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In der Tradition gegenstandsloser Kunst des 20. Jahrhunderts begibt sich der Künstler auf Gratwanderungen zwischen Greifbarkeit und Immaterialität, konkretem und imaginärem Bild und eröffnet so dem Betrachter inter- aktive Erfahrungen jenseits der digitalen Raster neuer Medien.

Parallel zum dreidimensionalen Werk entstanden von Anfang an Zeichnungen. Sie sind keine vorbereitenden Studien, wie bei Bildhauern üblich, sondern bilden eine selbständige Gattung. Die Ausstellung führt erstmals einen umfassenden Querschnitt aus drei Jahrzehnten vor Augen. Die frühe-sten Blätter, vorwiegend mit breitem Kohlestift gezeichnet, sind expressive Abbreviaturen des menschlichen Körpers. Ihre sperrige Expressivität verbindet sie mit den Zeichnungen vieler junger Künstler der achtziger Jahre. Was sie jedoch unver- wechselbar macht, ist die Transparenz ihrer Motive. Es ist, als seien die kraftvollen und nervösen Körperfragmente mit einem Röntgenblick erfasst.

Eine folgenreiche Wende löste 1989/90 der einjährige Aufenthalt in Rom als Stipendiat der Villa Massimo aus. Wider Erwarten beflügelte den Künstler das großzügige römische Atelier nicht zu neuen Skulpturen. Vielmehr beschränkte er sich, überwältigt von den Eindrücken der Ewigen Stadt, auf zumeist kleinformatige Graphitzeichnungen. Wie den Künstlern im neunzehnten Jahr- hundert, dienten ihm Bleistift und Papier dazu, das Gesehene zu verarbeiten. Anders als diesen ging es Camill Leberer jedoch nicht um einen Vorrat beobachteter Motive, die sich später in Stadtansichten umsetzen ließen. Als Künstler im Gefolge moderner Abstraktion erfasste er Gedächtnisbilder: Indem er allabendlich den Erinnerungen an Bauten, Plätze und Bäume nachspürte, galt sein Augenmerk ihrem Übergang vom Unbewussten in die Zone klarer Vorstellung. So sind seine zarten, sparsam aufs Blatt gesetzten Kürzel keine unmittelbaren Wiedergaben betrachteter Dinge, sondern schwebend auftauchender, vielschichtig überlagerter innerer Bilder. In solch steter Übung bildete sich allmählich ein Form- vokabular heraus, in dem Geometrie und organisches Kreisen, Raumbegrenzung und Bewegung im Raum ineinanderwirken. So klein die Formate dieser Blätter, der Stift verwandelt ihre Fläche in weite Räume.

Einen Sprung in der Entwicklung seines Zeichnens bedeuten Camill Leberers zum Teil großformatige Zeichnungen der letzten Jahre, die nun gleichrangig neben den Metallbildern stehen. Sie steigern die Raumhaltigkeit nicht nur durch das zumeist verwendete Transparentpapier, sondern mehr noch durch die Verbindung linearer und malerischer Zeichen. Wolkig gesprühte Farbschübe, vornehmlich blau und rot, treten nun in Widerstreit zu den geometrischen Elementen. So entstehen kraftvolle Raum- kürzel mit antithetischen Energien, in denen sich die Grundstrukturen des skulpturalen Werks widerspiegeln: Begrenzung und Öffnung, Konstruktion und Intuition. In solcher Verbindung statischer und dynamischer Faktoren löst sich Camill Leberer von Tabus der Moderne. Er nimmt sich sogar die Freiheit heraus, in seine Kompressionen innerer Bilder wieder gegenständliche Motive, Architektur- oder Pflanzenformen einzu- blenden.

Drei große Skulpturen ergänzen die Retro- spektive der Zeichnungen und fordern zum Vergleich des intimen und des öffentlichen Mediums im Werk Camill Leberers heraus. Begleitend zur Ausstellung entstand ein Film, in dem der Künstler Einblicke in seine Arbeitsweise gibt. Er ist während der Aus- stellung im Vorlegesaal zu sehen und als Edition mit Originalzeichnung im Museums- shop erhältlich.

Die Ausstellung wird anschließend vom 27. Februar bis 17. April 2005 in der Städtischen Galerie Villa Zanders in Bergisch Gladbach und vom 8. Juni bis 3. Oktober 2005 im Sprengel Museum Hannover gezeigt und wurde gemeinsam mit beiden Häusern vorbereitet. Es erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Siegmar Holsten, Norbert Nobis, Dorit Schäfer und Wolfgang Vomm sowie farbigen Abbildungen der meisten Blätter.

Pressetext

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Camill Leberer - Zeichnungen

Stationen:
27.11.04 - 30.1.05 Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
27.2.05 - 17.4.05 Städtische Galerie Villa Zanders, Bergisch Gladbach
8.6.05 - 3.10.05 Sprengel Museum, Hannover