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Ayşe Erkmens Werk zeichnet sich durch formale Klarheit und konzeptuelle Vielschichtigkeit aus. Ihren oft minimalistisch anmutenden Arbeiten liegt die genaue Beobachtung gesellschaftlicher Realitäten zugrunde. Wir freuen uns mit Unlikely die erste Einzelausstellung der Künstlerin in der Barbara Gross Galerie zu zeigen. Für die Ausstellung sind neue Werke entstanden, in die unterschiedliche Diskurse über die Wirkung und Bedeutung von Farbe und Material einfließen.

Die Skulpturengruppe 4for8see, 2016 aus gerollten Metallresten spielt mit der Psychologie der Farben wie sie im Grafik- und Produktdesign eingesetzt wird. Die reduzierten, elegant wirkenden Objekte sind in einem grünlich-braunen Ton lackiert, der an Natur, vielleicht an landschaftliche Hintergründe der klassischen europäischen Malerei erinnert. Tatsächlich handelt es sich um den Pantone-Ton 448C Opaque Couché, der angeblich ‘hässlichsten Farbe der Welt‘, wie ein Marktforschungsinstitut herausgefunden hat. Auf Zigarettenpackungen gedruckt soll sie deren Konsum vermindern. Die Künstlerin setzt Farbe hier quasi als Readymade ein, indem sie den Blick auf ihre versteckten Inhalte lenkt. Die Metallplatten der Objekte stammen aus dem Abfall von Kunstwerken, die in einer Berliner Metallwerkstatt gefertigt wurden. In Erkmens Skulpturen verbinden sich das ausgemusterte Material und die negativ konnotierte Farbe zu etwas Eigenem, das Raum für völlig neue Assoziationen eröffnet.

Die Arbeit all available, 2016 besteht aus einer Vielzahl monochromer Farbtafeln, die dicht an dicht im Oberlichtraum der Galerie hängen. Würde man die Bilder jenseits des Kontexts von Ayşe Erkmens Werk sehen, könnte man sie für Farbfeldmalerei halten, die frei von jeglichen gesellschaftlichen Bezügen rein auf die emotionale Wirkung von Farbe und Material setzt. Für die Künstlerin sind jedoch nicht die jeweiligen ästhetischen Eigenschaften einer Farbe entscheidend – im Gegenteil: Erkmen versucht schlicht alle von verschiedenen Herstellern verfügbaren Töne zu verwenden. Allen Farben kommt dabei die gleiche Bedeutung zu. Der Titel all available verweist auf die leichte Verfügbarkeit und Allgegenwart von Farben. Er kann jedoch auch als spielerische Attacke auf den Warencharakter von Kunst, insbesondere der Malerei, gelesen werden.

Ayşe Erkmens Werk entzieht sich in gewisser Weise dem Kunstmarkt: Ihre Arbeiten verbindet keine typische signaturhafte Ästhetik mit Wiedererkennunsgwert. Die jeweilige Form ergibt sich aus den Inhalten und der ortsbezogenen Situation heraus. Sie selbst tritt als Künstlerin hinter ihrem Werk zurück. Mit Turuncu/orange, 2006, einem Selbstportrait aus orangefarbenen, nach Art der Fischer Istanbuls zu einem Netz geknüpften Kleideretiketten, in die der Name der Künstlerin wie ein Markenname eingewoben ist, kommentiert sie ihre Haltung auf humorvolle Weise.

Ayşe Erkmen, geboren in Istanbul/Türkei, lebt in Istanbul und Berlin. 2011 vertrat sie die Türkei auf der 54. Biennale Venedig. 2017 stellt sie zusammen mit Mona Hatoum im Museum der Bildenden Künste Leipzig aus und ist zu Skulptur Projekte Münster eingeladen. Einzelausstellungen (Auswahl): S.M.A.K., Gent, 2015; The Barbican, London, 2013; Bregenzer Kunstverein, 2011; Witte de With, Rotterdam, 2010; Kunstverein Freiburg, 2009; Hamburger Bahnhof, Berlin, 2008; K 21, Düsseldorf, 2008; Museum Abteiberg, Mönchengladbach, 2004; Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main, 2004; Palais des Beaux-Arts, Brüssel, 2004; Wiener Secession, 2002