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Monster der Moderne

Seit einigen Jahren wird im "Betriebssystem Kunst" [Thomas Wulffen] gelegentlich die Produktion einer Ausstellung mit der Produktion eines Filmes verglichen, ohne dies allerdings näher zu spezifizieren. Wahrscheinlich sind es vor allem Vorstellungen einer kollektiven Produktionsweise, die dennoch von einem Kurator respektive Regisseur geleitet wird, die kollektive Anstrengung, von der letztendlich nur ein einzelner profitiert, in dessen Namen signiert wird, die aufwendige Logistik und die organisatorische Struktur, die dazu verleiten, die Produktion einer Ausstellung wie eines Films zu parallelisieren. Die folgende Ausstellung nimmt nun die Metapher beim Wort, um zu überprüfen, ob die Metapher funktioniert. Eine sinnvolle Metapher ist nur dann möglich, wenn zwischen der Menge von Eigenschaften eines Gegenstandsbereichs A, zum Beispiel "Berg", und der Menge von Eigenschaften eines Gegenstandsbereichs B, zum Beispiel "Kopf", Überschneidungen existieren. Im Falle von "Berg" und "Kopf" gibt es solche, daher kann man vom "Nacken des Berges" und der "Steilfront der Stirn" sprechen. Wir gehen also davon aus, dass zwischen Filmproduktion und Ausstellungsproduktion Überschneidungen existieren, und zwar schon immer existierten, aber erst ab einem bestimmten historischen Moment auffallen und dadurch signifikant werden. Dieser historische Moment, in dem eine Metapher sich gleichsam von selbst anbietet, weil die historische Situation sie förmlich erzwingt, ist genau jene Diagnose der Postmoderne, die bestimmte Dogmen, Übereinkünfte und Kriterien der Moderne kritisch überprüft. Der vielfach von Barthes bis Foucault postulierte bzw. konstatierte Tod des Autors ist eine Reaktion auf jene Produktionsweisen der Kunst, wie beispielsweise in Andy Warhols Factory, wo Assistenten des Künstlers Siebdrucke nach Fotografien herstellen, deren Urheber anonym bleiben. Wenn also die anonymen Massenmedien zu Lieferanten jener Bilder werden, die vom Künstler appropriiert in der Sphäre der Hochkultur als Serie zirkulieren und dort als individuelle und originelle Arbeiten eines Individuums anerkannt werden. Diese Produktionsweisen entsprechen nicht mehr dem klassischen Bild des Künstlers, der mit eigener Hand und alleine, in monatelanger Arbeit ein Werk herstellt, das nur ein einziges Mal in Raum und Zeit existiert. Diese Antinomien des bürgerlichen Kunstbetriebs, einerseits avancierte industrielle Produktionsweisen herbeizubeschwören und andererseits auf historisch obsoleten individuellen Produktionsformen zu beharren, führen zu dem bekannten Ergebnis, dass eine Vielzahl von Werken der modernen Kunst weder vom sogenannten Autor produziert noch konzeptualisiert, in manchen Fällen sogar vom Autor nicht einmal je gesehen wurde, sondern lediglich mit seiner Billigung unter seinem Namen in den Handel gelangte. Eine hübsche, vergleichbare Aporie sehen Sie bei jedem Film, wenn vor oder am Ende eines minutenlangen Abspanns immer zu lesen ist: "ein Film von...". Man mag sich vielleicht die Welt imaginieren, als sei sie ein Film von einem einzigen Autor (beispielsweise des Autors Gott, der die Welt alleine in sechs Drehtagen erschaffen hat), aber die Filme Hollywoods sind erkennbar Produkte einer kollektiven Industrie und eben nicht von einem einzigen Menschen geschaffen. Man kann also erkennen, dass die bürgerliche Idee der Autorenschaft einen mystischen Grund hat und sich von der Idee Gottes ableitet. Diese Ableitung ist nicht einmal eine Empörung wert. Die folgende Ausstellung hat also als Ziel, in obskure Ideen der Autorenschaft das Licht der Transparenz zu bringen und Mythen bzw. Monster der Moderne zu kalibrieren. Zu den Monstern der Moderne gehören aber nicht nur Begriffe wie Autor, Produktion und Kreativität, sondern sogar die Begriffe des Bildes wie der Kunst selbst. All diese Begriffe werden daher mit den Mitteln einer Billigproduktion, denn nichts anderes erlaubt das im Kunstkontext mögliche Budget, die in der Filmbranche einem Independent Low Budget Movie, einem B-Movie entspricht, vom Kopf auf die Füße gestellt. Was Sie also sehen bzw. sehen werden bzw. gesehen haben bzw. gar nicht sehen, sind Versuche der Entmystifizierung des Kunstbildes der Moderne. Die von der Moderne propagierten Illusionen werden enttäuscht, die illokutionäre Macht der Kunstakte soll analytisch zu Fall gebracht und demokratisch entspannt werden. Wenn wir Sie desillusionieren, haben wir unser Ziel erreicht. Wenn Sie die Frage stellen, ob sie Kunst oder Nicht-Kunst, gute Kunst oder schlechte Kunst sehen, haben wir ebenfalls unser Ziel erreicht. Ich darf Ihnen also versprechen, diese Ausstellung dürfen Sie mit Recht als enttäuschend bezeichnen. Pressetext

Peter Weibel

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B-PICTURES - ein Film über Peter Weibel von Markus Huemer
nach einem Treatment von Peter Weibel
Drehbuch und Regie: Markus Huemer
Produktion: Wilhelm Meusburger