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Zu pathetischer Musik jagen Indianer hinter einer Postkutsche her und balanciert ein Seiltänzer über einer Stadt – diese Bilder stammen aus dem Found-Footage-Montage-Meisterwerk A MOVIE (1958), eine Assemblage aus Wochenschaubildern und Filmausschnitten, mit dem der amerikanische Künstler Bruce Conner (1933–2008) bekannt geworden ist. Er gilt heute als einer der Wegbereiter für den Musikclip und gehört mit seinen Experimentalfilmen neben Stan Brakhage, Jack Smith, Jonas Mekas und Andy Warhol zu den grossen Avantgardisten des US-Independentfilms.

Conners Werk ist geprägt von einer Vielfältigkeit, die sich auch in seinen multiplen Karrieren und mannigfachen Identitäten widerspiegelt. Zeichnungen, Collagen, Skulpturen, Assemblagen, Malerei, Druckgrafik, Fotografie und Film gehören ebenso zu seinem Œuvre wie konzeptuelle, ephemere, zerstörte und verloren gegangene – „unsichtbare“ – Arbeiten. Conner hinterfragte dabei auf kritische und humorvolle Weise Themen wie Identität, Biographie und Autorschaft und entzog sich stets künstlerischen, persönlichen und markttauglichen Kategorisierungen: 1967 kandidierte er als leitender Verwaltungsbeamter in San Francisco (BRUCE CONNER FOR SUPERVISOR), ersetzte in einer Reihe seiner Arbeiten die Künstlersignatur durch einen Daumenabdruck, verfolgte die Frage „Wer ist Bruce Conner?“, indem er seine Namensvetter in ganz Amerika aufspürte und 1964 einen Kongress plante – u.a. konzipierte und produzierte er hierfür die Buttons I AM BRUCE CONNER und I AM NOT BRUCE CONNER –, verwendete gar den Namen seines Freundes und Schauspielers Dennis Hopper als Pseudonym (THE DENNIS HOPPER ONE MAN SHOW) oder liess sich selbst im Nachschlagewerk Who was Who in America 1973 für tot erklären.

Bekannt geworden ist Conner in den 1950er Jahren mit Assemblagen aus Nylonstrümpfen, Möbelteilen und weiteren Fundstücken. Seine zeichnerischen und malerischen Arbeiten der späten 1960er Jahre sind vermehrt geprägt durch eine narrative Dichte und optische Überladung, die in den 1970er Jahren in einer lyrischen Formensprache kumulieren. Abstraktion äussert sich in Sinnbildern des Metaphysischen und des Transzendentalen. In seinen Tintenkleckszeichnungen, Mandalas, Bildern mit unzähligen weissen Punkten auf schwarzem Hintergrund, der Serie schwarzer Zeichnungen mit kräftigem Duktus und Gravur-Collagen treten Motive auf, die Repräsentationsmöglichkeiten des Numinosen oder des Unbewussten anbieten. Seine INKBLOTS – das gefaltete Papier wird symmetrisch entlang vertikaler Faltgrate bekleckst – mögen an Rorschachtests erinnern, unterscheiden sich jedoch deutlich darin, dass Conner die Entstehung der Kleckse kontrolliert und so die Grenze zwischen Intention des Künstlers und Interpretation des Betrachters schwer auszumachen ist. Die Präsentation einer scheinbar endlosen Serie an Fragmenten unterstützt und verwehrt dabei gleichzeitig die Findung einer Narration. Die All-over-Struktur findet sich auch in seinen STAR-Zeichnungen wieder. In diszipliniertem Duktus führt Conner den Malstift in unzähligen Kringeln über das weisse Papier, bis nur noch weisse Punkte wie Lichter aus einem rabenschwarzen Meer aus Tinte hervorscheinen.

Das Spiel von Hell und Dunkel ist auch ein wichtiger Bestandteil der Fotogramm-Serie der ANGELS. Sie zeigen sich zunehmend auflösende Lichtfiguren, die durch den Schatten eines Körpers – meist Conners eigenem – auf lichtempfindlichem Papier entstehen und thematisieren die Dematerialisierung sowohl des Kunstwerkes als auch des identifizierbaren Körpers per se. Als weisse Figur vor schwarzem Hintergrund erscheint auch Toni Basil im Film BREAKAWAY (1966). Nackt oder gekleidet in Outfits, die mit starken Kontrasten und wiederum mit Abstraktionen vom menschlichen Körper spielen, wird die Bewegung der Tänzerin von der Kamera mit wechselnden Nahaufnahmen und Totalen verfolgt. Durch die formalen Parameter wie Montagegeschwindigkeit, Beschleunigung und Verlangsamung der Bildfolge, die Bewegung Basils wie auch der Kamera und variierenden Überblendungen entsteht der Eindruck von Immaterialität und einem Tanz, befreit von einem identifizierbaren Körper.

Bruce Conners Filme stehen in engem Zusammenhang mit seinem übrigen Schaffen. Formale Strategien wie nicht-lineare Narrationsstränge, die Manipulation mit optischen Effekten, der Einsatz von Kontrasten wie Schwarz-Weiss, Hell-Dunkel und die Evokation von Bewegung sind seinen Arbeiten gemein.

