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Carola Dertnig

Im Zentrum von Carola Dertnigs Denken, ihrer Forschung und künstlerischen Arbeit steht das Performative. Texte, Bilder, Live-Aktionen und Videos bilden dabei miteinander verschränkte performative Ebenen, in denen Dertnig vordergründig Bekanntes mit vernach-lässigten Rückseiten und Gegenentwürfen konfrontiert. Die Künstlerin ist zumeist selbst die Akteurin in ihren Arbeiten, vornehmlich in ihren Videos; zugleich untersucht und reflektiert sie performative Strategien aus den letzten Jahrzehnten, wobei kritisch-feministisch geprägte Blickweisen sowie ein explizites Interesse an der Politisierung von Gender zu den zentralen Aspekten ihrer Arbeit gehören. Die Ausstellung zeigt das breite Spektrum von Dertnigs künstlerischer Arbeit, die auch jeweils die Orte in den Mittelpunkt rückt, mit denen die Künstlerin verbunden ist.

Die Seefeld-Triologie ist dem Ort gewidmet, wo Dertnig in der kleinen Frühstückspension ihrer Großmutter teilweise ihre Kindheit verbracht hat. Dertnig untersucht in drei verschiede-nen Arbeiten jene Prozesse, die durch den Tourismus in Gang gesetzt und jeweils von widersprüchlichen kollektiven und privaten Utopien durchquert werden. Im Haus Jenewein geht es um ein 1932 von dem Architekten Siegfried Mazagg erbautes Haus, ein hervorragendes Beispiel für das Bauen der Moderne in alpinen Regionen, das allerdings vor einigen Jahren abgerissen wurde, um für ein Apartmenthaus im „Tiroler-Stil“ Platz zu machen. Dertnig versucht eine Rekonstruktion der Geschichte dieses Hauses und der Implikationen seiner Zerstörung.

Bei Playcastle thematisiert sie ein gescheitertes Tourismusprojekt und dessen Architektur. Das Playcastle imitiert eine mittelalterliche Burg, während seine hochmodernen unterirdischen Hallen mit seinen Erlebniswelten der Inszenierung aller möglichen Markenwaren hätten dienen sollen.

In der Arbeit Love-Age (ein Wortspiel mit lovage, dem englischen Wort für das Gewürz Liebstöckl), 1999 in New York entstanden, begegnen wir Dertnigs Großmutter, die als selbständige Unternehmerin mit ihrer Pension einen wichtigen Aspekt des Nachkriegs-tourismus repräsentierte. Dertnig verschränkt die von der Großmutter erzählten Träume von Liebesfantasien mit den Fiktionen der Fernsehsoaps, die die alte Dame im Alter begleiteten. Eine Fotoserie der seit den 1950er Jahren fast unveränderten Räume der ehemaligen Frühstückspension verknüpft das Vergangene mit dem Heute, um zugleich die Bruchstellen des Privaten wie auch des touristisch Öffentlichen zu markieren.

Die Arbeit ...but buildings can’talk... umfasst eine Serie von Zeichnungen, Fotos und Texten, die Dertnig im Sommer des Jahres 2001 machte. Die Gebäude, die sich hier „miteinander unterhalten“, sind die zeichnerisch personifizierten Türme des World Trade Center, ihr Thema ist das auf sie verübte Attentat von 1993. Dertnig hatte in einem der Zwillingstürme ein Atelier im 91. Stock, wodurch für sie ein besonderer Bezug zu dem Gebäude entstand. In einer Fotoserie hielt sie leer stehende Büros fest, die – teilweise devastiert – vom plötzlichen, wirtschaftlich bedingten Auszug ihrer Mieter zeugen. ...but buildings can’talk... ist ein ironisch-liebevoller Metatext über die Stadt New York; die Attentate von 9/11 rückten nicht nur die Stadt, sondern auch Dertnigs Arbeit in ein völlig neues Licht.

Im Video A room with a view in the financial district dokumentieren die mit der Foto-Taste der Videokamera aufgenommenen Bilder verlassene (dot.com-)Büros im World Trade Center. Diese klare, mit dem Format der Dokumentarfotografie spielende Bestandsaufnahme kombiniert Carola Dertnig mit einer Ich-Erzählung aus dem Off, in der Beobachtungen zu ökonomischen Strukturen und individuellen Lebensbedingungen, künstlerischer Produktion und Wirtschaftskraft, zu Überwachung und mobilen, verfügbaren Leerstellen in einer kreisenden Dynamik ineinander fließen. (Rike Frank)

Die Protagonistin Lora Sana der gleichnamigen Foto- und Videoarbeit, die Dertnig aus kommentierten Interviews ehemaliger Akteurinnen des Wiener Aktionismus entwickelt hat, transponiert bislang unpopulär gebliebene Aspekte kanonisierter Kunstgeschichte und die damit verbundene Identitätsbildung des Wiener Aktionismus. Dertnig verlässt die fiktional-dokumentarische Distanz gegenüber dieser Kunstrichtung und führt diese über in den gegenwärtigen Diskurs, indem sie die kaum beachteten weiblichen „Modelle“ der Aktionisten ins Zentrum setzt. Künstlerisch sieht das so aus, dass Dertnig auf Aktionsfotos Bildausschnitte überzeichnet und so eine andere Sichtweise auf die legendären Bilder ermöglicht. Die neue Arbeit wird zu einer Dokumentation einer weiteren Aktion, eines performativen Eingriffs.

