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"Black was a sacred colour for the Abstract Expressionists, it was their lapis lazuli; they made a mystique of it, partly perhaps because of its austerity, partly perhaps because there was something splendidly macho in being able to produce a good strong black." (David Sylvester)

Das künstlerische Klima in New York

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich in Amerika mit dem Abstrakten Expressionismus eine Malerei, mit der sich die Künstler von der als lähmend empfundenen Last europäischer Tradition emanzipierten. New York war das Zentrum der jungen amerikanischen Kunst. Dort herrschte ein Klima der Aufbruchsstimmung und allgemeinen Offenheit. Maler wie Arshile Gorky, Willem de Kooning, Robert Motherwell und Jackson Pollock bildeten mit Barnett Newman, Ad Reinhardt, Mark Rothko und anderen die erste Generation der New York School, die sich im Stadtteil Greenwich Village konzentrierte. Als Treffpunkt dienten ihnen verschiedene Galerien - wie die von Betty Parsons, Samuel Kootz, Charles Egan und Sidney Janis - oder Clubs der Stadt, darunter Eighth Street Club oder Artists' Club.

New York kämpfte nunmehr mit Paris, bisher unbestrittener Mittelpunkt der europäischen Moderne, um die Vormachtstellung im Kunstsektor. Ad Reinhardt erinnert sich: "Ich weiß nicht, wie sich die Geschichte anderer über die vierziger und fünfziger Jahre anhört, aber diese ganze Sache mit dem Erfolg hat damals angefangen. Zumindest einige meiner Studenten haben sich begierig auf die ganze Geschichte gestürzt, dass Paris tot und New York das Zentrum der Kunstwelt sei."

Besonders diese erste Generation der New York School war auch für mystisches, okkultes, spirituelles Gedankengut und das Konzept der Erhabenheit offen. Barnett Newman verwendet den Begriff der Erhabenheit in seinem Text "The Sublime Is Now" von 1948, und auch für Mark Rothko war er von Bedeutung. Dem Konzept des Erhabenen lag die Frage nach Wahrheit und Wirklichkeit zugrunde. Die Absicht, den Betrachter damit zu konfrontieren, fand ihren Ausdruck im meist großen Format, in der Nähe zur Monochromie und einer dunklen Farbpalette.

Die Entstehung der schwarzen Serien

Ende der 1940er Jahre beschäftigten sich Künstler der New York School - Robert Rauschenberg, Ad Reinhardt, Mark Rothko, Frank Stella und Barnett Newman - intensiv mit der Farbe Schwarz. Es entstand eine erstaunliche Anzahl von nahezu monochromen schwarzen Bildserien, die heute die Glanzstücke international bedeutender Sammlungen bilden, aber bisher nie in einer Ausstellung vereint wurden.

Robert Rauschenberg (geb. 1925) begann 1951 als Erster eine Serie mit schwarzen Bildern, die ihn 1954 zu seinen Combine-Paintings führten. Fünf Jahre später, 1956, entschied Ad Reinhardt (1913-1967), nur noch schwarze Bilder zu malen. 1960 legte er sich zudem auf ein bestimmtes Format und eine Binnenstruktur fest, so dass bis zu seinem Tod im Jahr 1967 ausschließlich schwarze, quadratische Gemälde mit einer Kreuzstruktur entstanden. Frank Stella (geb. 1936) schuf zwischen 1958 und 1960 vierundzwanzig schwarze Gemälde. Er tat dies, ähnlich wie Rauschenberg, zu Beginn seiner Karriere.

Ab 1957 wurde auch die Farbpalette von Mark Rothko (1903-1970) dunkler, bis er schließlich 1964 zu seinen Black-form Paintings gelangte. Seine dunklen Bilder entstanden meist raumbezogen und fanden ihren Höhepunkt in den Werken der Kapelle in Houston, an denen Rothko 1964 zu arbeiten begann.

Selbstbefragung und Neuausrichtung

Welche Bedeutung nehmen die schwarzen Bilder im gesamten Schaffen der Künstler ein? Welche Wechselwirkung gibt es zwischen der Persönlichkeit eines Künstlers, den geistigen Inhalten, mit denen er sich beschäftigte, und der künstlerischen Phase, in der er sich befand, als er die schwarzen Bilder malte? Die Ausstellung zeigt, dass die schwarzen Gemälde für Durchbrüche und Übergänge im Oeuvre der Künstler stehen. Sie möchte sogar zu dem Schluss (ver-)führen, diese Bilder als eine Art Selbstporträt zu lesen.

Dass die schwarzen Serien der vier Künstler einen Übergang oder Wandel kennzeichnen, ihn thematisieren oder erst ermöglichen, ist vielleicht auch ihre interessanteste Gemeinsamkeit. Die schwarzen Bilder besaßen für Stella und Rauschenberg eine klärende Funktion; für Rothko waren sie ein Höhepunkt, den er regelrecht angestrebt hatte; für Reinhardt wurden sie zu Bausteinen seines Manifests der großen Verweigerung.

