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aus/räu/men ‹sw. V.; hat›: 1.a) aus einem Raum herausschaffen, aus einem Behältnis o.ä. herausnehmen: die Möbel [aus dem Zimmer] a.; die Bücher aus dem Regal a.; b) einen Raum, ein Behältnis o.ä. durch Herausnehmen des Inhalts leer machen: die Schränke, die Wohnung a..; c) (ugs.) ausrauben, stehlen: Diebe haben die Kasse ausgeräumt. 2. (Med.) Gewebereste … entfernen: ... 3. (etw., was einer Sache hindernd im Weg steht) beseitigen, aus dem Weg räumen: Bedenken, einen Verdacht a.; Aus/räu/mung, die; -, -en: das Ausräumen. Deutsches Universalwörterbuch. Duden. 1989 dkw.

RAUMERFAHRUNG Natürlich kennt man die Räume nach etlichen Jahren der Museumsarbeit wie aus dem Effeff. Und doch ist es jedes Mal wieder ein Phänomen, etwas Wunderbares: Denn bringt man ein Kunstwerk in den Ausstellungsraum, so reagiert dieser sofort auf Form, Farbe, Ausstrahlung… und umgekehrt. So gesehen gibt es die leeren, weißen, also neutralen Räume gar nicht, sondern immer nur Konstellationen in einer bestimmten Ausstellungssituation.

AUSRÄUMEN In den regelmäßigen Arbeitsabläufen eines Museums erweist sich das Ausräumen als ein ganz normaler Vorgang: Nach dem Ende einer Ausstellung, wenn die Kunstwerke abgehängt werden, wenn die Exponate verschwinden und die Räume, leer geräumt, wieder für die nächste Ausstellung vorbereitet werden müssen.

AUS-RÄUMEN Das Ausstellungsthema meint im Denkansatz jenen Moment des Umschlagens, wenn man eigentlich anfängt, die Dinge durchzuschauen, zu sichten, zu ordnen, zu verpacken oder auszusortieren, also wenn der Umzug vorbereitet wird. In diesem Augenblick innezuhalten, wenn die Dinge beginnen zu verschwinden und die Leere allmählich Einzug hält, dann entspringt Raum - auch für Erinnerung.

IDEEN Natürlich war und ist das „Aus-Räumen“ im übertragenen Sinn aufzufassen und ebenso als eine Anregung für die Besucher gedacht, die ja auch in das Vorhaben mit einbezogen werden. Die eingeladenen Künstler haben sehr unterschiedlich auf die für ein Museum gewiß ungewöhnliche Aufgabenstellung reagiert.

Wörtlich genommen hat Rolf Wicker die Aufforderung, in dem er bewusst nichts mehr einräumen will, vielmehr besteht sein Konzept darin, „amtliche Anweisungen“ im Ausstellungsbereich auszuhängen, auf denen erläutert wird, wie die einzelnen Räume „beräumt“ werden sollen.

Ulrich Diezmann setzt seine Wandbildarbeit symbolisch in den Ausstellungszeitraum ein: Im Wechsel von Auftauchen und Verschwinden thematisiert es nicht nur den großen Bogen der zeitlich befristeten Existenz des Kunstmuseums an diesem Standort in der Sprem, sondern gleichermaßen die Konfliktlandschaft, die sich durch die Braunkohlenindustrie um Cottbus ausweitet.

Auf mehreren fotografischen Ebenen arbeitet Thomas Kläber mit seinem Apparat. Zum einen schaut er hinter die Museumskulissen, in die Büros und findet zum anderen im Haus aufschlussreiche Strukturen, die er zu einer Fotoserie verbindet. Zudem porträtiert der Fotograf die Museumsmitarbeiter im klassischen Habitus von Schwarz-Weiß.

Mit der Verhüllung der Schaufensterzone - wie sie typischerweise bei einer Renovierung angewendet wird - entwickelt Bettina Allamoda eine durchlässige ornamentale Membrane, die Passanten und Besucher von außen und innen gleichermaßen anlockt.

„Es war einmal.“ Mit der bekannten Sentenz operiert Matthias Geitel. Seine Installation setzt sich aus alten Druckplatten zusammen, die nach der Wende entsorgt, vom Künstler wiedergefunden und als Relikte erneut in die Kulturkreisläufe eingefügt werden. Er beschreibt damit einen Wertewechsel, eine Übergangssituation.

Erinnerungen an das alte Textilkaufhaus, das sich hier einmal befand, weckt Elvira Hufschmid mit ihrer Videoinstallation „Mall/Einkaufspassage“ von 2003, die sie für einen Museumsraum eingerichtet hat. Der unendliche Fluß von Rolltreppen, Kaufhausmusik und Konsumenten wird nur durch eine Figur unterbrochen…

Der Maler und Installationskünstler Günther Hornig entfaltet seine schwebenden farbigen Strukturen vor der Wand, ins Oberlicht hinauf. So verwandelt er einen Zwischenraum und thematisiert zugleich das von oben einfließende „Museumslicht“.

Jenny Rosemeyer verwendet für ihr Raumensemble Fundstücke, Fotografien und Collagen, wobei die Dinge ineinander übergehen, sich gegenseitig steigern und ergänzen. So schafft sie einen musealen Spielraum der besonderen Art.

