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In der Arbeit Attila Csörgős werden die Schnittstellen zwischen Kunst und Wissenschaft untersucht. Dazu stellt er Experimente an, die er mit selbst erschaffenen und präzise justierten Vorrichtungen umsetzt. Mit dem Schalk im Nacken wirft der Künstler auf humorvolle Weise mit seinen Werken jedoch auch ernsthafte philosophische Fragestellungen auf.

Selbst in den harten Wissenschaften gibt es sicherlich Augenblicke der Verzückung. Wenn ein Wissenschaftler sich im Geiste die Lösung eines Problems ausmalt, wenn er den Beweis einer Theorie erbringt oder eine Hypothese bestätigt findet, dann ähnelt seine Freude derjenigen eines Musikers, den sublime Harmonien verzaubern oder derjenigen eines Künstlers, der unbekannte Formen findet. Oftmals wurden große wissenschaftliche Entdeckungen mit eher primitiven Vorrichtungen gemacht, die es gleichwohl erlaubten, Begriffe von so großer Komplexität und Abstraktion zu entwickeln, wie man es nur von großtechnischen Einrichtungen erwartet hätte. Hier sei nur an den Apparat von Hyppolite Fizeau erinnert, der aus einer einfachen Lichtquelle, einem Zahnrad und einem sich drehenden Spiegel bestand, und mit dem er sich im Jahre 1849 mit großer Präzision an den genauen Wert der Lichtgeschwindigkeit annäherte. Auf ähnliche Weise hat Michael Faraday grundlegende Experimente zu elektromagnetischen Phänomenen realisiert, und zwar mit Apparaten, deren Herstellung auch einem bastelnden Großvater keine Schwierigkeiten bereitet hätten. Das Werk Attila Csörgős entführt uns in eine Welt wissenschaftlicher Forschung, die genauso faszinierend ist, die gleichzeitig aber auch gekennzeichnet ist von dem für die Bildende Kunst so typischen Spaß, ihrem Humor und ihrer Selbstlosigkeit. Oftmals beschäftigt er sich über Monate hinweg mit mathematischen Fragen, mit Problemen aus der Physik oder der projektiven Geometrie und erschafft Werke, die Lösungen zu diesen Problemen darstellen. Manchmal fabriziert er Apparate, mit denen er Fotos herstellt, die uns unsere Wirklichkeit auf nie zuvor gesehene Weise zeigen. Er interessiert sich für optische Täuschungen, bei denen sich Licht und Bewegung in überraschenden und unerwarteten physikalischen Phänomenen verbinden und die so unhinterfragte Gewissheiten des Betrachters erschüttern. Mithilfe der verschiedenen Objekte und mithilfe der Illusionen und der virtuellen Formen, die seine außergewöhnlichen Maschinen hervorbringen, beleuchtet er tieferliegende Wirklichkeiten, die wir in unserer alltäglichen Routine und mit unserem oberflächlichen Blick oft übersehen.

Mathematik und Geometrie, in Verbindung mit gängigen Phänomenen aus der Physik bieten Csörgő einen großen Vorrat an Ideen und Themen. Die wissenschaftliche Methodik liefert ihm die geeigneten Werkzeuge, offen zu bleiben und auf Subjektivität zu verzichten. Seine mechanischen Konstrukte, seine beweglichen Strukturen, die oftmals über die Grenzen des Verstehbaren hinauszugehen scheinen, haben keine ästhetischen Qualitäten. Er versucht nicht, harmonische Mechanik herzustellen, ihr rohes Aussehen und die Sichtbarkeit ihres Mechanismus sind Absicht. Attila Csörgő gelingt es, die komplexen Beziehungen der platonischen Körper zueinander wie in einem Marionettentheater in Szene zu setzen: die Verwandlung eines Würfels, eines Tetraeders und eines Oktaeders in einen Dodekaeder, alle zusammengesetzt aus kleinen Holzstäbchen, die von einem System aus Schnüren und Rollen gehalten werden und von so entwaffnender mechanischer Einfachheit sind, dass sie alle Betrachter, alt wie jung, faszinieren.

Er erfindet fotografische Apparate, die sich gleichzeitig um ihre vertikale wie um ihre horizontale Achse drehen, was es ihm erlaubt, ein Landschaftspanorama endlos auf einen Möbiusstreifen zu projizieren, ohne dabei zwischen Innen und Außen des Streifens unterscheiden zu müssen. Ein anderer Apparat ermöglicht es, von einem zentralen Punkt aus einen Raum in alle Richtungen rundherum festzuhalten, so dass man dann diesen Innenraum auf der Oberfläche eines kugelförmigen Fotos von außen betrachten kann. Empirische Faltungen von großer Komplexität, hypnotische Lichtspiele, die auf nicht nachvollziehbaren mechanischen Bewegungen beruhen und andere Erfindungen, in denen er Fantasie und Neugier auf die unterschiedlichsten physikalischen und mathematischen Phänomene miteinander verbindet - Attila Csörgő ist der geniale Bastler, der, stets grinsend, die Wissenschaft in die Kunst einführt. Oder umgekehrt. Drei Institutionen - Ludwig Múzeum Budapest, Hamburger Kunsthalle und Mudam Luxembourg - haben sich zusammengetan um die erste große Retrospektive dieses einzigartigen Künstlers zu organisieren.

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Attila Csörgő
Attila Csörgo
ARCHIMEDEAN POINT
Kurator: Kati Simon (Ludwig Muzeum Budapest)