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In der Kunst des 20. Jahrhunderts gibt es nur wenige Positionen, die wie Bernd und Hilla Becher derartig nachhaltig die Verfolgung eines künstlerischen Konzeptes mit einer so einflussreichen Wirkungsgeschichte der eigenen Arbeit verbinden konnten. Seit Jahrzehnten leistet das gemeinsame Werk durch seine weltweite Wahrnehmung wichtige Impulse für die Kunsttheorie und –geschichte. Zudem prägte die unmittelbare Präsenz ihrer Arbeit an der Düsseldorfer Kunstakademie zwischen 1976 und 1996 nicht nur konkrete Werkbiographien von Studierenden, sondern grundsätzliche Verankerungen der Photographie in der Gegenwartskunst.

Seit den späten 1950er Jahren photographieren Bernd und Hilla Becher Zeugnisse der Industriekultur in Europa und den USA. Die konsequent schwarz-weiß gehaltenen Aufnahmen zeigen Bauten wie Hochöfen, Wasser- und Fördertürme, Zement- und Kalkwerke, Fabrikhallen, ganze Zechenanlagen sowie Fachwerkhäuser. Bei ihrer photographischen Arbeit folgen Bernd und Hilla Becher einer sachlich dokumentarischen Bildauffassung. Sie verzichten in ihren Aufnahmen auf jegliche Dramatisierung und verbinden mit ihrer Erfassung von industriebaulichen Grundformen das Vertrauen in die formalen ästhetischen und abbildenden Möglichkeiten der analogen Photographie. Mit ihrer gemeinsamen Entscheidung für eine strikte Standardisierung eines photographischen Prozesses schufen sie gleichzeitig die Möglichkeit, Bilder in Typologien zusammenzufassen und dieses Modell als wesentliche konzeptionelle Ebene ihrer Arbeit zu definieren. Gleichzeitig trugen die Typologien auch maßgeblich zur Wirkung ihrer Photographien im Sinne der „Anonymen Skulpturen“ bei.

So sehr das Werk von Bernd und Hilla Becher insgesamt als herausragender Orientierungspunkt in der globalen photographischen Landschaft erkennbar ist, so schlüssig verortet es sich mit Hinweisen auf die Industriephotographie von Albert Renger-Patzsch und die typologischen Bildserien August Sanders in einer Entwicklungsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Dass heute auch die Arbeiten von August Sander in ihrem Verhältnis zur Konzeptkunst diskutiert werden, verdankt sich einem für Bernd und Hilla Becher seit den 1970er Jahren geltenden Rezeptionsmodell, das ihrer Position – sei es hinsichtlich methodischer Fragen, der ästhetischen Wirkung, des Verhältnisses von Photographie und Kunst oder bezüglich medienspezifischer Grundlagen - eine Schlüsselrolle zuweist.

„Die Zeche Concordia ist eine für das Ruhrgebiet ausgesprochen typische Anlage, geradezu ein Exempel oder ein Lehrstück. Sie war für uns wie eine ganze Stadt, die mit ihren vielen Bauten – vergleichbar mit der Kirche, der Post und der Schule – besonders attraktiv war. An vielen Gebäuden oder Apparaturen ließ sich erkennen, daß das Gebiet historisch gewachsen war. Es trug die Zeichen der Zeit. Die Verschiedenartigkeit der Baukomplexe hatte sich in erster Linie durch ihre jeweiligen Aufgaben und den Wandel der technischen Möglichkeiten ergeben. Aber natürlich gab es auch Momente, wo sich ein bestimmter Geschmack durchgesetzt hatte, der sich an Rastern von Wohn- und Repräsentationsbauten orientierte. Rückblickend werden in den Photographien deshalb auch aufeinanderfolgende Zeitschichten und daraus resultierende wechselnde Bedürfnisse sichtbar. Vollkommen arglos, möchte man sagen, kommt hier Historistisches neben Zweckbauten der Nachkriegszeit vor.“

Bernd und Hilla Becher, 2006

Das von der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur mit Bernd und Hilla Becher für die Landesgalerie erarbeitete Ausstellungskonzept stellt das zwischen 1967 und 1970 in Oberhausen entstandene Werkkonvolut der Zeche Concordia in das Zentrum der Präsentation.

Gezeigt wird eine Auswahl von rund 200 Aufnahmen. Dieses für die Arbeit und die Rezeptionsgeschichte von Bernd und Hilla Becher signifikante Konvolut dokumentiert eine der - bis zu ihrer Stilllegung Ende der 1960er Jahre - bedeutendsten Industrieanlagen des Ruhrgebietes. Die Zeche war für Bernd und Hilla Becher ein wichtiges Arbeitsterrain, an dem sie ihre konsequente methodische Vorgehensweise anwandten und eine Anlage in all ihren Facetten dokumentierten.

Die Präsentation der Zeche Concordia erfolgt in strukturell offen gehaltenen Anschauungsgruppen, in denen Bernd und Hilla Becher in für sie typisch präziser Bildsprache sowohl einzelne Motive und ihre singuläre Form veranschaulichen als auch die Wirkung von Konstellationen und Ansichten überprüfen. Damit erschließt sich gerade durch die Aufnahmen der Zechenanlage eine ungeahnte ästhetische Vielfalt in der von Bernd und Hilla Becher unternommenen Erfassung industrieller Zweckbauten.

Das Konvolut der Zeche Concordia wird in der Linzer Ausstellung durch zehn Typologien von Fachwerkhäusern sowie durch Straßen- und Ortsansichten des Siegener Industriegebietes begleitet. Als bewusste Ergänzung zu den Aufnahmen der Zeche Concordia verdeutlichen diese Typologien gegenüber den strukturell offener gehaltenen Anschauungsgruppen der Zechenanlage eine streng an der Morphologie der Bauten ausgerichtete Auffassung, die sich als eine von den Bechers so fundamental in der Kunst des 20. Jahrhunderts verankerte Methode manifestiert hat. Die Werkgruppe der Fachwerkhäuser wurde von Bernd und Hilla Becher in einem Zeitraum von fast 20 Jahren erarbeitet und schließlich 1977 als erste thematisch abgeschlossene Arbeit in Buchform veröffentlicht.

Werden in der Ausstellung die Fachwerkhäuser überwiegend in Typologien präsentiert, so werden jeweils mehrere Fotografien zu einem Tableau zusammengefasst. Die Fotografien sind von links nach rechts in mehreren Reihen angeordnet und so dicht gehängt, dass sie als zusammengehörend erkannt werden. Die Hängung erlaubt ein vergleichendes Sehen, das die Besonderheiten innerhalb einer Familie von Bauten vor Augen führt. Ein solches serielles Vorgehen entspricht einem wissenschaftlich– analytischen Prozess, der Erkenntnis aus der exemplarischen Gegenüberstellung von Dingen und Phänomenen zieht. Die gleichbleibende Methode der Bildfindung und die thematische Konzentration bedingen den inneren Zusammenhalt der Serie. Das systematisierte Aufnahmeverfahren und das konsequente Festhalten an der SW-Fotografie schaffen die Voraussetzung für eine Vergleichbarkeit und somit auch für eine Lesbarkeit der Objekte.

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