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"Mit der Aufzeichnung von Grenzen in der Darstellung utopischer Projekte sind Grundlagen geschaffen, um einen neuen Ansatz zu wagen: denn gerade Bilder und Modelle bieten die ideale Basis, um einen utopischen Diskurs neu zu entfachen. Der Schwellenwert der räumlichen Darstellung [...] besteht zwischen Unschärfe und Genauigkeit, zwischen ideellen Ausdruck und Berechenbarkeit." (1)

SCREEN ist eine eigens für das BÜRO DC entwickelte Arbeit von Anne Pöhlmann (geb. 1978).

Besucher und Passanten gleichermaßen werden zunächst verwundert sein, denn auf den ersten Blick werden sie nichts sehen, vielleicht werden die Räume renoviert. Von Außen ist lediglich eine mit weißem Papier abgeklebte Fensterscheibe zu erkennen. Einmal eingetreten erwartet der Besucher eine Ausstellung, findet jedoch einen leeren Raum vor.

SCREEN ist die Installation von zwei Fotografien, die auf die Scheibengröße kopiert worden sind. Die Motivseiten zeigen jeweils nach Innen. Für Passanten und Ausstellungsbesucher sind nur die blanken Papieroberflächen sichtbar. Die einzelnen, rasterförmig aufgeteilten "Plakate" der beiden Bildmotive wurden mit Kleister von innen und außen auf der Schaufensterscheibe montiert. Je nach Tageszeit und Lichtintensität "erscheint" die Fotografie, beziehungsweise überlagern sich die Motive: eine Ansicht eines öffentlichen Platzes im Pariser Stadtteil Tolbiac (Innen, von Anne Pöhlmann) und das Dokumentationsfoto einer Idealstadtplanung aus den 1960er Jahren (Außen, aus dem Archiv der Künstlerin).

Beide "Entwürfe" verhandeln gebaute utopische Visionen, denen sich die Künstlerin Anne Pöhlmann mittels des Mediums Fotografie und in Form einer Installation nähert. Inwieweit ist ein realisiertes utopisches System als "geglückt" zu betrachten; unter welchen Kriterien muss es als gescheitert gelten? Platten- und Hochhausbau markieren dabei Phänomene, die nicht nur die Planungen der Architektur und Stadtplanung Ostdeutschlands der Ära Ulbricht und Honecker dominieren, sondern in ganz Europa, vereinzelt weltweit zu finden sind. Die "Platte" beinhaltet freilich auch ein soziales Konzept, eine Utopie: günstigen Wohnraum für alle, soziale Gleichheit, bescheidener Individualismus. Bauten, deren Qualitäten heute von ihren Bewohnern eher ignoriert werden.

Das strukturelle Interesse an der Architektur, im Besonderen der 1960er und 70er Jahre, die formale Analyse architektonischer Konzepte, scheint für Anne Pöhlmann eher an Bedeutung verloren zu haben; in gleichem Maße wie die unmittelbare Präsenz des fotographischen Abzuges und dessen Ausstellung. Zwar findet sich die mittelbare Basis ihrer Arbeiten noch in dem Sujet der Architekturfotografie, jedoch überlagern sich deren Aspekte mit formalen Elementen und Techniken der Analyse, Recherche und Archivierung. Anne Pöhlmann sammelt das Material auf ihren Streifzügen durch Metropolen und Städte, über öffentliche Plätze und durch Neubaussiedlungen an der Peripherie der Städte.

In der Ausstellung SCREEN hat sie sich bewußt wieder für die Arbeit mit Schwarz-Weiß-Fotokopien aus dem Copy-Shop entschieden. In früheren Arbeiten hat sie bereits mit Fotokopien gearbeitet, einzelne Bauwerke zu imaginären Stadtgefügen frei auf einer Wand komponiert oder zu kleinformatigeren Collagen assembliert. Für SCREEN exemplifiziert Anne Pöhlmann in besonderer Weise das Prinzip der Erweiterung des Bildträgers, wie es bei einer Wandarbeit oder Collage der Fall ist.

Arne Reimann

(1) Annett Zinsmeister: Der utopische Plan, in: Annett Zinsmeister (Hg.): Plattenbau oder Die Kunst, Utopie im Baukasten zu warten, Karl Ernst Osthaus-Museum, Hagen 2002, S. 92.

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Anne Pöhlmann "SCREEN"