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Anna Boghiguian ist eine Malerin und Zeichnerin mit einem einzigartigen, unmittelbaren und persönlichen Ansatz. 1946 in Kairo, Ägypten, geboren, lebt Boghiguian nomadisch zwischen Kairo, Indien, Europa und immer wieder neuen Reisezielen. Sie hat Kunst und Musik an der Concordia University, Montreal, und Politikwissenschaften und Wirtschaft an der American University in Kairo studiert. Über viele Jahre sind auf ihren Reisen tagebuchartige Serien von Farbzeichnungen und Kollagen, oft Text und Bild miteinander verbunden, voller Eindrücke entstanden, die sich in Momentaufnahmen oder thematisch gebündelt als Zustandsbeschreibung unserer Welt lesen lassen. Auf der vergangenen documenta13 beeindruckte Boghiguians kraftvolle Zeichnungsserie »Unfinished Symphony« (2012) in der mutigen Gegenüberstellung mit den ebenfalls aus Text und Bild konstruierten Gouachen der in Auschwitz getöteten deutsch-jüdischen Malerin Charlotte Salomon.

Boghiguian greift in ihrem Werk unterschiedliche Themen auf, wie die Lebensumstände von Leprakranken in Indien oder das komplexe Stadtgefüge von Kairo: »die Menschen in den Kaffeehäusern, aber auch die reglose Stille der Stadt der Toten und in jüngster Zeit auch die Spuren von Kampf und Zusammenbruch« (Eva Scharrer). Figürliches verbindet sie mit Text in überwiegend kompakten, vielschichtigen, teils auch ganz reduzierten Zeichnungen oder Kollagen. Dabei bleibt sie selbst in der zeichnerischen Verfremdung immer auch unmittelbar am Geschehen. In der Zeichnung »Films of Cairo, The Crocodile moves«, 2010, wird die Puls der Stadt Kairo als eine filmische Bilderfolge wiedergegeben. Jedes Einzelbild kennzeichnet eine andere Dynamik, von Smog über Straßenverkehr bis zur Strömung des Nils.

Häufig schafft Boghiguian intellektuelle und kompositorische Zusammenhänge zwischen der Antike, Literatur und Poesie sowie Fragen der Gegenwart. In jüngeren Arbeiten hat sie sich intensiv mit der sinnlichen Wahrnehmung, speziell den Sinnesorganen Ohr, Auge und Mund beschäftigt. Diese Themen setzen sich in neuen Zeichnungen und Kollagen fort, die während eines Kurzstipendiums des Berliner Künstlerprogramms in Berlin entstanden sind und in der Ausstellung in der daadgalerie um einige skulpturale Elemente ergänzt werden. Wesenszüge des heutigen Berlins verbinden sich hier mit Überlegungen zum fortdauernden Mythos um Nofretete, der Gemahlin Echnatons, und zur heutigen Situation Ägyptens. Eine Reihe von neuen Zeichnungen stammt von einer Reise in das heutige, von Touristen verlassene Amarna, ehemals Achet-Aton, der Fundstätte der Nofretete-Büste. Zusätzlich werden ältere Reiseskizzen Boghiguians, die in den 1980er Jahren u.a. in Berlin entstanden sind, erstmals präsentiert.