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Ein Zitat aus dem Alterswerk Ludwig Wittgensteins „Über Gewissheit“ bezieht sich als Titel der Ausstellung auf ein zentrales Anliegen der drei KünstlerInnen. Der Satz „Es steht geschrieben.“ bürgt im biblischen Zusammenhang für den Wahrheitsgehalt des nachfolgend Erzählten. Losgelöst aus diesem Kontext verliert er diese Gewissheit und eröffnet eine Vielzahl neuer Betrachtungsweisen über Sinnhaftigkeit, Zweifel, Autorenschaft, Kontext etc. Anna Lena Grau, Frank Hesse und Eske Schlüters erforschen Archive und suchen nach vergessenen oder unbekannten Geschichten. Sie setzen sich in ihrer künstlerischen Arbeit mit philosophischen und wissenschaftlichen Methoden auseinander und suchen den außerordentlichen Blickwinkel im bereits Bekannten.

Frank Hesse´s (1970) Arbeiten bewegen sich auf einem schmalen Grat zwischen wissenschaftlich-präziser Untersuchung und künstlerischer Arbeit. Mit großem Sinn für Zwischentöne, erzählt er Geschichten, deren Dramaturgie einen hochaktuellen Diskurs über die Bildsprache in Kunst und Wissenschaft widerspiegelt.

In der zweiteiligen Arbeit „De Ou Par Marcel Duchamp (2008)” bezieht sich Frank Hesse auf den mythenumwobenen Vater der Konzeptkunst Marcel Duchamp. Seine Recherchen haben ihn in die Kindheit Duchamps geführt. Um seinen Lieblingsort im Garten seines Geburtshauses zu markieren, ritzte Marcel Duchamp im Alter von 12 Jahren in eine Buche seinen Namen und die Jahreszahl ein: Duchamp Marcel 1901. Der derzeitige Besitzer des Anwesens musste den Baum 1993 fällen, da er umzustürzen drohte. Der Teil mit der Inschrift wurde jedoch aufbewahrt und befindet sich seitdem in seiner Garage. Das Objekt, der Baumstumpf, wurde von Hesse nach den gestalterischen und inhaltlichen Vorgaben der Erstausgabe von Arturo Schwarz‘ »The Complete Works of Marcel Duchamp« dokumentiert. Frank Hesse ergänzt das Werkverzeichnis. Die beiden Seiten – ein Bild- und ein Indexteil – werden mittels dünner Silberkettchen eingefügt.

Eske Schlüters’ (1970) Videofilme sind ein Spiel aus Worten, Klängen und Einzelbildern, die von deren metaphorischem Charakter und dem abhanden gekommenen größerem Zusammenhang sprechen. Indem sie Filmmaterial aus Spielfilmen anderer Regisseure verwendet, schreibt Schlüters eine eigene Filmgeschichte, in der kurze Einblendungen komplexe Atmosphären entfalten. In Einzel- und Mehrfachprojektionen erforscht sie das „Verstehen“ von bewegten Bildern, die nicht von einer stringenten Erzählhandlung geleitet werden. Ihre offene Erzählweise umspielt das begriffliche Denken, beunruhigt es und entdeckt neue Bedeutungen.

Eske Schlüters jüngster Film „After the Rehearsal (2007)“ basiert auf einer Dokumentation der Dreharbeiten zu Chantal Akermans Spielfilm „Jeanne Dielmann“ und stellt den Moment des Einübens an sich alltäglicher Handlungen ins Zentrum. Der filmischen Dramaturgie inhärente Verfremdungseffekt tritt bei der Isolierung der Szenen, in denen die Schauspielerin ihre Rolle für die Kamera probt, besonders zutage. Eske Schlüters reflektiert die Aufgabe des Schauspielers, eine Rolle genuin zu verkörpern, auch auf der Ebene des Tons, wenn sie Texte aus der Theatertheorie aus verschiedenen Sprachen übersetzt und zu einer eigenständigen Komposition montiert.

Anna Lena Grau’s (1980) Interesse gilt sowohl den naturwissenschaftlichen Disziplinen wie auch der Kunstgeschichte. Ihre kleinformatigen Glasobjekte zum Beispiel, die „Quallengläser 2008“ folgen formal den inneren Ausformungen einer Qualle, übertragen deren spezifische Fortbewegungsmethode auf die technischen Möglichkeiten des Glasblasens. Die Ein- bzw. Ausstülpungen der Quallengläser entstehen durch punktuelles Erhitzen der zähflüssigen Glasblase. Bei sehr großen Einstülpungen wird zusätzlich Glas aufgeschmolzen, welches dann mit Hilfe der Fließkraft, und durch zusätzliches Einsaugen in die Glasblase gezogen wird. In ihrer Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Phänomenen leitet sie formale Strukturen von vorhandenen Bildvorstellungen ab, verselbständigt diese, verbindet, schichtet, überlagert sie frei assoziierend mit ähnlichen Formationen, um sie dann wieder zum Objekt zurück zu führen.

„Es geht mir nicht um Eindeutigkeit,“ schreibt Anne Lena Grau, „Ich untersuche Momente, in denen die logische Nachvollziehbarkeit der mir sonst vertrauten Zustände irritiert wird, Momente, in denen die Uneindeutigkeit der Welt sichtbar wird. Meine Arbeit besteht also darin modellhafte Stellvertreter zu finden, an denen sich die Wahrnehmung kaleidoskopartig aufzuspalten vermag, in denen das Echohafte, Schwimmende der eigenen Wahrnehmung erfahrbar wird.“

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Anna Lena Grau, Frank Hesse, Eske Schlüters
Der Satz „Es steht geschrieben.“