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10. Juli - 22. Aug’ 21

Balade
Ein Ausstellungsparcours durch Berlin-Charlottenburg

»Balade« (franz. Spaziergang) ist ein Ausstellungsparcours, der von den Kuratorinnen Liberty Adrien und Carina Bukuts als Spaziergang durch die Nachbarschaft Charlottenburgs konzipiert ist. Inspiriert von den Praktiken der Promenadologie nach Lucius Burckhardt, strebt die Ausstellung an, die Bedingungen der Wahrnehmung einer Nachbarschaft bewusst zu machen und die Gestaltung des Raums und seine Geschichte zu reflektieren. Dies meint nicht nur den Stadtraum in seiner Gesamtheit als öffentliche Fläche, sondern auch die vielen unterschiedlichen Akteure, die eine Nachbarschaft definieren wie z.B. dort ansässige kulturelle Institutionen, öffentliche Einrichtungen und Geschäfte.

Verkehrskanzel

Christine Sun Kim. »Daddy Long Arms« –
Christine Sun Kims Zeichnungen auf den Fenstern der Verkehrskanzel an der Kreuzung Joachimsthaler Platz/Kurfürstendamm sind eine visuelle Übertragung des Rhythmus der Ampeln, die wie ein Metronom die Überquerung der Passant:innen dirigieren. Sichtbar von der Rushhour bis in die Nacht, übersetzt ihre Partitur aus Farben und musikalischen Notationen die Ampellichter und Bewegungen in eine Symphonie, die über Zeitmessung im öffentlichen Raum reflektiert. Inspiriert von der Stadt Berlin und ihrer besonderen Beziehung zu Sound, sind Kims Arbeiten scharfsinnige und zugleich humorvolle Kommentare über die Musikalität unseres Alltags und unser Verhalten gegenüber vertrauten Mustern und Melodien.

Delphi Filmpalast

Jimmy Robert. »Cruising« –
10. Juli–22. August 2021 ADRESSE Kunstwerk Cruising

Jimmy Robert beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit der Repräsentation und Lesart von Körpern. Im Delphi Filmpalast zeigt der Künstler eine neu überarbeitete Version seines Films »Cruising« (2019). In dem Video führt Robert zusammen mit fünf queeren Performer:innen verschiedene Choreografien im Stadtraum von Bukarest auf. Sie bewegen sich entlang der Straße zum monumentalen Parlamentspalast, dem größten Verwaltungsgebäude der Welt, bis hin zur orthodoxen Kathedrale der Erlösung des rumänischen Volkes. In einem konservativen Land wie Rumänien, in dem der queere Körper im öffentlichen Raum nahezu unsichtbar ist, stellt »Cruising« ein Akt des Widerstands dar, welcher die Macht von Politik und Religion untergräbt.

Savoy Hotel

Studio Pandan. »UN_DOING« –
Im öffentlichen Raum sind Grafiken allgegenwärtig. Die Straßen unserer Nachbarschaft sind gefüllt mit Reklametafeln, Straßenund Ladenschildern – Hinweise, die Informationen, Richtungen und Warnungen kommunizieren. In Bezugnahme auf den Ort, sowie ausgehend von der Idee, dass Flaggen Zugehörigkeiten abbilden oder zu Statements werden, haben Pia Christmann und Ann Richter von Studio Pandan eine grafische Arbeit speziell für die Fahnenmasten vor dem Savoy Hotel entworfen. Ihre fortlaufende Serie »UN_DOING« zielt darauf ab, soziale Konstrukte und Abgrenzungen zu hinterfragen, reale oder imaginäre Mauern, die zwischen Kulturen, Geschlechtern und sozialen Klassen errichtet wurden und die die unterschiedlichen Gruppen, die unsere Nachbarschaften definieren, auseinanderhalten.

Institut Français

Ulrike Ottinger. »Paris Calligrammes« –
Ulrike Ottinger spannt in ihrer Präsentation im Institut Français einen Bogen von ihrer Zeit als Künstlerin im Paris der 1960er Jahre zu ihrer Schaffensphase als Filmemacherin in West-Berlin in den 1980ern. Beide Städte galten in den jeweiligen Dekaden als Anziehungspunkt für Kunstschaffende und Intellektuelle aus der ganzen Welt und waren zugleich geprägt von komplexen politischen Umbrüchen: Während Paris Schauplatz für die Studierendenproteste und den Prozess der Dekolonisierung war, war Berlin immer noch dabei, seine Identität zwischen Besatzungszonen zu finden. Im Institut Français verdichten sich Ottingers Textilarbeiten, Kostüme und Filme zu einer Topografie über beide Städte, die zur Flaniere durch die Geschichte und Gegenwart anregt.

