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Die Gruppenausstellung „Attraits Clandestins“ vereinigt vier Künstlerinnen und Künstler deren Werk sich aus heimlichen Reizen speist. Verbotene Verführung und erotische Verlockung finden in unterschiedlichen malerischen Sprachen ihre Form. Ob in der Darstellung geheimer Obsession, in deren expliziter Verarbeitung oder im Spiel mit den herrschenden Regeln der Geschlechter: was Piotr Dluzniewski, Hans Falk, Elisabeth Llach, und Alexis Saile verbindet, ist das Moment des Geheimen und Geheimnisvollen. Was in ihren Werken ans Licht tritt, spielt sich sonst im Verborgenen ab. Der verstohlene Blick, den diese Bilder gewähren, ist ein Blick in die verschwiegenen Winkel sinnlicher Phantasie.

Die erotischen Bildphantasien von Piotr Dluzniewski (*1952 Lodz/PL, lebt und arbeitet in Köln) spielen sich ab an geheimen Orten, losgelöst von Raum und Zeit. Seine Bilder sind Skizzen zu einem Bühnenstück für Erwachsene, denn alles ist Theater – frivoles Theater im Kopf, ein erregendes Spiel um Macht und Kontrolle. Prinzessinnen in Lack, Leder und hochhackigen Stiefeln spielen Episoden hinter dem „roten Vorhang“, ihre Requisiten sind Masken und Peitschen. Damen mit Engelsgesichtern und Augen aus tausendundeiner Nacht tragen statt Perlenketten Halsbänder aus kaltem Metall, jedoch mit derselben Selbstverständlichkeit. Neben madonnenhaften Wesen bestimmen zuweilen auch „böse Mütter“ mit strengem Ausdruck den Plot. Eisenbeschlag wie Absatz sind in feiner Ausarbeitung wiedergegeben, die Frauen schauen selbstbewusst, forsch oder auch gleichgültig aus dem Bild. Im unmittelbaren Medium von Aquarell und Zeichnung bringt Dluzniewski aufs Papier, was er als parallele Traumwelt in sich trägt. Denn trotz ihrer malerischen Ausführung und sanften Farbgebung bewegen sich Dluzniewskis Spielarten der Erotik in einem tabuisierten Bereich der Gesellschaft.

Hans Falk (1918 – 2002 Zürich) ist einer der bedeutendsten Zürcher Künstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er hat ein umfangreiches Gesamtwerk hinterlassen, das vor allem aus Druckgrafik, Zeichnungen und Gemälden besteht. In den vierziger und fünfziger Jahren wurde der ausgebildete Grafiker zu einem der wichtigsten Vertreter der Schweizer Plakatgestaltung; besonders hervor trat Falk als Grafiker 1964 mit sieben Plakaten für die Expo in Lausanne.

Zahlreich waren die Lebensstationen, die der nomadisch lebende Künstler durchlief, wobei sich die geografischen Veränderungen oft mit den künstlerischen Umbrüchen deckten. Falk verbrachte viel Zeit in Irland, New York, London und auf der italienischen Insel Stromboli. Von 1973 an lebte Hans Falk dreizehn Jahre lang in New York, wo er sich zwischen 1979 und 1985 der Transvestitenszene annäherte und mit ihren Schauplätzen vertraut wurde. Seine Besuche der Nachtclubs G.G. BARNUM und Grape Vine haben in einer ganzen Serie von Zeichnungen ihren Niederschlag gefunden. Sie zeigen Männer in intimen Posen, sei es in deren Wohnungen oder in einer Umkleidekabine, beim Schminken oder fertig angekleidet bei der Arbeit. Hans Falk ist es auf wunderbare Weise gelungen, Akt und Zustand der Verwandlung zeichnerisch umzusetzen. In leichtem, freiem Strich erscheinen die Figuren in spielerischer und lasziver Haltung, in schwebendem Zustand zwischen den Geschlechtern. Seine Erfahrungen in der Subkultur der Transvestie hat Hans Falk ausser in malerischer Umsetzung auch schriftlich festgehalten. Sie sind 1985 im Bildband “Hans Falk. Transvestism” erschienen.

