artist / participant

press release only in german

In seiner dritten Einzelausstellung „Neuzeit“ in der Galerie Lena Brüning zeigt Bernd Trasberger eine raumgreifende Installation. Über zwei schwarz gestrichene Wände des Ausstellungsraumes erstreckt sich eine Struktur aus Metallprofilen, an deren Schnittstellen sich rote Leuchten aus Metall befinden. Diese sind so programmiert, dass sie unabhängig voneinander in einem unregelmäßigen Rhythmus auf und abdimmen. Betrachtet man das Motiv der Einladungskarte erkennt man die Konstruktion wieder. Diese ist nun jedoch nicht mehr wie auf der Abbildung als orthogonales Raster unter der Decke organisiert, sondern mäandert netzwerkartig in einer Moleküle oder Sternbilder evozierenden Struktur über die Wand. Das unhierarchische Muster der Deckenkonstruktion wird im Kunstwerk in eine singuläre Struktur überführt und in ein individuelles Objekt transformiert.

Die Leuchten stammen von der Decke der Aula eines inzwischen umgebauten Berliner Gymnasiums. Auf den ersten Blick erscheint das auf der Einladungskarte abgebildete Beleuchtungsraster der Aula als typische abgehängte Decke im Stil der Nachkriegsmoderne. Darüber befand sich jedoch ein mehrere Meter hohes schwarz gestrichenes Tonnengewölbe. Die abgehängte Decke wirkte nur oberflächlich solide, tatsächlich handelte es sich um ein schwebendes, transparentes Raster. Vor dem Umbau barg Trasberger alle 200 Leuchten der Deckenkonstruktion mitsamt dem dazugehörigen Gitter aus lackierten Metallprofilen.

Die in der Galerie gezeigte Version stellt nur ein kleines Element dieser Rasterdecke dar, die Trasberger nun modular als Ausgangsmaterial für Ausstellungssituationen verwendet. Ein solches Modul besteht aus mindestens fünf und maximal fünfzehn Leuchten. Wie schon in anderen Arbeiten thematisiert Trasberger auch hier den Umgang mit dem architektonischen Erbe der Moderne und zeigt, wie Elemente dieses Erbes neu betrachtet und in einen zeitgenössischen Kontext überführt werden können.

Die gegenüberliegende Wand ist vollständig mit bedruckten Seiten aus Flipchartblöcken behängt, die einen Druck des Holzschnittes „Wanderer am Weltenrand“ zeigen. Der wahre Urheber dieses Motivs, das zum ersten Mal 1888 in Camille Flammarions Schrift L’Atmosphère. Météorologie Populaire erscheint, ist unbekannt. Es handelt sich bei dem Bild höchstwahrscheinlich nicht um ein Original aus dem 16 Jahrhundert, sondern um eine Reproduktion die Flammarion oder ein unbekannter Zeichner im historisierenden Stil schuf, um das mittelalterliche Weltbild zu illustrieren. Im 20. Jahrhundert wurde der Stich jedoch immer wieder für eine authentische frühneuzeitliche Arbeit gehalten, die das, ebenfalls historisch nicht nachweisbare, mittelalterliche Flacherdweltbild belegen sollte.

Trasberger hat die Vorlage, die schon Mitte des 20. Jahrhunderts in kolorierten Fassungen reproduziert wurde, in einen Linoleum Druckstock lasern lassen. Das Resultat sind individuelle Drucke in unterschiedlichen Farben und Farbverläufen. Traditionelle, handwerkliche Technik steht hier im Kontrast zu leichter Reproduzierbarkeit. Die Farbverläufe der Drucke folgen weniger dem Motiv, als dass sie dessen Strukturen ignorieren oder sogar durchbrechen.

Das pulsierende Leuchten der Glühbirnen und die unregelmäßige Farbgebung scheinen die Drucke in Bewegung zu versetzten. Nicht nur Licht und Farbe oszillieren, auch die historische Abbildung schwankt in ihrer Natur zwischen retrospektiven Authentizitätsanspruch und der gewollten Konstruktion eines nicht historisch nachweisbaren Weltbilds und erscheint im zeitgenössischen Kontext aufgespalten in eine Ansammlung verschiedener Variationen.

only in german

Bernd Trasberger: Neuzeit