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Die Ausstellung thematisiert die Bedingungen und Grenzen der visuellen Wahrnehmung in unserer Gegenwart, die von digitalen Bildmedien und -technologien durchsetzt ist. Die Konsequenzen dieser digitalen Revolution, die Durchdringung und Durchleuchtung nahezu aller Lebensbereiche durch fotobasierte Bilder und Bildapparate jeglicher Art, sind weitreichend: Nicht nur färben durch digitale Bearbeitung manipulierte Bilder unseren Blick auf die Welt, ihre Omnipräsenz in den Massenmedien und im öffentlichen Raum verkehrt auch das Verhältnis von Subjekt und Objekt: Das Subjekt wird von Bildern angeblickt, die wiederum seinen Blick auf die Welt strukturieren. Diese Verschiebung von Machtverhältnissen in Blickstrukturen wird noch durch die Zunahme an digitalen Geräten verstärkt, die weltweit zur Beobachtung und Kontrolle von Subjekten und Räumen eingesetzt werden und ein dichtes Netz aus Visualisierung und Überwachung bilden.

Die Künstler_innen der Ausstellung befragen die Wirkmächtigkeit fotobasierter Bildmedien, indem sie deren Definition dessen, was wir für wahr halten, sowie unsere Vorstellung von digital vermittelten visuellen Informationen beleuchten. Ihre Arbeiten präsentieren melancholisch-irritierende Räume in einer fotografischen Ästhetik, die ohne Zuhilfenahme digitaler Kameras produziert ist. Diese Ästhetik dekonstruiert das jeweils Dargestellte als Projektion vorgefasster Vorstellungen über und Erwartungen an fotobasierte Bilder und entlarvt unsere Wahrnehmung als durch digitale Bilder geprägte Seherfahrung. Auf dem Prüfstand steht nicht weniger als die Beziehung zwischen Realität und Repräsentation, zwischen dem, was wir sehen, und dem, was wir glauben zu sehen, zwischen dem, was ist, und dem, was wir für uns selbst erschaffen, um unserem Gefühl der Entfremdung und des Verlusts an Selbstbestimmung in einer durch und durch digitalisierten Welt entgegen zu wirken.

Indem sie die faktische Differenz zwischen dem zu Sehen Gegebenen und unseren Vorstellungen desselben verschleiern, stellen sich die Künstler_innen der Herausforderung, sich gegenüber dem Medium Digitalfotografie zu behaupten. Sie ahmen die technischen Möglichkeiten bzw. den Illusionismus der digital produzierten Realitätswiedergabe mit klassischen künstlerischen Medien oder „veralteter“ fotografischer Techniken täuschend echt nach und bekräftigen die Konkurrenzfähigkeit ihrer Kunst mit dem vermeintlich überlegenen neuen Medium, indem sie sich auf das zurückbesinnen, was Kunst zuvor gemeinhin war: eine analoge „Hand“arbeit, ausgeführt mit technischen Hilfsmitteln bestenfalls als Mittel zum Zweck der Visualisierung einer künstlerischen Idee. Was sie mit ihren Arbeiten leisten, kann somit auch als Initiierung eines Postdigital Art-Paragones verstanden werden, eines Wettstreits zwischen zeitgenössischer bildender Kunst und digitaler Fotografie. Sie verwandeln handgemachtes Material in vermeintlich digital Erzeugtes und entkommen damit dem Bereich der neuen Technologie, ohne ihn komplett zu verwerfen. Dadurch rehabilitieren sie einerseits den modernen Kunstbegriff, der Originalität, Einzigartigkeit und Authentizität beinhaltet, andererseits die Rolle des Künstlers, da ihre von Hand hergestellten Artefakte digital erzeugten visuellen Produkten ästhetisch mindestens gleichwertig, wenn nicht überlegen sind.