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Drei Jahre lang hat sich Ben Willikens intensiv mit Leonardo da Vincis Abendmahl im ehemaligen Dominikanerkloster Santa Maria delle Grazie in Mailand auseinandergesetzt. Am Ende des Dialoges standen 1979 zahlreiche Entwürfe und ein monumentales Tafelbild. Der Künstler hatte das kunsthistorische Vorbild unter Auslassung aller narrativen Elemente einschließlich der an der biblischen Szene beteiligten Protagonisten zu einer streng perspektivischen Licht-Raum-Architektur verdichtet, dessen religiöse und weltanschauliche Botschaft zur Disposition gestellt. Lag der Focus in Leonardos Komposition, ganz dem anthropozentrischen Weltbild der Renaissance entsprechend, auf dem Haupt Christi – Mensch und Gottessohn – so schweift das Auge nun in einem nicht fassbaren, diffusen Lichtraum umher auf der Suche nach einem Fixpunkt. Nach den sterilen, menschenleeren Klinik-Interieurs der frühen 1970er Jahre, für Willikens Ausdruck einer existenziellen Grenzerfahrung, schärfte der zweijährige Studienaufenthalt in Florenz und Rom den Blick des Künstlers für die Architektur, den perspektivisch konstruierten Raum und das Licht. Die Auseinandersetzung mit der Renaissance, bei deren Weltbild der Mensch im Zentrum steht, wird zum Schlüsselerlebnis für die Bildfindung der Gegenräume – lichterfüllter Architekturen und räumlicher Konstellationen –, die es dem Betrachter ermöglichen, sich in Bezug zum Raum und zur Welt wahrzunehmen. Im Sog der perspektivischen Konstruktion wandelt er durch imaginäre Räume, verortet sich ihm Bildgefüge, nimmt den Dialog auf. Das Abendmahl gilt als Initialbild dieser Gegenräume.

Mit der Orte-Serie, die in den Jahren 1996 bis 1999 entstand, verlässt Ben Willikens den Innenraum. Erstmals wendet er sich realen Bauwerken zu, die in den 1930er Jahren in Nürnberg, Berlin und München geschaffen wurden, um den Allmachtsfantasien des NS-Regimes Gestalt zu verleihen. Aller Machtinsignien beraubt, offenbaren sie ihren todbringenden Charakter. Eine Licht absorbierende Grauskala ersetzt den transluziden Farbauftrag der Gegenräume. An die Stelle von Weiß – Symbol des Lichtes und des Geistigen – tritt Schwarz ins Zentrum. Alles Licht verschlingend, steht es für Tod, Verderben und die Hölle.

Das Abendmahl und die Orte sind – wie Licht und Dunkel – Antipoden im OEuvre von Ben Willikens. Ihr dialektischer Diskurs ist bis heute nicht abgeschlossen. Seit 2008 hat der Künstler drei weitere Varianten des Abendmahls vollendet. Ben Willikens konzipierte sie im Entwurf bereits 1999 in unmittelbarer Reaktion auf die Orte. Die von Sabine Gruber kuratierte Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart konzentriert sich auf die dialogische Gegenüberstellung der beiden Werkgruppen. Die farbige Wandgestaltung des Ausstellungsbereiches nimmt diesen Dialog auf. Das Abendmahl aus dem Besitz des Deutschen Architektur Museums in Frankfurt wird in restauriertem Zustand nach fast 30 Jahren wieder in Stuttgart zu sehen sein. Gemälde- und Entwurfsvarianten aus Museen und von privaten Leihgebern dokumentieren den künstlerischen Dialog.

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Ben Willikens
Licht und Dunkel
Kuratorin: Sabine Gruber