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Mit Antje Schiffers (1967) und Thomas Ganzenmüller (1966) zeigt der Kunstverein Hannover die beiden Träger des Preis des Kunstvereins 2002 in einer Doppelausstellung, die die gesamten Räume des Kunstvereins umfasst. In ihrer jeweils ersten umfangreichen Einzelausstellung in einem überregional wahrgenommenen Ausstellungshaus zeigen die beiden Künstler im Wesentlichen die Ergebnisse ihres zweijährigen Aufenthaltes im Atelierhaus des Kunstvereins Hannover, Villa Minimo. Die „Wandermalerin“ Antje Schiffers, die Bilder für Kost und Logis in Zahlung gibt, und der hintersinnige Statistiker im Schafspelz der Kunst, Thomas Ganzenmüller, entwickeln einen komplexen Ausstellungsparcours, der unseren Kunstbegriff vielfältigen Erweiterungen unterzieht. Schiffers und Ganzenmüller bedienten sich in einem geschickten Akt der Camouflage unterschiedlichster wissenschaftlicher Disziplinen, um dem Alltag in seinen Überschneidungen und Verunreinigungen durch die Kunst auf die Spur zu kommen. Antje Schiffers begibt sich auf Reisen, die mit der in unserer Gegenwart weit verbreiteten Sehnsucht nach Ferne und Erholung, nach schnell konsumierter Fremde und touristischer Verfügbarkeit wenig gemein haben. Auf ihren Reisen nach Mexiko, Italien oder wie in ihrem aktuellen Projekt, in den osteuropäischen Anrainerstaaten der EU wird das Bild zur Auftragsarbeit und künstlerische Tätigkeit zur merkantilen Tauschware. Die Dauer des jeweiligen Aufenthaltes richtet sich nach der Zeit, die nötig ist, um ein Bild der Kategorie „angemessen gut“ abzuliefern – in der Regel vier oder fünf Tage. Antje Schiffers soziologischer Forscherdrang ist dabei immer unterlegt mit romantischer Abenteuerlust, sodass die Grenzen unmerklich durchlässig werden und der Betrachter beständig Gefahr läuft, sich zwischen Biografie und Wissenschaft, zwischen Forschung und Abenteuer zu verirren.

Thomas Ganzenmüllers wissenschaftliches Forschungsfeld ist die Statistik und sein Ehrgeiz gilt dem Kampf gegen den Zufall. Die Welt in ihrer vielgestalten Chaotik wird in mühsamer Kleinarbeit mit einem Koordinatenraster versehen, das das einer Systematisierung sich scheinbar Entziehende nach und nach vernetzt und zusammenführt. Das graphische Gespinst der Flugreisen einer französischen Fußballmannschaft fügt sich so zum Logo ihres Sponsor oder die systematische Untersuchung der Todestage amerikanischer G.I.’s und deutscher Wehrmachtssoldaten zu formschönen Ellipsen, die erstaunliche Relationen zwischen deren Geburts- und Todestagen offenbaren.

Vor den Ergebnissen sind es dabei immer die Fragen Thomas Ganzenmüllers, die durch ihren überraschenden Blick und ihren Sinn für die Tragikomik des Alltäglichen überzeugen. Hinter der Fassade der wissenschaftlichen Nüchternheit und ihrer ästhetisch überzeugenden Umsetzungen geht es um bewusst inszenierte Abgründe, die Kontingenz des Daseins und den Versuch alles mit allem zu Erklären.

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