zünden Streichholzheftchen an und zerstreuen sich dann auf dem Nachhauseweg in unterschiedliche Richtungen.

Für Allan Kaprow existierte Kunst nicht losgelöst vom alltäglichen Leben; er wollte beides miteinander verbinden. Anfang der 90er-Jahre bat ihn der Installations- und Performancekünstler Paul McCarthy, sich an einer Ausstellung in einer Galerie zu beteiligen. Allan Kaprow sagte zu, und sein Beitrag bestand darin, dass der Galerist jeden Morgen, bevor die Galerie öffnete, mit einem Gartenschlauch den Bürgersteig bewässerte. Es war durchaus im Sinne Kaprows, dass dieses Happening kaum als solches wahrgenommen wurde. Das entsprach seiner Vorstellung, dass Kunst eins wird mit dem Leben und Alltag - "everything is art, art is everything".

Die Wende: Das Einverständnis mit neuen Aufführungen

Die Vergänglichkeit ist eine wesentliche Eigenschaft der Happenings. Es ist daher nicht verwunderlich, dass von den Happenings nur Spuren erhalten sind: Fotografien, Filmmaterial, die Scores und einige Beschreibungen von Zuschauern. Allan Kaprow hatte auch weder an der Musealisierung seiner Werke, noch an einer klassischen Retrospektive Interesse: Ein Museum soll kein Kunstfriedhof, sondern eine Agentur für Aktion (Agency for Action) sein, forderte er.

Das Verschwinden der Happenings und die Lücken in der Dokumentation stellen für die Kunstgeschichtsschreibung eine Herausforderung dar. Für zeitgenössische Performancekünstler ist der im Frühjahr 2006 verstorbene Allan Kaprow eine wichtige Referenzfigur; die Leerstellen in der Dokumentation sind daher umso deutlicher zu spüren. Für ein Ausstellungshaus stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, Kunstformen, die Kunst als präsentierbaren Gegenstand verneinen, in angemessener Form zu zeigen. Die Ausstellung im Haus der Kunst wird dem gerecht, indem sie den Schwerpunkt nicht auf frühe Collagen und Gemälde legt, sondern das vergänglich Performative von Kaprows Werk ins Zentrum stellt.

Im vergangenen Jahr hat Allan Kaprow in Gesprächen mit den Kuratorinnen Stephanie Rosenthal und Eva Meyer-Hermann entschieden, die Verantwortung abzugeben und damit die Wende in seinem künstlerischen Vermächtnis eingeleitet. Seit Anfang der 60er-Jahre wollte er seine Happenings nur ein einziges Mal durchführen. Von nun an definiert er als seine künstlerische Arbeit die an andere ausgesprochene Einladung, neue Versionen (Reinventions) seiner Happenings zu realisieren. Dabei möchte er drei Prinzipien berücksichtigt wissen: Ortsgebundenheit, Vergänglichkeit, Zweifel an der Kunst (site-specificity, impermanence, doubt in art). Ging es bis dahin um strenge Rekonstruktion, geht es nun um Variation und Interpretation.

Die Ausstellung im Haus der Kunst

Die Ausstellung besteht aus zwei Teilen: Ein Teil widmet sich der Vermittlung, der andere der Aktion. Die Dokumentation der Aktionen wird ihrerseits Teil der Ausstellung.

Museum als Vermittlung ("Museum as Mediation")

Frühe Gemälde, Collagen sowie die Arbeit "Rearrangeable Panel" (neun frei im Raum stehende Holztafeln) zeigen, dass Kaprow sich früh mit unterschiedlichen Kategorien von Raum auseinander gesetzt hat: dem Privatraum (das Atelier oder Wohnhaus) und dem öffentlichen Raum (U-Bahn-Stationen, Brücken). Dieser Werkkomplex verdeutlicht den Schritt von der Zweidimensionalität in den dreidimensionalen Raum und den Übergang zum Happening als einer ephemeren Kunstform, die keines künstlichen Umfelds mehr bedarf, sondern im Alltag angesiedelt ist.

