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Christoph Hinterhuber zeigt in Wien bei Ve.Sch und im Kunstraum Bernsteiner die zweiteilige Simultanausstellung „big & full“. Die künstlerische Produktion des in Innsbruck lebenden Künstlers Christoph Hinterhuber (*1969) lässt sich nicht leicht einordnen. Sein Markenzeichen sind die obsessive Verwendung der  Komplementärfarben Pink und Grün sowie von Schwarz und Weiß. Seine formalen Bezugspunkte bewegen sich entlang der Schnittstellen eines Neoplastizismus, der Op Art und Neo Geo bis hin zum Aktionismus und Dadaismus. Die Bezugnahme auf diese Avantgardebewegungen der Kunst im 20. Jahrhunderts ist jedoch kein formaler Selbstzweck. Sie dient primär der Erforschung und Repräsentation eines potenziellen avantgardistischen Erbes der (historischen) Moderne, deren Fortschrittsstreben sich aufgelöst hat und in einen Moment permanenter Revolutionsgegenwart übergegangen ist.  Christoph Hinterhuber beschränkt sich aber nicht auf Hinterfragung und Kommentierung. Durch die Verbindung mit zeitgenössischen avantgardistischen Formen und Bewegungen, die vor allem in subkulturellen Musikmilieus verankert sind, arbeitet er vielmehr an einer Reformulierung des gesellschaftlichen Potenzials der Avantgarde als Imperativ heutiger Lebensweise. Christoph Hinterhubers Kunst kann als eine neokonzeptuelle Semantik temporärer autonomer Zonen im Sinne Hakim Beys aufgefasst werden – als ein Übersetzungsvorgang verunklärter,  virtueller Erinnerungen in die Medien Malerei, Installation, Computeranimation, Sprach- und Techno-Sound. Sie kann aber auch als die Manifestation des Strebens nach einem hohen gesellschaftlichen Entropiezustand begriffen werden, als die ekstatische Zelebration eines halluzinativen Techno-Utopia, eines ménage à trois von Kunst, Kapitalismus und Konstruktivismus.  „big & full“ nimmt als übergeordnete Referenz George Batailles erotische Schriften, die im deutschsprachigen Raum unter dem Titel „Das obszöne Werk“ erstmals 1972 als Taschenbuch bei Rowohlt erschien.  Von Susan Sontag zwar als „Kammermusik der pornografischen Literatur“ apostrophierten Erzählungen, wurde dieses Werk von Roland Barthes, Michel Foucault und anderen jedoch keineswegs innerhalb dieses Genres gesehen. „Die erotische Erfahrung ist für ihn [Bataille] eine zweifache: die des Tabus und die seiner Überschreitung; erst die Überschreitung, die das Tabu zur Voraussetzung hat, ermöglicht den Personen Batailles […]  auch die Transzendierung des Ich. Die Ekstase, das buchstäbliche Außer-Sich-Sein, das die Mystik in religiöser Versenkung fand, suchen sie im körperlichen Exzess und in körperlicher Entäußerung.  Auf allen Ebenen übrigens: kopulierend und defäkierend scheiden sie in geradezu mythischem Umfang aus, ent-äußern sich bis zur Selbstauflösung.“ (auf dem Rückcover der 18. Auflage, Reinbek bei Hamburg, 2002.)  Bataille bildet mit seiner Theorie der Verschwendung, die in diesem Fall als erotische Erfahrung über den Körper formuliert wird, eine bemerkenswerte parallele zum Streben nach exzessiver Grenzüberschreitung,  das unter anderem in den Manifesten des Futurismus und des DADA vorzufinden ist (wenn auch auf freilich jeweils anderer Art) und bei Hakim Bey innerhalb der temporären autonomen Zonen eine zeitgenössische Formulierung findet. Im Ausstellungsteil „full“ bei Ve.Sch zeigt Christoph Hinterhuber eine Raumkonfiguration aus 12 Leinwänden. Im Kunstraum Bersteiner wird mit  „big“ eine monumentale Wandarbeit in situ präsentiert.

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big & full
Christoph Hinterhuber
eine zweiteilige Simultanausstellung