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Das Konzept

Lange Zeit war das Schöne kein Thema in der modernen Kunst. Aus der Kunst exiliert, gaben ihr Mode, Werbung und Massenmedien eine Heimat. Seit einigen Jahren zeichnet sich jedoch ihre Rückkehr in die Kunst der Gegenwart ab.

Die Ausstellung "Beauty now" umfaßt den Zeitraum von den frühen sechziger Jahren bis heute. Sie zeigt 86 Gemälde, Fotografien, Skulpturen und Installationen von 36 Künstlern sowie in einem Kinoraum Videos und Filme von 30 weiteren Künstlern zum Thema. Sie gibt einen Überblick über die Strömungen der vergangenen vierzig Jahre, ausgehend von der Frage, welche Rolle die Schönheit in der zeitgenössischen Kunst spielt. Ausstellung und Katalog verzichten bewußt auf eine abschließende Definition von Schönheit. Sie wollen als Anregung dienen, das Gespräch über das Schöne in der Kunst wieder aufzunehmen.

Der antike Glaube, daß es für die Schönheit objektive Regeln gibt, hat sich als Grundlage der westlichen Kunst und Kultur bis in die Renaissance und darüber hinaus erhalten. In Frage gestellt wurde dieser Ansak immer wieder, jedoch spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das zeitlose Ideal der klassischen Schönheit, das vor allem in der Ebenmäßigkeit, Symmetrie und in wohlproportionierten Verhältnissen zur Erscheinung kommt, zum Gegenstand radikaler Kritik.

Wortführer dieser Umwertung des Schönen in der Kunst der Moderne war nach ersten Anfängen in der deutschen Romantik (Friedrich Schlegel) und bei Rosenkranz (Ästhetik des Häßlichen, 1853) zunächst der Dichter und Essayist Charles Baudelaire. Seine Gewährsmänner in der Kunst waren Eugene Delacroix und Edouard Manet. Nach ihnen setzte die Kunst, begleitet von einem gegenläufigen Ästhetizismus und seinem Kult der Schönheit, zu einem Angriff auf das klassische Schönheitsideal an. Noch der späte Pablo Pisasso oder auf andere Weise die Pop Art revoltierten gegen die traditionelle Gleichsetzung der Kunst mit Schönheit: Sie verließen dabei jedoch nicht den Bereich des Kunstschönen, sondern erweiterten nur unsere Vorstellung von Schönheit innerhalb und außerhalb der Kunst. In den neunziger Jahren begannen Künstler und Kritiker erneut nach dem Sinn der Schönheit zu fragen und auch die Kunst der vorangegangenen Jahrzehnte unter dem Aspekt der Schönheit neu zu sehen.

Gibt es für die Schönheit anerkannte Normen, oder existiert sie nur im Geist des Betrachters? Ist die Schönheit ewig oder eine zeitlich und sozial bedingte Erfahrung, die dem Wandel der Mode und des Geschmacks unterworfen ist? Diese und andere Fragen zu stellen, soll Aufgabe der Ausstellung sein. Die einerseits von der Sache her notwendige, andererseits bewußt subjektive Auswahl von Werken wurde getroffen, um die Diskussion darüber anzuregen, ob wir für das nächste Jahrtausend eines neuen Begriffs der Schönheit bedürfen, da sich ihr Stellenwert in unserem Bewußtsein in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend gewandelt hat.

Auf das vergangene halbe Jahrhundert zurückblickend, haben wir einen thematischen - statt einen chronologischen - Ansatz gewählt. Die Ausstellung ist in zwei Themenbereiche unterteilt. Im ersten Teil geht es um die Auseinandersekung mit dem klassischen Schönheitsideal in Verbindung mit dem menschlichen Körper. Thema des zweiten Teils ist die der traditionellen Vorstellung von Schönheit zunächst entgegengesetzte Erfahrung des Erhabenen, wie sie seit der Mitte des 18. Jahrhunderts vor allem angesichts einer übermächtigen, grenzen- und formlosen Natur erlebt wird. In der Landschaftsmalerei, aber auch noch in der von ihr ausgehenden abstrakte Kunst gewinnt das Erhabene als eine ästhetische Erfahrung Gestalt und wird damit in einen erweiterten Schönheitsbegriff integriert.

Ein Gang durch die Ausstellung

Pipilotti Rists Videoarbeit "Ever is over all" führt mit tänzerischem Gang, elektronischer Musik und hypnotisierendem Summen in den ersten Teil der Ausstellung ein. Auf beispielhaft spielerischeWeise illustriert sie das weibliche Schönheitsideal, das in den neunziger Jahren mit der Vorstellung von Weiblichkeit, Stärke und Natürlichkeit verbunden ist. Giulio Paolini und Jannis Kounellis setzen sich mit dem Ballast der antiken Tradition auseinander, sie balancieren mit ihren Werken zwischen der Würdigung und der Negierung dieser Werte. Beverly Semmes kreiert mit ihrem roten Kleid eine psychologische Landschaft des Begehrens. Diese verweist auf die Unerreichbarkeit des von den Medien propagierten Schönheitsideals.