In Tischvitrinen sind die Originalausgaben der Scores und Activity Booklets zu sehen. Durch die chronologische Anordnung wird die formale Entwicklung deutlich: Anfangs waren die Scores tatsächlich Partituren, die große Ähnlichkeit mit denen von John Cage besitzen; bald jedoch verschwinden die Elemente des Notensystems, und der Text tritt in den Vordergrund. Dabei sind Kaprows Ausführungen zunächst sehr ausführlich und so präzis, dass es an Strenge grenzt; im Laufe der Jahre jedoch verdichten sie sich zu Kurztexten, die mit konkreter Poesie vergleichbar sind und dem Ausführenden mehr Spielraum lassen. Nach einer Phase, in der Allan Kaprow seine Handlungsanleitungen mit Interpretationen ergänzt, findet er schließlich erneut zu einem so schlichten wie poetischen Stil zurück.

Vermittlung und Aktion werden durch die filmische und fotografische Dokumentation verflochten: Die Wände des zentralen Mittelsaals werden zu einer erweiterbaren Bibliothek, in der nicht nur Videos und Fotos früherer Aufführungen der Happenings gezeigt werden, sondern auch von den neuen Versionen, die während der Ausstellung entstehen.

Museum als Agentur für Aktion ("Museum as Agency for Action")

Das Haus der Kunst wird als erste Kulturinstitution, die dafür Unterstützung durch den Künstler erfährt, neue Versionen von großen Happenings wie "Household", "Out", "Birds" realisieren sowie zahlreiche Versionen von kleineren Happenings, die von einzelnen Personen und kleineren Gruppen aufgeführt werden können. Die Happenings finden zum Teil im Haus, zum Teil im öffentlichen Außenraum, zum Teil in privaten Räumen statt. Jede neue Version soll dokumentiert werden. Diese Dokumentation wird durch Fotos, Videoaufzeichnungen oder Erfahrungsberichte Teil der Ausstellung. Unter www.kaprow.org ist die Anmeldung für die Teilnahme an einem Happening möglich.

Neue Versionen von den Environments "Push and Pull", "Apple Shrine" und "Stockroom" werden die Künstler Stefan Römer, Maria Jetelowa, Hermann Pitz und ihre Studenten der Münchner Akademie schaffen. Allan Kaprow hat in den letzten Jahrzehnten seine Kunst über die Lehrtätigkeit in seinen Alltag integriert; seine Happenings entstanden meistens mit den Studenten, die er unterrichtete. Die Ausstellung wird der zentralen Bedeutung, die Vermittlung und Lehre bei Kaprow haben, u.a. auch durch diese Einladung gerecht. Environments definiert Allan Kaprow als veränderbare Installationen. Nur zu Beginn seines Schaffens, Anfang der 60er-Jahre, hat er Environments realisiert. Später hat er von "Aktivitäten" gesprochen, weil er die gesamte Umgebung bzw. Welt als Environment verstanden und genutzt hat.

Die Mittelhalle mit den Environments ist frei zugänglich; damit fungiert sie als Übergang vom öffentlichen Raum zu den nur mit Eintrittskarte zugänglichen Ausstellungsräumen des Ostflügels. Dies sowie die Aufführung von Happenings außerhalb vom Haus der Kunst entspricht dem Wunsch des Künstlers, Kunst nicht auf Orte des Kunstbetriebs zu beschränken.

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Allan Kaprow. Kunst als Leben
happenings, activities, environments
in Zusammenarbeit mit Van Abbemuseum, Eindhoven und Dance 2006
Kuratoren: Eva Meyer-Hermann, Stephanie Rosenthal

Stationen:
18.10.06 - 21.01.07 Haus der Kunst, München
10.02.07 - 22.04.07 Van Abbemuseum, Eindhoven