press release only in german

03.09.2021 - 23.10.2021
Opening DC-Open Galleries Sept 3-5

ASTALI / PEIRCE ,Horizont’
03.09.-23.10.21

Horizont - 2021
Zweikanal Audio/Video-Installation
Laufzeit: 47:55 min

Horizont entfaltet sich anhand einer Reihe von Objekten und Interventionen, die einander gegenübergestellt werden. Beleuchtet werden diese vom pulsierenden Licht eines über die Bildebene gleitenden Scannerstrahls. Die Sequenzen ziehen horizontal über die Projektionsfläche, während das Licht mechanisch hin und her wandert und eine Reihe von Artefakten beleuchtet.

Horizont ist ein gleichermaßen anthropologisches wie poetisches Unterfangen. Das dem Alltag entnommene Quellenmaterial spiegelt künstlerische und archivarische Impulse wider und greift eine Reihe von Themenkomplexen auf, darunter Ökologie und Zerstörung, Geschichte und Digitalisierung, Gewalt, Fruchtbarkeit, Drogen und Wirtschaft. Mitunter gehen die Eigenheiten der Dinge und ihre Konnotationen – eine brennende Zigarette auf einer Leinwand und eine geleerte Kaffeetasse auf der anderen – affektive, evokative Beziehungen ein. In Arrangements wie dem eines Smileys auf der einen und einer einsamen, sich windenden Made auf der anderen Seite trifft Vitalität auf Vanitas*. Die beiden Bildflächen stehen sich wie in einem Gespräch gegenüber und liefern sich ein semantisches Tauziehen zwischen Sinn und Unsinn, Humor und Ernst, das sowohl die kosmischen Sucherinnen als auch die spekulativen Analytiker\innen in seinen Bann zieht.

Einem Mantra gleich erzeugt die Tonspur einen hypnotischen Puls, der ein polyrhythmisches Raster vorgibt. In dieses können die Betrachtenden eintauchen, sich treiben lassen und zurückkehren, um die Blicke schweifen zu lassen und frei zu assoziieren. Die immersive Erfahrung lässt auch die Aussetzer deutlicher hervortreten, etwa wenn Astali / Peirce sich selbst per Videoanruf von einem auf dem Scanner platzierten Smartphone anrufen und sich neben ihrer Apparatur zu erkennen geben, oder wenn der Scanner sich selbst scannt und ein kaskadenförmiges Bild hervorbringt. Akustische und visuelle Störungen verschmelzen mit Taschenspieler*innentricks und verleihen den intendierten Brüchen mit der Autor*innenenschaft ein Gefühl der Reflexivität, ja sogar der Intimität. Durch diese Störungen scheinen Astali / Peirce zu suggerieren, dass das Selbst einem intuitiveren Verstehen möglicherweise im Wege steht, und sie machen darauf aufmerksam, wie bereitwillig wir Bedeutungen zuschreiben und konstruieren, selbst gegenüber den fragilsten und flüchtigsten Zusammenhängen.

Der Scanner in Horizont dient als Rahmen, Bühne und Plattform für diese intrapsychischen Erkundungen. Er bietet den Künstlern Form und Funktion: ein Ort der bürokratischen, automatisierten Arbeit und ein Ritual. In einer Gesellschaft, die süchtig ist nach der Produktion des Selbst durch sich ständig verändernde Konsumformen, unternimmt Horizont eine umfassende Bestandsaufnahme des Jetzt. Post-mortem, Horizont blickt nach unten und nach außen, rückwärts und nach innen, um unsere kollektive Sichtweise nach vorne zu lenken. In ihrer vielschichtigen Überlagerung von Geschichten und Bedeutungen erstellen Astali / Peirce nicht nur einen Index der mangelhaften Maschine, in der wir uns bewegen, sondern formulieren auch einen Kommentar zu unserer Rolle bei deren Aufrechterhaltung.

* Vanitas: „Eine Vanitas ist ein symbolisches Kunstwerk, das die Vergänglichkeit des Lebens, die Sinnlosigkeit des Vergnügens und die Gewissheit des Todes veranschaulicht, wobei häufig Symbole des Reichtums der Vergänglichkeit und des Todes gegenübergestellt werden. Vanitas-Themen waren in der mittelalterlichen Grabmalkunst weit verbreitet.“ (https://en.wikipedia.org/wiki/Vanitas, Direktübersetzung)
Isabel Parkes, 2021