In den Zeichnungen und Acrylbildern von Elisabeth Llach (*1970, Neuchâtel, CH) spiegelt sich ein doppelbödiges, zum Teil makabres Universum der Perversion. Die Heftigkeit des Pinselstrichs sowie die Farbgebung rufen Filme von David Lynch oder Federico Fellini in Erinnerung. Llach schöpft ihre Inspiration aus Modemagazinen und aus dem weiten Feld der Kunstgeschichte, wobei sie sich in ihren Figuren fast ausschliesslich auf die Darstellung von Frauen konzentriert. Die Verarbeitung der Quellen im Bild vollzieht sie ohne Erbarmen bis an die Grenzen akzeptabler Ästhetik. Die Künstlerin lässt dabei eine zwielichtige Welt auferstehen, fremd und vertraut, dunkel und glamourös, keck und tragisch. "Ne t’inquiète pas “, eine 2006 begonnene Serie kleinformatiger Bilder, dreht sich in subtiler und humorvoller Weise um Szenen, die eine Welt von Theater, Kunst, Zirkus und Tanz evozieren. Es sind scheinbar unschuldige Spielereien, deren Teilnehmer nicht selten irritierende Deformationen aufweisen. Die Bilder der Serie “Öl” (seit 2008), in denen die Künstlerin ihre Figuren vor schwarzem Hintergrund enthüllt, beschwören eine weite Palette von Eindrücken herauf: Begehren, Grausamkeit, Verführung und Abnormität sind allesamt und zuweilen gleichzeitig in den Werken enthalten. Die Serie “Stilleben“ (seit 2008) wiederum behandelt die Thematik der Frau als Objekt. In einheitlichen Farbtönen gemalt scheinen die Frauen unbeweglich, wie festgefroren, als wären sie Teil einer abrupt beendeten Inszenierung. Trotz der immanenten Bedrohlichkeit, die von ihrer Tiefe ausgeht, findet sich in Elisabeth Llachs Werken immer wieder wie dahingestreut eine Spur Humor, die das Verbotene ihrer Bilder zu rechtfertigen scheint.

Aus der Feder von Alexis Saile (*1972 Basel, lebt und arbeitet in Zürich) strömt Sexualität in ungehemmter Direktheit. Sein Schaffen geschieht spontan, ohne Reflexion zuzulassen und ohne Rücksicht auf den guten Geschmack. Unzählige Geschlechtsteile sowie Brüste und Pos werden im Affekt aufs Papier geschleudert, gezeichnet oder gemalt. Zur Obsession mit dieser fragmentierten Erotik führt weder Überfluss an sinnlichen Reizen, noch deren Abwesenheit. Vielmehr ist es die allgemeine Überflutung durch visuelle erotische Eindrücke, auf die Saile reagiert. Nur dank dem Ventil der künstlerischen Produktion schafft er es, mit ihr Umzugehen. Der Künstler leidet unter dem Druck der Gegenpole von Aktiv und Passiv: Einerseits wird er beherrscht vom Bedürfnis, Geist und Gedanken treiben zu lassen, andererseits vom Drang zur Produktion. Die resultierende Zerrissenheit manifestiert sich bei Saile im repetitiven Malen der immer gleichen, sexuellen Motive. Parallelen zu seiner bildnerischen Arbeit werden in seiner Beschäftigung mit dem Wort sichtbar, die ebenfalls in minimalen, aber absoluten Zeichen ihren Ausdruck findet.

LESUNG MIT ROBERT HUNGER-BÜHLER Texte von Hans Falk und Pierre Klossowski Donnerstag 25. März, 18.30 Uhr