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Eröffnung: Sonntag, 11. Januar 2015
Ausstellung: 12. Januar – 22. Februar 2015

Unter der Ausstellungsreihe anderswo eröffnet Sebastian Brandl am Sonntag, den 11. Januar 2015 seine erste auswärtige Schau in dem Projektraum der Livingstone Gallery in Den Haag. In der Gruppenausstellung At Home with Collector G. wird dem Publikum das imaginäre Wohnzimmer eines Sammlers präsentiert, dessen Fokus auf der gegenständlichen Malerei, Zeichnung und Bildhauerei liegt. Mit Franz Burkhardt, Kerstin Fischer, Ruprecht von Kaufmann, Simone Lucas, Raquel Maulwurf, Manfred Schneider, Jan Stieding sowie Birgit Verwer umfasst die Privatsammlung acht zeitgenössische Künstler aus den Niederlanden und Deutschland.

Mit Eintritt in den Ausstellungsraum im ersten Stock des Altbaus befindet sich der Besucher in einem fiktiven Wohnraum, angedeutet durch farbige Wände sowie gewöhnliches Mobiliar wie Teppich und Sofa. Gepaart wird diese Kulisse in dreidimensionaler Weise mit den Möbelskulpturen von Franz Burkhardt, einem amorphen Objekt Kerstin Fischers sowie einer erzählerischen Arbeit von Birgit Verwer.

Die Wohnzimmeratmosphäre wird ferner durch die Salonhängung der zahlreichen Bilder und Zeichnungen von Maulwurf, Lucas, Schneider und den übrigen Künstlern hervorgerufen. Schließlich folgt der passionierte Sammler G. dem Anspruch, all seine im Laufe der Jahre erworbenen Arbeiten auch ständig vor Augen zu haben, ein Lagerraum kommt für ihn nicht in Frage. Dabei geht es der Phantasiegestalt weniger um eine strategische, geordnete Präsentation seiner Werke, vielmehr blickt der Betrachter auf eine stetig gewachsene Kunstsammlung unterschiedlicher Positionen, die im Laufe der Zeit mit immer weniger Platz auskommen muss und deshalb regellos und zusammengewürfelt erscheint. Der Umstand der Verknappung von Raum und Wandfläche führt schließlich zu einer persönlichen Note bzw. Arrangement bei der Präsentation der Arbeiten. Auf diese Weise wird dem Besucher beim Betreten der Ausstellung ein fließender Übergang von privatem Wohnraum und öffentlichem Ort dargeboten.

Diese öffentliche Privatheit findet insbesondere ihren Ausdruck durch die Möbelskulpturen von Franz Burkhardt, und zwar einen Kaminsims und Tisch, die der Künstler aus verschiedenen Materialien bzw. Fundstücken zusammenbaut und an der Schnittstelle zwischen Gebrauchsgegenständen und zeitgenössischer Kunst verortet sind. Ferner wehen die Zeichnungen in alten, gebrauchten Rahmen dem Betrachter eine Prise Nostalgie entgegen. Das nostalgische Erinnerungsvermögen wird zusätzlich angeregt durch die alltäglichen, häuslichen sowie erotischen Themen und Motive, welche Burkhardt in zeichnerischer Präzisionsarbeit mit Bleistift, Tusche und Gouache in Szene setzt.

In ihren amorphen Objekten und abstrakten Zeichnungen setzt sich Kerstin Fischer hingegen mit den Fragen nach Materialität, Formsprache und Farbenspiel auseinander. In der auslotenden Herangehensweise legt die Künstlerin Wert auf eine möglichst konsequente Reduktion der künstlerischen Sprache auf elementare Aspekte. Ziel ist dabei, eine verbindliche Aussage über die Wirklichkeit zu leisten – oder auch die bestehenden 'Gesetze' zu kippen. In eben diesem ambivalenten, alchimistischen Zwischenreich sind die Arbeiten von Fischer angesiedelt, geht es ihr in ihrem künstlerischen Schaffen doch darum, etwas fühlbar, er-fassbar zu machen, einer Vision vielleicht Gestalt zu verleihen, allerdings immer unter dem Deckmantel der Vermutung und Spekulation.