Die Ausstellungsarchitektur des zentralen Raumes beruft sich in Licht und Farbigkeit auf die kühle und glatte Inneneinrichtung von Designerläden. Charles Ray, Cindy Sherman, Rosemarie Trockel oder Andy Warhol nehmen in ihren Arbeiten auf Mode, Werbung oder die Massenmedien und deren strategische Mechanismen adrmativ oder ironisch Bezug. Andy Warhols immer gleiche Elvis Presley-Fotos weisen auf das Stereotyp eines klischeehaften Looks hin, aus ihm bezieht der Star seine Identität - eine rein äußerliche, nach dem Kriterium der Wiedererkennbarkeit von Markenzeichen konstruierte Identität. Fotografien wie die des japanischen Künstlers Yasumasa Morimura inszenieren Symbole und Ikonen der westlichen Ästhetik, um durch ihre Perversion, wie im Falle von Edouard Manets "Olympia," auf kulturelle Differenzen im Schönheitsideal aufmerksam zu machen.

Im Zentrum der Ausstellung steht der Pavillon mit vierzehn Büsten aus Schokolade bzw. Seife von Janine Antoni, die ihre eigenen Züge tragen. Der Titel "Lick and Lather" bezieht sich auf das Ablecken der braunen und das Einseifen der weißen Büsten, wodurch ihre klassizistisch idealisierte Schönheit aufgelöst und zugleich das Stereotyp individualisiert wird. In dem Werk Matthew Barneys klingen der Glanz und Kitsch der Hollywoodfilme, biologische Umwandlungsprozesse sowie das Orgiastische der griechischen Mythologie an. Seine Fotografien verbinden klassische Vorstellungen von körperlicher Vollkommenheit mit phantasievollen Bildern von den inneren Abläufen des Körpers.

In einem weiteren Raum werden traditionelie Vorstellungen des harmonischen Menschenbildes um das Groteske erweitert. Pablo Picassos Zerstückelung der menschlichen Gestalt, die zugleich eine Demontage der griechischen Vision von Schönheit ist, entsprang seiner Auffassung, daß Schönheit und Häßlichkeit unauflösbar miteinander verknüpft sind. Ebenfalls auf der Suche nach einem alternativen Schönheitsbegriff verführt Lucian Freud den Betrachter durch den Reiz des Grotesken und durch die malerisch virtuose Behandlung des Fleisches in seinen üppigen, monumentalen Akten. Louise Bourgeois schließlich zeigt in ihren archaischen Skulpturen die Macht der Erinnerung und unverfälschter Emotionen. Sie greift dabei auf die geheimsten, unnennbaren Sehnsüchte des Tieres Mensch zurück.

Im zweiten Teil der Ausstellung, den Vija Celmins einleitet, wird ohne Bezug auf die menschliche Figur die Empfindung der Schönheit angesichts farbiger Flächen und atmosphärischer Farbräume hervorgerufen. Das erhabene Potential der natürlichen Landschaft sowie die künstlerische Erforschung sinnlicher Reize, die von abstrakten Kunstwerken zum alleinigen Inhalt erhoben werden, stehen hier im Mittelpunkt. Die Werke von Agnes Martin, Yves Klein und Anish Kapoor vergegenwärtigen innere Vorstellungen von Reinheit, erfüllter Leere und vollendeter Form, um der begriffflich so schwer erfaßbaren Erfahrung der Schönheit eine anschauliche Form zu verleihen. Auch Gerhard Richter hat künstlerische Wege gefunden, sowohl die Landschaft als auch die Abstraktion auf eine Weise zu behandeln, die die Tradition des Kunstschönen zugleich aufgreift und widerlegt.

Der Plakatstapel von Felix Gonzalez-Torres präsentiert mit seinen elegischen Himmelsbildern ebenso wie die ätherische Lichterkette poetische Momente von außerordentlicher Schönheit, die gleichwohl als höchst vergänglich erscheint. Ähnlich fasziniert von der Flüchtigkeit der Schönheit ist Jim Hodges, der mit unscheinbaren Materialien wie Stoffblumen eine Installation schafft, die an der Grenze zum Kitsch diesen selbst als den illegitimen Bruder der Schönheit zum Thema macht. Die immaterielle Farbigkeit des lichtvollen Meditationsraums von James Turrell veranschaulicht das Ungreiflbare und begrifflich Unfaßbare des Schönen und Erhabenen. Mit diesem Blick in eine unbegrenzte Weite schließt die Ausstellung.

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Beauty now
Schönheit in der Kunst am Ende des 20. Jahrhunderts
In Zusammenarbeit mit dem Hirshhorn Museum, Washington
Kurator Haus der Kunst: Christoph Vitali

Künstler: Marina Abramovic, Doug Aitken, Janine Antoni, Charles Atias, John Baldessari, Matthew Barney, Vanessa Beecroft, Dara Birnbaum, Louise Bourgeois, Vija Celmins, Willem De Kooning, Rineke Dijkstra, Glen L. Doll, Cheryl Donegan, Marlene Dumas, Lucian Freud, Felix Gonzales-Torres, Douglas Gordon, Rodney Graham, Mona Hatoum, Oliver Herring, Ursula Hodel, Jim Hodges, Rebecca Horn, Jonathan Horowitz, Pierre Huyghe, Anish Kapoor, Yves Klein, Imi Knoebel, Jannis Kounellis, Roy Lichtenstein, Agnes Martin, Ana Mendieta, Mariko Mori, Yasumasa Morimura, Bruce Nauman, Giulio Paolini, Alix Pearlstein, Pablo Picasso, Michelangelo Pistoletto, Sigmar Polke, Linda Post, Charles Ray, Gerhard Richter, Pipilotti Rist, Ed Ruscha, Beverly Semmes, Cindy Sherman, Lorna Simpson, Kiki Smith, Robert Smithson,Hiroshi Sugimoto, Rosemarie Trockel, James Turrell, Andy Warhol, Hannah Wilke