Mit seinem Silvesterraketenobjekt hat sich Jörg Schlinke dem Thema Übergang verschrieben. Indem der Künstler einen Feuerwerkskörper in einen Glaskasten einspannt, schafft er nicht nur eine „museale“ Präsentationsform, sondern überführt den Vorgang des Zündens und Abbrennens ins Bildhafte.

KUNSTEINGRIFFE All diese Ansätze und Werke, die Interventionen im Raum, sollen letztlich bei den Museumsbesuchern und Kunstfreunden ein Bewusstsein dafür wecken, was in Bälde dem Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus bevorsteht. Und sie dienen gleichzeitig als Handreichung für ein Rückschauen, ein Sichten und Betrachten der vergangenen Kunstereignisse.

ABSCHIED Mit dem „Museumsmemo“ läuft rückblikkend eine Art Erinnerungsfilm ab, was diese Räume schon alles gesehen haben, was sich hier ereignet hat - ein ganzes Spektrum an Erfahrungswerten, das sich eingeschrieben hat. Und genau aus dieser Situation heraus werden bei der letzten, ungewöhnlichen Ausstellung auch die Wände selbst, die Raumsituation ein wenig zum Sprechen gebracht. Gemeinsam mit der Museumspädagogik wurde diese Idee des „Museumsmemos“ entwickelt, das die Besucher aktiv einbezieht.

ZITAT Nur mit Hilfe des Raumes, nur innerhalb des Raumes finden wir die schönen Fossilien der Dauer, konkretisiert durch lange Anwesenheit. Gaston Bachelard: Poetik des Raumes. Fischer, Frankfurt/M. 1995, S. 35

ABGESANG „Aus-Räumen“ als Impulsgeber für die Beschäftigung mit dem Kunstort, der damit zum Erinnerungsort mutiert. Vielleicht schaffen es die unterschiedlichen Kunstgriffe und Werke, ein Ablöseritual anzudeuten oder gar zu ermöglichen, so wie man Brot und Salz reicht zum Neueinzug.

Jörg Sperling

Ein Museum zieht um. Neue Räume werden bezogen. Ein Industriegebäude der Energieerzeugung aus den zwanziger Jahren wird museal hergerichtet. Es bildet von Frühjahr 2008 an die neue Heimstätte des Museums.

Die Institution verlässt ihre angestammten Räume in der Cottbuser Innenstadt. 1977 war das Museum hier gegründet worden, 1979 erweiterte es sich inhaltlich um die Abteilungen Fotografie und Plakat, immer wieder wurden kleine Raumeinheiten hinzugewonnen, aber den Charme eines alten Textilkaufhauses - diese Funktion hatten die Räume in den Jahren vor und nach dem Krieg erfüllt - verlor es nie.

Ein Museum zieht um. Die nicht idealen Räume werden verlassen, nun kommt doch ein wenig Wehmut auf. Viele Dinge waren ungeliebt - das verschnörkelte Treppengeländer, der unebene Boden, der Teppichbelag, andere Besonderheiten waren ausgesprochen förderlich – dass man bei Veranstaltungen wegen der "Nichtgegebenheit" eines Veranstaltungsraumes inmitten von Kunst saß; der nach oben offene Lichthof, durch den sich der Klang der Instrumente so wunderbar entfalten konnte...

Wir wissen sehr wohl, dass Räume einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die Präsentation von Kunst mit sich bringen. Das werden wir erneut erkennen, wenn die Werke unserer Sammlung im neuen Haus installiert werden. Dass aber auch Räume selbst ihr Gesicht verändern, je nach ihrer Nutzung, dass man sie noch einmal purer wahrnehmen sollte, das war die Idee der Ausstellung "Aus- Räumen". Diese von uns so oft bespielten Raumeinheiten werden hiermit in ihrer jetzigen Struktur letztmalig als Ausstellungsorte wahrzunehmen sein. Sie werden bestückt mit ausgesuchten Objekten und Installationen, die die Geschichte des Museums, seinen Ort, seine Gestalt thematisieren. Sie werden, obschon teilweise bespielt, mehr als sonst den Blick auf die Räume freistellen.

Dass Jörg Sperling diese Idee so initiativ aufgegriffen und ausformuliert hat, dass mit der Wahl der Künstler eine so vielschichtige Sicht auf Grundzüge und Facetten unser 30-jährigen Arbeit an diesem Standort und eben die spezifischen Raumlösungen entstanden ist, dafür bin ich ausgesprochen dankbar. Das Museum nimmt mit diesem Projekt, denke ich, einen würdigen Abschied von diesem Ort. Ich freue mich, dass die Künstler diesen Ansatz so dialogreich beantwortet haben und spreche Ihnen dafür meinen herzlichsten Dank aus - Bettina Allamoda, Ulrich Diezmann, Matthias Geitel, Günther Hornig, Elvira Hufschmid, Thomas Kläber Jenny Rosemeyer, Jörg Schlinke und Rolf Wicker.

Perdita von Kraft

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AUS-RÄUMEN. 10 POSITIONEN
DIE LETZTE AUSSTELLUNG AM ALTEN STANDORT IN DER SPREM

mit Bettina Allamoda, Ulrich Diezmann, Matthias Geitel, Günther Hornig, Elvira Hufschmid, Thomas Kläber, Jenny Rosemeyer, Jörg Schlinke, Rolf Wicker