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Die Arbeiten von Andreas Lorenschat kreisen um das Thema ›Wahrnehmung‹ und befinden sich an der Schnittstelle zwischen Fotografie und Video. Durch eine feste Kameraeinstellung mit unverändertem Bildausschnitt wird das bewegte Videobild zum fotografisch anmutenden Standbild, das von Bewegung nur durchzogen wird. ›Videografien‹ nennt Andreas Lorenschat selbst seine Arbeiten, die auf Flachbildschirmen präsentiert werden und somit nicht nur an eine Fotografie sondern auch an ein klassisches Tafelbild erinnern. In der Ausstellung »Ich hatte viel zu tun, da habe ich mir die Gegend angesehen« zeigt der Frankfurter Künstler neben Videoarbeiten neue Werke, die sich – in einem Spiel von Schrift, Bild und Gedankenbild – mit romantischen Landschaftsdarstellungen aus der Kunstgeschichte beschäftigen. Die Bilder werden erst im Kopf des Betrachters präsent, da Andreas Lorenschat die Landschaften durch Texte skizziert und die Bilder somit evoziert.

Andreas Lorenschats Bildsprache changiert zwischen Illusionismus und Minimalismus. Der Künstler entzieht den Bildern die Tiefe und lässt die im Bild festgehaltenen Objekte zu abstrakten Formen werden. In der Video-Arbeit Der Rasenmähermann (2004) werden Rasen, Büsche und Himmel zu eigenständigen Bildflächen, die nur durch den Rasenmähermann wieder ins Illusionistische wechseln. Dieser durchquert das Bild von links nach rechts, verschwindet aus dem Bild und geht auf gleichem Weg von rechts nach links zurück. Er mäht keine Fläche, sondern bewegt sich auf einer waagerechten Linie. Entlang dieser mäht er, durch den Loop unermüdlich wie Sisyphus.

Der Aussichtsturm (2004) wird zum skulpturalen Objekt, das harmonisch die Bildmitte des Videos auf einer grünen Fläche vor blauem Hintergrund ausfüllt. Wiederum ist es der Mensch, der Bewegung ins Bild bringt. In Intervallen wird die Aussichtsplattform, in deren Mitte ein Fernrohr steht, von Touristen besucht und wird so zu einer Bühne – zu einer Bühne der Beobachtung. Die Menschen werden dargestellt, während sie ihre Blicke auf das Objekt ihrer Begierde konzentrieren, das außerhalb des Bildfeldes liegt. Die Blicke der Plattform-Besucher erweitern den Bildraum – unterstützt durch das Fernrohr – bis an die Grenzen der Wahrnehmung. Der Blick in die Natur und der Blick auf die Kunst werden miteinander verzahnt, denn nicht nur die Besucher des Aussichtsturms beobachten, auch wir beobachten diese bei ihrer Beobachtung. Andreas Lorenschat dreht und wendet die Blickrichtungen – die Blicke ins Bild werden auf uns zurückgeworfen und wir werden uns unserer Rolle als Voyeur gewahr. Was die Menschen betrachten, bleibt unwichtig. ›Wahrnehmung‹ und ›Beobachtung‹ an sich sind Zentrum des Werks.

Die Video-Arbeit Der Eisbrecher (2005) befragt die Wahrhaftigkeit des Bildes und unserer Umgebung. Ein Schiff bewegt sich langsam von links nach rechts auf einer gedachten waagerechten Linie durch das Standbild: es fährt über die See durch hohe Eisberge. Erst die genaue Betrachtung verrät, dass Andreas Lorenschat keine realen Eisberge mit seiner Kamera eingefangen hat, vielmehr sind es artifizielle Formen aus des Künstlers Hand: eine Anordnung zerknüllter Papiere. Die Brüche, die erst auf den zweiten Blick sichtbar werden, regen zu einer Prüfung des Gesehenen an. Durch das Einbinden des Meeres in ein Papiermodell aus Eisbergen führt uns Andreas Lorenschat die Modellhaftigkeit unserer Welt nicht nur vor – er verdoppelt sie.

Den Künstler interessiert die Reflexion über Bilder und die Wahrnehmung unserer Umwelt. Der Horizont, diese imaginäre Linie zwischen Himmel und Erde, welche die Grenze unserer Wahrnehmung als auch unseres Vorstellungsvermögen symbolisiert, bildet den Fokus der Arbeiten von Andreas Lorenschat. Dieses gestalterische Mittel ist die feste Größe seiner Bildkompositionen, die sich niemals verschiebt – doch gibt sie Anstöße für eine Verschiebung des individuellen Horizonts des Betrachters.

Pressetext

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Andreas Lorenschat
"Ich hatte viel zu tun, da habe ich mir die Gegend angesehen."