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Mit bisweilen Raum füllenden, (total-) installativen Werken aus Pappkarton spiegelt und befragt Anna Gierster ihr gesellschaftliches Umfeld, dessen Teil sie ist. Die Künstlerin untersucht nichts weniger als das grundlegende Regel- und Normenwerk kommunikativer soziokultureller wie politischer Verhaltensweisen, die im 21. Jahrhundert von zunehmender Relevanz erscheinen, sich mitunter aber doch als „althergebracht“ erweisen. Häufig stehen Themen wie Moral und Religion, Ordnung und Sicherheit, Verbraucher- bzw. Anwenderschutz und somit wenigstens 10 Gebote, komplizierte Gesetzeslagen und simple Straßenverkehrsregeln im Mittelpunkt des Interesses von Anna Gierster. Um bestimmte Mechanismen des gesellschaftlichen Systems genauer erforschen zu können, bedient sich die Künstlerin des Modellbaus. So bilden ihre pappigen Analogiemodelle die Wirklichkeit bzw. deren Ausschnitte nicht einfach ab, sondern vereinfachen viel mehr komplexe und bisweilen kaum zu visualisierende Sachverhalte und Zusammenhänge. Im Rahmen ihrer Ludwigsburger Ausstellung hat die Künstlerin ein Leitsystem entwickelt, dass universell einsetzbar allen „Anwendern“ in jeder Situation generelle Orientierung und absolute Sicherheit gewährleistet. Sie müssen einfach nur den Anweisungen folgen, die auf den schmalen, hohen Pappstelen zu lesen sind, und schon ist jede Entscheidung abgenommen und der komplette (Lebens-) Weg geregelt. Natürlich lässt das labyrinthartige Stelensystem seiner Aufstellung nach genügend Platz, auch außen entlang eine individuelle Richtung einzuschlagen – doch dann ist man auf sich selbst gestellt, Gefahren und Risiken nicht ausgeschlossen. In der zentralen Halle des Kunstvereins führt Gierster zudem ein höchst effektives Sicherheitsgerät für den Privatgebrauch vor: Ein ferngesteuerter, wendiger Kleinpanzer lässt sich nicht nur hier, sondern auch (wie der Rasenmäher) im Garten einsetzen und schützt so Haus und Heim vor eventuellen Übergriffen jeglicher Art.

Natürlich sind Anna Giersters technisch versiert ausgeführte Pappwerke in erster Linie eben Modelle – oder Konstrukte? Während man in der Wissenschaftstheorie noch darüber streitet, ob Modelle als Repräsentanten tatsächlich die Realität abbilden oder rein theoretische Konstruktionen darstellen, fragt man sich bei eingehender Betrachtung der Arbeiten der Künstlerin viel mehr, ob die Realität nicht doch nur ein Modell ist. Die Konstrukte jedenfalls, die reale gesellschaftliche Prinzipien ausmachen, scheinen zwar häufig mindestens zementiert, sind aber im Grund von Pappe. Bisweilen trägt man eben nur schwer an ihnen. Doch manchmal erweisen sie sich tatsächlich auch als funktional.

Silke Opitz, Kuratorin

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Anna Gierster
Zu Ihrer Sicherheit
Kurator: Silke Opitz