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Bea Schlingelhoff
No River to Cross
11. September – 21. November 2021
Eröffnung: Freitag, 10. September, 12–22 Uhr

In ihrer mehr als zwanzig Jahre umfassenden künstlerischen Praxis widmet sich Bea Schlingelhoff dem Erinnern vergessener weiblicher Biografien sowie der Auflösung von patriarchalen Gefügen, und zeichnet darüber hinaus die Kontinuitäten faschistischer Strukturen nach. Ein zentraler Aspekt ihrer Praxis ist die intuitive Auseinandersetzung mit der Geschichte ihrer jeweiligen Ausstellungsorte, wodurch sie deren sozio-politische (Macht-)Strukturen nachvollziehbar macht. Ihre Arbeiten sind Befragungen der Ideologie und Historie eines Ortes und dabei durchdrungen vom Bewusstsein über die eigene Abhängigkeit von den Bedingungen des jeweiligen Arbeitskontextes. Die Offenlegung dieser Verfasstheiten unternimmt die Künstlerin, deren Werk auch Zeichnung, Skulptur und Typografie umfasst, mittels ortsspezifischer Interventionen: Ergänzungen, Änderungen oder Subtraktionen auf architektonischer wie struktureller Ebene. Durch diese Umschichtungen macht sie tradierte Vorstellungen von räumlichen und juristischen (An-/Ver-)Ordnungen sichtbar. Formal nimmt ihre Arbeit hierbei eine Position zwischen klassischem Werkbegriff und Display ein.

Für ihre Einzelausstellung No River to Cross im Kunstverein München befasst sich Schlingelhoff mit der Vereinsstruktur sowie der NS-Geschichte des Kunstvereins und der seiner heutigen Lokalität. Ausgangspunkt dafür ist einerseits die Komplizenschaft des Kunstvereins mit dem NS-Regime und dessen gewalttätigen Agenda der Gleichschaltung und völkisch-nationalistischen Neuausrichtung deutscher Kulturpolitik ab 1933 sowie der für ihr Verhältnis zur Kunst der Moderne emblematischen Femeausstellung “Entartete Kunst”, die 1937 in den erweiterten Räumlichkeiten des heutigen Kunstvereins stattfand (bevor dieser 1953 dort einzog). Zum anderen formalisieren sich die für Schlingelhoffs Praxis charakteristischen langfristigen Eingriffe in (institutionelle) Strukturen in München durch den Vorschlag zur Änderung der Vereinssatzung. Dieser umfasst eine Entschuldigung des Kunstverein München für seine Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten sowie die Anerkennung der Mitverantwortung an den von ihnen begangenen Unrechtstaten und außerdem ein dauerhaftes Bekenntnis zu den Grundsätzen der Nicht-Diskriminierung und Gleichberechtigung. Der Vorschlag wurde den knapp 1.300 Mitgliedern des Kunstvereins zur Abstimmung vorgelegt. Schlingelhoff setzt sich hierbei nicht zuletzt mit der Frage nach der Handlungsmacht von Künstler*innen gegenüber institutionellen Gefügen auseinander.