Ad Reinhardt und Mark Rothko, die Väter der amerikanischen Avantgarde, verfolgen mit ihren schwarzen Bildern beharrlich und konsequent das Anliegen, ihre Sprache zu entfalten bis zu einem Stadium der Reife. Beide übersteigern dabei ein gewisses Maß: der eine sein Maß an Sachlichkeit, der andere sein Maß an Tragik. Bei Rothko steht Schwarz für die Leere und das Nichts, die den Betrachter auf existenzielle Fragen und Erfahrungen zurückwerfen; bei Reinhardt steht Schwarz für Verweigerung, für Unsichtbarkeit, Farblosigkeit und Gleichmut.

Robert Rauschenberg und Frank Stella, die jungen "Freiheitskämpfer", verwenden die Farbe Schwarz, um die Spuren der Tradition und der eigenen Konditionierung verschwinden zu lassen und ihr Grundvokabular neu zu erfinden. Der eine wird die Welt des Alltags in sein Vokabular aufnehmen, der andere die Welt des Vieldeutigen und des Absurden. Schwarz steht bei Rauschenberg und Stella für die Beschränkung auf das Quasi-Nichts, das ihnen bei der Suche nach sich selbst als Ausgangspunkt dient. Für Rauschenberg bedeutet Schwarz auch das Nicht-Wissen, wie es für ihn künstlerisch weitergehen würde; bei Stella dagegen klingt eine gewisse Absurdität, eine Ort- und Zeitlosigkeit mit.

Schwarz als Ausdruck für Übergang und Wandel

Die Farbe Schwarz scheint mit einem Prozess der Transformation verbunden. Sie lässt sich als Mittel zur Grenzüberschreitung deuten - vom Sichtbaren zum Unsichtbaren, vom Materiellen zum Spirituellen, vom Bewussten zum Unbewussten. Dass ausgerechnet schwarze Bilder Ausdruck eines Wandels sind, kann auch mit ihren nächtlichen Eigenschaften erklärt werden. Die Nacht steht in der Mystik, Mythologie, der Kunst und Literatur für den Wandel. Das Sehen in der Dunkelheit verändert die Wahrnehmung. Je länger man sich in der Dunkelheit aufhält, je weiter man sie einlässt, desto klarer konturiert sich die Umwelt. Der Prozess des Sehens rückt in den Mittelpunkt - ein bewusstes, vielleicht genaueres Sehen. Man mag sogar auch den Wunsch hinter sich lassen, die Umwelt erkennen zu wollen. Dann entfaltet die Nacht ihre besondere Qualität des Nicht(s)-Sehens als Entsprechung zum Nicht-Wissen. Dieses Nicht-Wissen als eine Form von Reinigung wiederum ist Voraussetzung für einen Wandel. "Shut your eyes and see", schreibt James Joyce im ersten Kapitel seines Ulysses.

Mit offenen Augen auf ein schwarzes Bild zu blicken, ist mit dem Sehen in der Nacht vergleichbar. Der Künstler, der sich für Schwarz entscheidet, verlangt dem Auge ein Sehen ab, das sich an Dunkelheit gewöhnt: Der Blick trifft auf Schwarz. Das vermeintliche Nicht(s)-Sehen-Können bewirkt ein Anders-Sehen-Können, ein differenzierteres Sehen: etwa das Erkennen von Nuancen in Struktur und Farbe. Die erschwerte Sicht erhöht die Konzentration auf das Sichtbare und Unsichtbare, vielleicht sogar auf das Wesen der Dinge und das eigene Selbst. Dies gilt zunächst für den Betrachter des Bildes, doch kann es auf einer existenziellen Ebene auch für den Künstler gelten.

Die Ausstellung

Die Präsentation der schwarzen Gemälde im Haus der Kunst bietet die Möglichkeit, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der im New York der Nachkriegszeit entstandenen Werke zu entdecken. Die Ausstellung offenbart die Radikalität der künstlerischen Positionen, die Hand in Hand gingen mit den Entwicklungen in Theater, Musik und Literatur. Das neue Selbstverständnis führte zu einer Neuorientierung der Kunst, die das gesamte 20. Jahrhundert prägen sollte. Betrachtet man die Entwicklung des Abstrakten Expressionismus, entsteht der Eindruck, dass die amerikanischen Künstler in den Jahren zwischen 1950 und 1965 auch von der Idee getragen wurden, sich vom maßgebenden Einfluss der europäischen Tradition loszusagen und mit New York - neben Paris - ein neues Zentrum der Avantgarde zu begründen. Vor diesem Hintergrund wirken die Black Paintings wie der Ausdruck eines kollektiven Strebens nach künstlerischer Selbstbehauptung.

Der Katalog erscheint bei Hatje Cantz. Bildmaterial steht unter www.hausderkunst.de/presse/info.htm zur Verfügung. Die Ausstellung wird durch die Dr. Karl Wamsler Foundation gefördert.

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Black Paintings
Kurator: Stephanie Rosenthal

Künstler: Robert Rauschenberg, Ad Reinhardt, Mark Rothko, Frank Stella, Barnett Newman