In der anlässlich der Ausstellung erstmals vollständig gezeigten Video-Slapstickserie True Stories (1997 – 2003) kulminieren Dertnigs sensible Auffassungsgabe, ihre präzise Umsetzung und ihr Humor auf hervorragende Weise.

Im Februar 2006 erscheint die mit Stefanie Seibold erarbeitete Publikation Let’s twist again (Dea Verlag). Die Dokumentation berücksichtigt insbesondere jene Positionen von Perfor-mance in Wien seit 1960, die trotz ihrer Bedeutung für die Szene von der offiziellen Kunst-geschichtsschreibung weitgehend ignoriert wurden.

Carola Dertnig lebt und arbeitet in Wien.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog, der im Rahmen eines Vortrags präsentiert wird:

Vortrag und Katalogpräsentation Donnerstag, 9. März 2006, 19 Uhr Michael Zinganel Frühstückspension Dertnig – Performanzstrategien in alpinen Bühnenlandschaften Dr. Michael Zinganel arbeitet als Architekturtheoretiker, Kurator und Künstler in Graz und Wien; er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der technischen Universität Graz.

Katalog (dt. / engl.) Hg. Silvia Eiblmayr / Galerie im Taxispalais, Innsbruck Texte von Friedrich Tietjen, Michael Zinganel und Joachim Moroder, Interview von Johanna Schwanberg mit Anni Brus und Carola Dertnig

Hans Scheirl Hans im Taxi – Inneneier Begleitprogramm

Hans Scheirl ist Maler und Filmemacher. Seine überdimensionalen Bilder, direkt auf die Wand oder auf Leinwand gemalt, sind spielerische, bewusst auf regressive Formen reduzierte Kürzel für Sexualität, für die Grenzüberschreitung der Geschlechter, für Hermaphroditismus und körperliche Transformation. Eine Schlüsselfarbe für Scheirl ist braun, die er als Metapher für die Vermischung sieht, die aber auch das Ergebnis der Mischung der drei Primärfarben ist.

Scheirls immer auch witziger, auf Comics anspielender, neo-poppiger Einsatz von Farben und formalen Codes für Sexualität stellt zugleich einen performativen Akt dar, in dem er seine eigene Geschichte thematisiert. Geboren als Angela hatte er sich seit den frühen 1980er Jahren auch als Filmemacherin mit Themen von Sexualität und Gender beschäftigt.

1991 entstand der Film Rote Ohren fetzen durch Asche (Flaming Ears), zusammen mit Ursula Pürrer und Dietmar Schipek; für Dandy Dust (entstanden 1992–1998) zeichnet Scheirl alleine für Buch, Regie und Produktion verantwortlich. 1995 wendet sich Scheirl der Malerei zu; von 2001–2003 absolviert er ein Studium der Malerei am St. Martins College in London, wo er ab 1991 lebte.

In seiner Ausstellung „Hans im Taxi – Inneneier Begleitprogramm“ (im Kunstraum in Wien war der Titel „Hans im auto“), nimmt Scheirl direkt Bezug auf die Räume der Galerie im Taxispalais. Er transformiert die im Untergeschoß liegende glasüberdachte Halle der Galerie in einen malerischen Raum. Neben großen, gehängten Leinwänden bilden direkt an die Wände gemalte Formen den realen wie auch symbolischen Rahmenhintergrund für zahlreiche kleine Bilder. Mehrere gemalte Leinwände werden als konstruktive Elemente in den Raum gestellt und betonen zum einen die plastische Qualität seiner Malerei und zum anderen das performative Element; Scheirl schafft gleichsam ein Filmset für das Publikum.

In einem weiteren Raum, einem gewölbten Kellerraum der Galerie, malt Scheirl direkt auf die Wand, darüber hinaus zeigt er eine Serie von Zeichnungen.

Im Rahmen der Ausstellung werden in der Galerie und im Innsbrucker Kino Cinematograph Scheirls Filme gezeigt, die auf zahlreichen Festivals zu sehen waren und deren malereispezifische Qualitäten im Zusammenspiel mit den Bildern besonders augenscheinlich werden.

Hans Scheirl lebt und arbeitet zurzeit in Wien.

Filmprogramm im Cinematograph, Innsbruck Freitag, 17. März u. Sonntag, 19. März 2006 Dandy Dust, 1998, GB/A Regie, Buch, Schnitt, Performance: Hans Scheirl. 16mm, 94min Uhrzeit der Vorstellungen: siehe Kinoprogramm oder www.leokino.at „Dandy Dust“ ist ein Science Fiction Horror-Film, in dem sich ein hermaphroditischer Cyborg zu einem Kreuzzug gegen seine monsterhafte Familie aufmacht.

Vortrag und Filmvorführung in der Galerie im Taxispalais Samstag, 18. März 2006, 17–21 Uhr Hans Scheirl und Ursula Pürrer sprechen zu ihren gemeinsamen Filmen

Super-8 Kurzfilme 1984–1985: Gezacktes Rinnsal schleicht sich schamlos schenkelnässend an Das Schwarze Herz tropft – Bastelanleitung zu -rinnen Super-8-Girl Games u.a.

Rote Ohren fetzen durch Asche, 1991, A Regie: Ursula Pürrer, Dietmar Schipek, Hans Scheirl. 16mm, 84min Im Jahr 2700 treffen in einer zerstörten Großstadt namens „Asche“ drei extreme Figuren aufeinander: die pyromanische Volley, Nun, die Nonne, und die Comixzeichnerin Spy...

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Carola Dertnig / Hans Scheirl