Museum Rietberg, Zürich

Museum für Kunst aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien | Gablerstrasse 15
8002 Zurich

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In Bhutan, dem kleinen Königreich am Rand des Himalayas, ist die Religion tief im Alltagsleben der Menschen verankert. Die tantrische Form des Buddhismus ist in keinem anderen Land der Welt noch heute so lebendig wie in Bhutan. Kunst und Kultur, Musik und Tanz stehen ganz im Zeichen des Buddhismus. Die heiligen buddhistischen Kunstwerke der Ausstellung im Museum Rietberg werden auf ihrer Reise von zwei Mönchen aus Bhutan rituell betreut. In Zürich führen sie täglich in den Ausstellungsräumen Verehrungs- und Reinigungszeremonien durch, um negative Kräfte zu bannen und die spirituelle Aura der Kunstwerke zu stärken.

Erstmals sind mit dieser Ausstellung über 100 religiöse Kunstwerke aus Tempeln und Klöstern Bhutans ausserhalb des Landes zu sehen. Organisiert wurde die Ausstellung von der Honolulu Academy of Art und dem Innen- und Kulturministerium der Königlichen Regierung Bhutans. Sie entstand in enger Zusammenarbeit zwischen westlichen Kuratoren und Wissenschaftlern, und zwischen Mönchen, hohen Geistlichen und den Kulturinstituten Bhutans. Während einer fünfjährigen Vorbereitungszeit reiste man gemeinsam durchs Land, sichtete unzählige Kulturschätze, diskutierte aus den verschiedenen Blickwinkeln der Beteiligten deren Ikonografie und Qualität und wählte schliesslich die Objekte für die Ausstellung aus. An einem glückbringenden Tag wurden die heiligen Objekte rituell verabschiedet und auf die Reise geschickt. Nach Honolulu, San Francisco, New York, Paris und Köln, wo die Ausstellung überall auf enormes Interesse stiess, tritt die Ausstellung nun in Zürich ihre letzte Station an.

Die Geschichte Bhutans ist stark vom Buddhismus geprägt. Das kleine Land ist etwa so gross wie die Schweiz und besteht aus mehreren, tief eingeschnittenen Bergtälern. Schon früh zogen tibetische Händler durch die Täler nach Indien. Nach der Einführung des Buddhismus im Himalaya im 8. Jahr-hundert kamen in mehreren Wellen tibetische Mönche nach Bhutan und gründeten Klöster, die zu Zentren von Kultur und Macht wurden. Im 16. Jahrhundert vereinte der Mönch Shabdrung Ngawang Namgyal die Bergtäler zu einem Reich und prägte Bhutans eigenständige kulturelle Identität. Sein Verwaltungssystem, das die Macht zwischen einem weltlichen und einem religiösen Herrscher aufteilte, beruhte auf den Maximen des Buddhismus. Nach dem Tod des charismatischen Führers kam es vermehrt zu Machtkämpfen, bis 1907 der stärkste Lokalherrscher zum König ernannt wurde. Damit wurde Bhutan erstmals in seiner Geschichte zu einer Erbmonarchie. Der Urenkel dieses Herrschers hat nun vor zwei Jahren aus eigenem Antrieb abgedankt und ein demokratisch gewähltes Parlament eingeführt. Bhutan versucht, auch in der modernen Welt die traditionelle Lebensweise zu bewahren und das kulturelle Bewusstsein zu stärken. Eine international beachtete Strategie Bhutans ist es, nicht nach einer Steigerung des rein materiellen Bruttosozialproduktes zu streben, sondern ein «Bruttonationalglück» zu definieren. Dazu gehört auch ein intaktes natürliches, kulturelles und soziales Umfeld.

Dem kulturellen Erbe begegnet man in Bhutan auf Schritt und Tritt. Über 2000 Klöster und Tempel bestimmen das Landschaftsbild. An strategisch wichtigen Stellen thronen mächtige Klosterburgen und überall finden sich kleine Heiligtümer. Die Tempel beherbergen unzählige Kunstschätze. Bilder und Statuen gelten jedoch nicht in erster Linie als Kunstwerke, sondern als heilige Objekte. Noch heute stehen sie in rituellem Gebrauch. Viele davon sind auch in Bhutan selten zu sehen. Nur zu bestimmten Zeremonien werden sie hervorgeholt und verehrt.

Die ausdrucksstarken Kunstwerke ermöglichen auch Laien einen Einblick in die hochkomplexen Lehren des Tantrischen Buddhismus. Bilder des Buddhas in tiefer Versenkung strahlen eine vollkommene Ruhe aus und lassen erahnen, was es heisst, von allem losgelöst zu sein. Die Anmut der Bodhisattvas macht spürbar, dass sie voller Mitgefühl gelobt haben, alle Lebewesen aus dem Kreislauf des Leidens zu befreien. Packende Darstellungen von furchterregenden Gottheiten mit wutverzerrten Gesichtern und blutrünstigen Attributen deuten in ihrer vielschichtigen Symbolik auf verschiedene Lehrinhalte hin. Didaktische Bilder erzählen in vielen kleinen Szenen Lebensgeschichten und spirituelle Werdegänge grosser Meister. Eindrückliche Porträts von bis zu dreieinhalb Metern Höhe erinnern an weise Lehrer und deren Überlieferungen.