Die Ausstellung präsentiert eine Auswahl filmischer Werke Conners, die neben BREAKAWAY auch CROSSROADS (1976), basierend auf den Dokumentarfilmaufnahmen von nuklearen Testversuchen auf dem Bikini-Atoll, und MARILYN TIMES FIVE (1968–1973), ein Softporno aus den 1940er Jahren, worin ein Monroe Look-Alike oben ohne zum Song I’m Through with Love mal mit einer Colaflasche, dann mit einem Apfel in der Hand mit der Kamera flirtet, umfasst. Zudem werden die ähnlich konzipierten und umgesetzten Filme TAKE THE 5:10 TO DREAMLAND (1977) und VALSE TRISTE (1979) präsentiert, die beide, in leichtes Sepia getaucht, den Betrachter in eine Traumwelt entführen. Conner selbst sah seine Filme als „Erweiterungen der Musik“ und realisierte für dem Punk nahe stehende Gruppen wie Devo oder das experimentelle Art-Funk-Projekt My Life in the Bush of Ghosts von Brian Eno und David Byrne Musikclips, die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind.

Die Ausstellung «Bruce Conner» in der Kunsthalle Zürich entstand in Kooperation mit der Kunsthalle Wien, wo die von Barbara Steffen und Gerald Matt kuratierte Ausstellung «Bruce Conner. Die 70er Jahre» von 8. Oktober 2010 bis 30. Januar 2011 zu sehen war, und mit der von Gerald Matt kuratierten Ausstellung «I AM BRUCE CONNER. I AM NOT BRUCE CONNER» in der Ursula Blickle Stiftung in Kraichtal. Die Ausstellung in der Kunsthalle Zürich wurde von Beatrix Ruf in Zusammenarbeit mit Rahel Blättler kuratiert. Die medienübergreifende Werkauswahl – es werden über 100 Arbeiten, darunter Zeichnungen, Gemälde in Öl und Acryl, Druckgrafik, Fotogramme und Fotografien sowie eine Auswahl seiner Filme präsentiert – beleuchtet die formal-ästhetischen Parallelen zwischen dem bildnerischen und dem filmischen Schaffen von Bruce Conner.

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To an alternately rousing and poignant soundtrack, Indians chase a stagecoach and a tightrope walker balances on a wire above a city—these images feature in the found footage masterpiece A MOVIE (1958), an assemblage of newsreel images and film clips that established the reputation of American artist Bruce Conner (1933–2008). Today, Conner is viewed as one of the pioneers of the music video. Based on his experimental films, he is also mentioned in the same breath as Stan Brakhage, Jack Smith, Jonas Mekas and Andy Warhol as part of the avant-garde of independent American filmmaking.

Diversity is the hallmark of Conner's work and it is also reflected in his multiple careers and manifold identities. Drawings, collages, sculptures, assemblages, paintings, prints, photographs and films are just as much a part of his oeuvre as his conceptual, ephemeral, destroyed and lost—"invisible"—works.

Conner explored topics like identity, biography and authorship with a critical and humorous touch, and constantly evaded artistic, personal and marketable categorisation: in 1967 he ran as a candidate for the Board of Supervisors in San Francisco (BRUCE CONNER FOR SUPERVISOR), he substituted a thumb print for the artist signature in a series of his works, he explored the question "Who is Bruce Conner?" by tracking down his namesakes throughout America, he planned a convention in 1964—for which, among other things, he designed and produced the I AM BRUCE CONNER and I AM NOT BRUCE CONNER badges—and even adopted the name of his friend, the actor Dennis Hopper, as a pseudonym (THE DENNIS HOPPER ONE MAN SHOW). He also had himself declared dead in the reference work Who was Who in America in 1973.

Having gained renown in the 1950s for his assemblages of nylon stockings, furniture components and other found objects, in the late 1960s Conner produced drawings and paintings, which were increasingly characterised by a narrative density and optical overloading that culminated in the emergence of a lyrical formal idiom in the 1970s.

Abstraction is expressed through symbols of the metaphysical and transcendental. Motifs that present possibilities for the representation of the numinous or unconscious are presented in his inkblot drawings, mandala-like forms, images composed of innumerable white dots on a black background, the series of black drawings with their characteristic style and the engraving collages.

The exhibition at the Kunsthalle Zürich presents a selection of Conner's film works which, in addition to BREAKAWAY, also include CROSSROADS (1976), a film based on the documentary film recordings of the nuclear tests in Bikini Atoll, and MARILYN TIMES FIVE (1968–1973), a soft porn film from the 1940s in which a topless Monroe look-alike alternately holding an apple and Coca-Cola bottle in her hand flirts with the camera to a soundtrack of the song I'm Through with Love. The show also includes the similarly conceived and realised films TAKE THE 5:10 TO DREAMLAND (1977) and VALSE TRISTE (1979), which lure the viewer into a sepia-steeped dream world. Conner saw his films as extensions of music and produced music clips for punk-style bands like Devo and for Brian Eno and David Byrne's experimental art-funk project My Life in the Bush of Ghosts, which can also be seen at the exhibition.

The Bruce Conner exhibition at the Kunsthalle Zürich was organised in collaboration with the Kunsthalle Wien where the show "Bruce Conner. The 1970s" was curated by Barbara Steffen and Gerald Matt and with Ursula Blickle Foundation where the show "I AM BRUCE CONNER. I AM NOT BRUCE CONNER" was curated by Gerald Matt. The exhibition at Kunsthalle Zürich is curated by Beatrix Ruf in collaboration with Rahel Blättler.

The selection of cross-media works presented – the exhibition includes over 100 works including drawings, oil and acrylic paintings, lithographs, photograms, photographs and a selection of Conner's films – illustrates the formal-aesthetic parallels between Bruce Conner's work as a visual artist and a filmmaker.

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Bruce Conner

Künstler:
Bruce Conner

Kuratoren:
Beatrix Ruf, Rahel Blättler

Ort:
Museum Bärengasse