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Aus Deutschland ist eine Suche nach Identität mit Hilfe von Bildern. Es sind Bilder -Fotografien -, die sowohl Zugehörigkeit als auch Distanz ausdrücken. Bilder von dem Land, aus dem ich komme und aus dem ich weggegangen bin.

Es gibt in der deutschen Sprache dieses Wort, Heimat, das in keiner anderen Sprache eine wirkliche Entsprechung hat, ein Wort, das man zum Beispiel mit Geburtsort oder Ursprungsland übersetzen kann. Der Schriftsteller Bernhard Schlink gibt dem Begriff Heimat den Sinn von Utopia, bei ihm ist es der Nicht-Ort, der nur als Idee existiert, der einen Mangel, aber auch eine Sehnsucht ausdrücken kann - oder etwas, was irgendwo dazwischen liegt. Es ist diese denkwürdige Mischung aus Nähe und Distanz, aus Vergangenheit und Gegenwart, aus idealisiertem Rückblick und gelebter Wirklichkeit, die sich als roter Faden durch diese Bildserie Aus Deutschland zieht.

Ich lebe inzwischen in einer anderen Kultur, und betrachte daher das Land meiner Herkunft - meine Heimat - mit dem Blick der Eingeweihten aber Fremdgewordenen. Da gibt es heute noch immer dieselben Dörfer und Landschaften, mal mehr, mal weniger verändert, und in etwa dieselben Menschen: Das ist die Familie, das sind die Freunde mit ihrem gesamten Geflecht aus Beziehungen, von Intimität über Gleichgültigkeit bis hin zum Fremdsein. All dies, alles was mich geformt hat - auch was ich verworfen und abgelehnt habe, ist für ein paar Monate - die Zeit, in der ich diese Fotografien machte - , wieder gegenwärtig geworden. Aber wie sollte ich diese Ambivalenz meiner Gefühle, diese Empfindung irgendwie nicht dazuzugehören, in Bilder umsetzen? Ich habe mich schließlich entschieden, nicht zu entscheiden, sondern mich vom Anschein der Dinge leiten zu lassen: Den oft so tiefhängenden Himmeln, den sanften Wellen der Hügellandschaft, den oft banalen Alltäglichkeiten der Menschen, denen ich soweit vertraut bin, dass sie meinen Blick auf sie akzeptieren, dass sie manchmal sogar meine Anwesenheit vergessen. Die Gesamtheit dieser Bilder zeigt einen subjektiven und natürlich auch parteiischen Blick auf diesen kleinen Teil Deutschlands, der den Mikrokosmos meiner Kindheit und Jugend gebildet hat.

Eindrücke aus dem Osten Deutschlands ergänzen diese Bilder aus dem Süden. Ich habe mich bewusst auf einen kleinen Teil des Ostens beschränkt, auf diese Städte und Orte, die so sehr mit Geschichte besetzt sind, dass ihre Namen zu Gemeinplätzen wurden. Ich wollte so tun, als könnte ich eine deutsche Identität mittels der Kultur herstellen: Weimar, Dessau, Rügen als C.D. Friedrichs Insel... Gleichzeitig wollte und musste ich zeigen, dass diese Orte heutzutage vor allem in ihrer banalen und harten Alltagswirklichkeit verankert sind.

Dörfer, Landschaften, Menschen, Interieurs, Städte: Diese auf den ersten Blick zusammenhanglos erscheinenden Fotografien bilden bei genauerer Betrachtung ein Ganzes, das mehr ist als die bloße Summe der einzelnen Elemente. Es ist mein Deutschland, das mir so nah und doch so fremd ist. Vielleicht ist es die Mischung aus Nähe und Fremdheit, die die Bilder Aus Deutschland so melancholisch färbt. Wo ist nun wirklich mein Deutschland? Ist es vielleicht nur eine Einbildung, eine fiktive Heimat?

Brigitte Bauer, Januar 2003 Pressetext

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Brigitte Bauer "D´Allemagne"
Reihe: FABRIK FOTOFORUM
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