All diese Bilder bestechen durch ihren Reichtum an Details. Manche zeigen einen Reigen von Geschichten und Episoden mit einer Vielzahl von Figuren. Um die zentralen Figuren herum entfaltet sich meist eine idyllische Landschaft mit Bäumen und Blumen, Bächen und Tieren. Häufig lohnt sich auch ein Blick auf den elaborierten Schmuck und die Gewänder mit ihren feinen Stoffmustern.

Neben Skulptur und Malerei zeigt die Ausstellung in mehreren Filmen eine weitere Kunstform Bhutans: Die rituellen Cham-Tänze werden an grossen Tempelfesten aufgeführt, zu denen das Volk von weit her herbeiströmt. Die Maskentänze dienen einerseits der religiösen Belehrung der Gläubigen. Andererseits sind sie für die tanzenden Mönche meditative Übung, denn sie verschmelzen im Tanz geistig mit der dargestellten Gottheit.

CHAM-TÄNZE Die rituellen Maskentänze sind ein wichtiger Teil der Ausstellung. Im Rahmen der Vorbereitung arbeitete unter Federführung der Honolulu Academy of Arts ein internationales Team unter Joseph Houseal von Core of Culture Dance Preservation in Bhutan und zeichnete während zweier Jahre dreiundzwanzig grosse Tempelfestivals und dutzende kleiner Dorffeste auf. Aus diesem reichen Material sind mehrere kurze Filmesequenzen in der Ausstellung zu sehen, darunter eine grosse Installation, die den Tanz räumlich erlebbar macht.

FILME IN DER AUSSTELLUNG «SMS from Shangri-La» Ein Film von Dieter Fahrer und Lisa Röösli, 2009, 75 Minuten Englisch, Schweizerdeutsch und Dzongkha mit deutschen Untertiteln. Anfangszeiten: 11, 13 und 15 Uhr, Mi und Do auch 18.30 Uhr

«Das Bruttonationalglück ist wichtiger als das Bruttosozialprodukt», sagt der König von Bhutan. Doch lässt sich das Glück per Dekret verordnen? Der Film begleitet sieben Schweizer Musiker auf einer Tournee quer durch Bhutan. Zwischen den Konzertszenen und den musikalischen und persönlichen Begegnungen der Band stehen fünf Porträts von verschiedenen Menschen, die erzählen, was Glück für sie bedeutet. Der Film zeichnet ein differenziertes und doch sehr persönliches Bild des heutigen Bhutan. Gleichzeitig reflektiert er unsere eigene Suche nach dem verlorenen Paradies, unsere Sehnsucht nach Heimat und Glück, die wir im Anderswo vermuten und letztlich doch nur im Hier und Jetzt finden können.

«Price of Knowledge» «Price of Letter» Zwei Filme von Ugyen Wangdi, 1998 und 2004, 35 und 68 Minuten Original mit englischen Untertiteln Anfangszeiten: 11, 13 und 15 Uhr, Mi und Do auch 18.00 Uhr

Ein zehnjähriger Junge auf dem Weg zur Schule ¬– jeden Tag zweieinhalb Stunden hin und zurück. Ein Postbote auf seiner monatlichen Tour – fünf Tage zu Fuss bis an die nördliche Grenze. Zwei eindrück-liche Porträts aus dem heutigen Bhutan.

DIE AUSGRABUNG DER FESTUNG DRAPHAM-DZONG Seit 2008 findet die erste archäologische Ausgrabung in Bhutan überhaupt statt. Unter Leitung von Professor Werner Meyer (Universität Basel) legen schweizer und bhutanische Wissenschaftler und Arbeiter gemeinsam eine Festung aus dem 16. Jahrhundert frei. Diese Lehrgrabung ist Teil eines grösseren Projektes, das von der Schweizer Liechtensteinischen Stiftung für archäologische Forschung im Ausland (SLSA) und Helvetas organisiert und finanziert wird. Auf Wunsch der bhutanischen Regierung ist geplant, das Fach Archäologie in Bhutan zu institutionalisieren und die Bevölkerung für ihr kulturelles Erbe zu sensibilisieren. Bis jetzt wurde «Geschichte» in Bhutan ausschliesslich aus tradierten Texten und mündlichen Überlieferungen erschlossen, denn Objekte, die in der Erde lagern, gelten als versteckte, religiöse Schätze. Die Ausgrabung wird in einem Raum der Ausstellung präsentiert und kommentiert.

VEREHRUNGSRITUAL Jeden Tag um 10.30 und 15 Uhr führen die Mönche Nima und Kinzang Thinlay in der Ausstellung ein Ritual zur spirituellen Reinigung der heiligen Objekte durch. Dauer ca. 20 Minuten. Während der gesamten Ausstellungsdauer fertigen sie zudem ein Mandala aus buntem Sand.

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Bhutan
Heilige Kunst aus dem Himalaya
Kurator: Alexandra von Przychowski