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Die Arbeiten in der Ausstellung "The Sound of Your Eyes" zeigen einen Auszug eines umfangreichen Malereiprojektes, das Anita Fricek seit dem Jahre 2002 fortlaufend entwickelt hat. Im Zentrum des Projektes steht der Konflikt zwischen radikalen pädagogischen Theorien nach 68' und rechtsgerichteten Erziehungsmodellen, wobei Möglichkeiten und Grenzen beider entgegengesetzter Systeme ausgelotet werden. Die Arbeit bezieht sich explizit auf die Strukturen dieser Kollektive und auf die Kinder, die darin aufwachsen - sei es in weltlichen oder religiösen Kinderheimen und Internaten oder in alternativen Gruppen wie denen der Nudisten oder in Kommunen. Die Bilder nehmen fast immer die Perspektive der Kinder ein, was den Effekt hat, dass die Erziehungserfahrungen der Betrachterinnen und Betrachter auf bemerkenswerte Weise wachgerufen werden und ideologische und kulturelle Prägungsmuster im Spiegelbild erscheinen. In diesem Fall wird der White Cube zu einem Raum kollektiver Erinnerung, der die Möglichkeit bietet, Mechanismen sozialer und subjektiver Produktion zu überdenken und neu zu kodieren.

Dies verweist auf den "dokumentarischen" Aspekt von Anita Friceks Projekt, denn die Vorlagen der Bilder stammen stets von bereits bestehenden Bildarchiven - von Fotos, Büchern, Filmen und dem Internet. Diese Vorlagen werden einem kreativen Transformationsprozess unterzogen, der die Strukturen der Repression und das inhärente Potential für Freiheit analysiert und in der Sprache der Malerei, als Sensation vollzieht. Viele der Bilder sind aufgrund persönlicher Geschichten und Fotos von Personen entstanden, die Anita Friceks Arbeit kennengelernt hatten. Anita Friceks Bilder fungieren deshalb als Feedback - Mechanismen und finden sich in der Öffentlichkeit als Dokumente konditionierender sozialer Kräfte aber auch als praktikable Diagramme, die Wege aufzeigen, wie jene Kräfte transformiert werden können. Die Bilder durchbrechen ihre Eindämmung innerhalb des White Cube, indem sie Verbindungen zur Außenwelt herstellen und die Sterilität des Ausstellungsraumes mit Welten persönlicher Erlebnisse und Emotionen aufladen. Diese erscheinen wie "Lärm", wie ein tosender Widerhall, der die Ruhe und (Selbst)Kontemplation des Galerieraumes durchdringt. In diesem Falle richtet sich die Attacke auf die ideologische "Institutionalisierung" von Kunst, um sie als pädagogischen und politischen Mechanismus innerhalb des sozialen Raumes abermals zu aktivieren.

Auf all diesen Ebenen erforscht Anita Friceks Arbeit eine Ästhetik der Bewegung, eine Choreographie der Transformation, die komplett zweckmäßig ist. Zweckmäßig, da sie praktisch anwendbar ist; sie fordert von uns nicht mehr ein, als sie selbst zu vollziehen sucht. Zweckmäßig, da sie persönlich ist; denn es sind exakt persönliche Bewegungen, die die breiten institutionellen Mechanismen, die soziale Produktion bestimmen, konstituieren. Und schließlich sowohl zweckmäßig und persönlich weil poetisch, da Anita Friceks Bilder letztendlich nichts als Diagramme sind, die vorführen, wie man sich Flügel wachsen lassen könnte.

Stephen Zepke