Litfaßsäulen

Slavs and Tatars. »Pickle Tits« –
Das Kollektiv Slavs and Tatars präsentiert visuelle Kompositionen auf zwei Litfaßsäulen in der Nachbarschaft. Als Fortsetzung ihres Arbeitszyklus »Pickle Politics« hinterfragen die Plakate die gesellschaftspolitischen Erwartungen an Mütter in unserer Gesellschaft und die Beziehung zwischen Machthaber:innen und Bürger:innen. Gurken – die oft als skurrile Entsprechung des männlichen Genitales herhalten müssen – tragen hier Brustwarzen, aus denen Muttermilch fließt, die folgendes Gedicht bildet: »The Soured Rule, No Mother’s Best, Curd Milk Oozing, From its Breast«. Die Übersetzung in fünf Sprachen — Deutsch, Hebräisch, Polnisch, Russisch und Türkisch — greift die Multikulturalität Charlottenburgs auf und hebt gleichzeitig die Gemeinsamkeiten mütterlicher Sehnsüchte in unterschiedlichen Dogmen hervor.

Rathaus Charlottenburg

Bettina Pousttchi. »Fluidity Flag I« –
Das Werk von Bettina Pousttchi ist geprägt von ihrem Interesse an den Strukturen und Politiken des öffentlichen Raums. Ihre großformatigen, fotografischen Interventionen bedecken oft ganze Häuserfassaden und nehmen stets Bezug auf den urbanen oder historischen Kontext des jeweiligen Ortes. Für ihre Präsentation am Rathaus Charlottenburg setzt sich Pousttchi mit der Architektur des historischen Gebäudes auseinander und entwirft eine Fahne, die während der Ausstellung permanent zu sehen ist. Mit »Fluidity Flag I« (2021) dekonstruiert die Künstlerin den zugeschriebenen Repräsentationszweck von Flaggen und regt die Betrachter:innen an, über Fragen der Zugehörigkeit zu reflektieren sowie über den Einfluss von Architektur im Stadtbild.

Villa Oppenheim

Jumana Manna
»Sketch and Bread« –
Für ihre Ausstellung im Museum Charlottenburg-Wilmersdorf in der Villa Oppenheim realisiert Jumana Manna zwei skulpturale Serien. Eine Gruppe von Keramiken aus vermeintlich übrig gebliebenen Brotstücken greift die Tradition auf, überschüssiges Brot als potentielles Geschenk an einen Fremden im Freien liegen zu lassen. Die Skulpturen verhandeln, wie ein nährendes Objekt der Begierde zu einem unerwünschten Überbleibsel wird, das zugleich auf die Sünde der Verschwendung anspielt. Auf Betonblöcken angebrachte Fotografien von Betonverschüttungen in der Natur werden bei Manna zu Objekten ihrer eigenen Repräsentation und verweisen auf materielle und infrastrukturelle Abfälle.

Abguss-Sammlung

Haris Epaminonda.
»Chimera« –
Haris Epaminondas Film »Chimera« (2019), der in der Abguss-Sammlung Antiker Plastik gezeigt wird, ist ein experimenteller audiovisueller Reisebericht. Ausgangspunkt für das Werk ist Super 8 Videomaterial, das 2014 in und um die kalifornische Wüste gedreht und während der Entwicklung größtenteils beschädigt wurde. Unter Verwendung des geretteten Filmmaterials, zusammen mit Aufnahmen, die auf verschiedenen Reisen entstanden sind, oszilliert Epaminondas Arbeit zwischen Realität und Fantasie, Natur und Kultur, Licht und Dunkelheit. In der griechischen Mythologie ist Chimera ein weibliches, feuerspeiendes Hybridwesen, mit dem Kopf eines Löwen, dem Körper einer Ziege und einer Schlange als Schwanz. Der elektronische Ambient-Score des Films wurde von der Sound- und Performance-Künstlerin Kelly Jayne Jones komponiert.

Schloss Charlottenburg

Willem de Rooij. »Bouquet XVI« –
Über unterschiedliche Kulturen und Epochen hinweg sind Blumensträuße mit Bedeutungen aufgeladen, die je nach Kontext variieren. Seit 2002 kollaboriert der Künstler Willem de Rooij mit Florist:innen an »Bouquets«, einer Serie von Skulpturen, die Blumen als Träger von komplexen, sozialen Zeichen identifiziert. Für seine Ausstellung in der Kleinen Orangerie des Schloss Charlottenburg wird De Rooijs Arbeit »Bouquet XVI« (2015) zum ersten Mal in Europa präsentiert. Bestehend aus getrockneten Palmenblättern, die bei Schnittarbeiten in Botanischen Gärten sonst auf dem Kompost gelandet wären, stellt die Skulptur einen Kontrast zur repräsentativen Opulenz des preußischen Schlosses und Gartens her.