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Eröffnung: Freitag, 18.09.2015 um 19 Uhr

Der Künstler Arne Bellstorf ist am Tag der Eröffnung anwesend und steht für Interviews zur Verfügung.

Die Graphic Novel, Brücke zwischen bildender Kunst und Literatur Graphic Novels unterscheiden sich von Illustration, da sie nicht versuchen, einen vorhandenen Text kongenial mit Bildern zu ergänzen und zu unterstützen (Latein illustrare = erhellen, erklären, offenbaren), sondern neue, eigenständige narrative Strategien zu entwickeln. Graphic Novels sind nicht illustrierte Literatur, sondern ein eigenständiges künstlerisches Medium.
Die Graphic Novels erweitern in erster Linie die Möglichkeiten der traditionellen Comics, aus denen sie hervorgegangen sind. Sie machen daraus ein experimentelles, künstlerisches Ausdrucksmittel mit ganz eigenen, überraschenden Optionen der Text- und Bildkommunikation.
Die Graphic Novels nutzen die statische Bildproduktion, um den Film im Kopf des Betrachters entstehen zu lassen, gleichwohl funktioniert dieses relativ neue Medium nicht wie ein Film. Den Begriff „Graphic Novel“ führte der amerikanische Comic Zeichner Will Eisner Mitte der 1970er Jahre ein. Mit diesem neuen Medium des grafischen Erzählens fanden die beteiligten Künstler einen Weg aus dem Kiosk und den Comic Shops in die regulären Buchhandlungen, was wiederum deren Rezeption enorm verbesserte.

Arne Bellstorf (*1979) aus Hamburg ist Cartoonist, Illustrator, Grafiker und Autor. Er wird zusammen mit dem britischen Graphic Novel Künstler Luke Pearson im Kunstverein Freiburg einige seiner Arbeiten präsentieren und bietet somit dem Freiburger Publikum die Chance, sich einmal jenseits von Buchhandel und Cartoonmuseen mit dieser spannenden Entwicklung in der bildenden Kunst zu befassen.
Als Schöpfer von Cartoons und Graphic Novels ist Arne Bellstorf eher der „Ligne claire“ zuzuordnen. Diese stilistische Eigenart orientiert sich am Zeichenstil des Belgiers Hergé (1907-1983), der den bekannten Comic „Tim und Struppi“ zeichnete. „Ligne claire“, als Begriff vom holländischen Comic Künstler Joost Swarte eingeführt, reduziert die Zeichnung auf klare Konturlinien ohne Schattierungen bzw. Schraffur. Bellstorf koloriert wie Luke Pearson farblich zurückgenommen und reiht sich damit ebenso in die Gruppe der Graphic Novel Artists ein wie der Brite. Seine Seitenarchitektur und sein Spiel mit Perspektive erinnern hier und da an Chris Ware aus Chicago, welcher momentan als der bedeutendste Comic Künstler gilt. Arne Bellstorf pflegt eine ruhige, psychologische Erzählweise, die oft komplett ohne Worte auskommt. Das ermöglicht ein „Lesen“ der Story mit den Augen, ohne dabei das Sehen der Bilder durch das spätere Lesen von Textelementen / Sprechblasen zu verlangsamen und damit in zwei getrennte Wahrnehmungsschritte aufzuteilen. Der Betrachter ist dabei derjenige, der die „Leerstellen“ zwischen den einzelnen Bildern mit Zeit und Sinn füllt, wodurch die Behauptung, nur Sprache würde die Fantasie anregen und eine Eigenleistung vom Leser verlangen, widerlegt sein sollte. Arne Bellstorf wird in der Ausstellung die zwei neuen Werke „Frank“ und „Romantic Comedy“ vorstellen.

Luke Pearson (*1987) ist einer der jungen Stars des immer noch recht neuen Mediums Graphic Novel. Aufgewachsen in Birmingham, ist er vielseitig und wandlungsfähig, wie seine bislang veröffentlichten Werke zeigen. Auf der einen Seite zeichnet Pearson anspruchsvolle Graphic Novels, die durchaus auch kommerziellen Erfolg haben, zum Beispiel seine „Hilda“ Serie. Auf der anderen Seite wagt er experimentelle Produktionen, wie etwa sein „Everything we miss“ aus dem Jahre 2011 (von Heinrich Anders ins Deutsche übersetzt und unter dem Titel „Was Du nicht siehst“ bei Reprodukt erschienen). Diese Graphic Novel ist eine poetische Comic-Narration, welche im Umfeld der Londoner „Nobrow“ Gruppe entstand. „Nobrow“, eine Galerie und gleichzeitig Produktionsstätte von Avantgarde Comics/Graphic Novels, wurde 2008 gegründet. „Everything we miss“ besitzt die stilistischen Eigenarten von Graphic-Novels, zum Beispiel einen stark reduzierten Zeichenstil und auf zwei Farben beschränkte Kolorierung, was die ästhetische Wirkung den traditionell sehr bunten Comics gegenüber enorm steigert. Luke Pearson wird einige Originalzeichnungen dieser Comic-Narration sowie eine Auswahl aus seinen bekannteren „Hilda“ Büchern in der Ausstellung zeigen.

Text: Dirk Görtler