Ruprecht von Kaufmann folgt stattdessen bei seiner Motivsuche und deren Umsetzung in Zeichnungen sowie Gouachen eher der klassischen intellektuellen Auseinandersetzung, indem er auf die Literatur, Mythologie, Kunstgeschichte und Familienerzählungen zurückgreift. Dabei spielt die Perspektive eine wichtige Rolle, da der Künstler häufig mehrere Blickwinkel gleichzeitig ins Spiel bringt, so dass sich Aufsichten und externe Untersichten in einer Papierarbeit zusammen finden. Der souveräne Umgang mit dramatischen Perspektivwechseln zwischen Interieur und Landschaftsraum mitsamt dort agierenden Figuren führt zu einer Monumentalität, die den Betrachter geradezu in eine fiktive Welt hineinzieht.

Das vorrangige Sujet der Malerin Simone Lucas ist die menschliche Gestalt, die still versonnen oder in selbstverständlicher Handlung begriffen ist, häufig durch seitlich oder frontal einfallendes Licht in Szene gesetzt. Die realistischen Bilder, mit einem expressiven Duktus in überwiegend dunklen, verschwommenen Farbtönen gemalt, erscheinen als Traumsequenzen ohne festen Ort und aus der Zeit geworfen. Raquel Maulwurf hingegen verzichtet in ihren stimmungsgeladenen Kohlezeichnungen auf die Darstellung von Personen, vielmehr thematisiert sie in eindringlicher Weise zum einen das selbstzerstörerische und damit irrationale Handeln der Menschen: Kriegsschauplätze, Atombombenexplosionen und Umweltverschmutzung verarbeitet Maulwurf zu eindringlichen Szenarien des Menschenuntergangs. Aber auch die Kraft und die Schönheit der Natur, ausgedrückt durch die vier Grundelemente des Lebens, Erde, Wasser, Luft, Feuer, sind ein zentrales Thema. Mit ihren schwarz-weißen Serien zu Trümmerfeldern, Flakfeuer und Bombenhagel auf Städte sowie Meereslandschaften, Wolkenbrüchen oder Waldbränden präsentiert Maulwurf ihre Form der Welterkundung.

Auf der Grenzlinie zwischen Darstellung und Abstraktion nähert sich Manfred Schneider seinen Bildern im Modus des Zweifels und bevorzugt für seine malerische Annäherung die heterogene oder hybride Form. Text und Bild, Figur und Grund, Abstraktion und Einfühlung, Ornament und Verbrechen bilden die Pole, zwischen denen die komplexen Arbeiten aufgespannt werden. Der Künstler verhandelt auf den Leinwänden das Verhältnis zu Bildern, die vor und neben, in und außerhalb der Kunst angesiedelt sind und eignet sich diese in einem langwierigen Prozess durch Übermalungen oder rahmende Umkreisungen an. Fotografische bzw. tagespolitische Fundstücke aus Illustrierten oder Zeitungen gehen dabei zusammen mit den malerischen Setzungen zahlreicher Schichten eine montagehafte Verbindung auf dem jeweiligen Bildträger ein.

Im Mittelpunkt der figurativen Bilder und Papierarbeiten von Jan Stieding stehen der Mensch und seine gesellschaftliche Verortung als Individuum, Paar oder Gruppe mitsamt seinen Emotionen, sozialen Beziehungen und Lebenslagen. Ausgestattet mit einem einfühlsamen Blick, behandelt der Künstler ambivalente Themenkomplexe wie Melancholie und Leichtigkeit, Schönheit und Tragik, Einsamkeit und Zusammengehörigkeit, und beschreibt die Gratwanderung zwischen Glücksstreben und dem Scheitern von Utopien und Wunschbildern ihrer Protagonisten.

In bildhauerischer Weise setzt sich Birgit Verwer mit den Themen Religion, Politik, Kapitalismus, Philosophie und Alltagsleben/-problemen der Menschen unter besonderer Berücksichtigung ihrer eigenen Biographie auseinander. Dabei greift sie auf die unterschiedlichsten Fundstücke zurück und hinterfragt mit ihren zusammengebauten Skulpturen aus entsorgten Möbelstücken, Fenstern, Gartengeräten, Lampen usw. Aspekte wie die (katholische) Erziehung, Intelligenz versus Emotion, Konsumverhalten, Lebensentscheidungen und anderes mehr. Die Objekte Verwers zielen auf einen selbstbestimmten, kritischen und kreativen Umgang mit unseren Symbolen, Werten und Vorbildern, verbunden mit der Einladung zum kommunikativen Austausch über uns und unsere Welt ab.