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Auf den ersten Blick ist das, was hier (neu) eröffnet wird, ein Spielfeld von Gegensätzen: während Carolina Wolf (1974 in München) mehr eine Meisterin der Details und der kleinteiligen Serien ist, kennt man von Florian Balze (1969 in Augsburg) vor allem größere, quasi-architektonische Arbeiten. Bei genauerer Betrachtung aber offenbaren sich eher Parallelen als Differenzen.

Carolina Wolf arbeitet häufig in Serien, thematisch oder formal organisierten Reihen von Einzelstücken, deren jedes einzelne zwar ein genuines Unikat ist, mit großer Andacht zu den Kleinigkeiten und Einzelheiten durchaus hand-werklich hergestellt, die aber, im Zusammenspiel und gerade in ihrer irritierenden handwerklichen Präzision und Kohärenz, den Eindruck von industriellen Serienprodukten vermitteln. Wolfs Arbeiten lassen sich vielleicht verstehen als süffisante Kommentare auf die Panik vor der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks einerseits, und auf das Elend des real existierenden Fordismus andererseits.

Zur "Neueröffnung" zeigt Carolina Wolf als Kernstück eine neue Serie von ca. 150 Stempeln, übersichtlich aufgehängt in eigens dafür gebauten Stempelregalen und eingebettet in eine undurchsichtige, aber offensichtlich im Umbruch befindliche Bürosituation (offen bleibt, ob dem Umbruchszauber Anfang oder Auflösung innewohnt, Neueröffnung oder Schlußverkauf). Die Aufschriften der Stempel spannen einen eigentümlichen Rahmen auf zwischen dem Allgemeinen ("Eilt sehr!", "Postgut") und dem Persönlichen, Idiosynkratischen ("Strukturiert", "Kraut und Rüben", "Brauche Manager") – und reflektieren in ihrer Gesamtheit auch die Willkür und Inkommensurabilität vieler gewohnter Ordnungssysteme.

Daneben gibt es eine kleine Auswahl älterer Arbeiten sowie eine Edition von Gerade-eben-nicht-Multiples.

Auch Florian Balze spielt gerne mit Verwirrungen und mit den Ähnlichkeiten zwischen dem (zumindest scheinbar) zweckfrei Autonomen und dem schlicht Funktionalen. Etwa, indem er sich Formensprache, Materialität und Anmutung von Baudekorationen der Fünfziger und Sechziger Jahre - die sich oft auf hochkulturelle Avantgarden früherer Jahrzehnte bezogen - aneignet, und diese, mit einer Reihe von neuen Fragen aufgeladen, in den aktuellen Museums- und Galeriebetrieb ein- bzw. zurückspeist. Das geschieht durchaus auch mit einem ironisch-nostalgischen Augenzwinkern, einem Lächeln über die vergangenen Utopien und den naiven Optimismus jener Jahre, geht aber letztlich weit darüber hinaus. Balzes Wandarbeiten und Installationen bezeichnen und hinterfragen vielmehr beständig einige der Kunst überhaupt konstitutive Grenzen – zwischen Kunst und Dekoration etwa, zwischen Funktion und Ästhetik, zwischen dem Werk und seiner Umgebung, und letztlich auch jene zwischen dem Innen und dem Außen des Kunstsystems.

In der Galerie Royal zeigt Florian Balze zwei neue, großformatige Wandarbeiten/Reliefs, sowie eine Reihe von Fotoarbeiten, die ausgeblichene, zum Teil schon verfallene Außendekorationen an nüchternen Großbauten aus den Sechzigern zeigen – nur daß in diesem einen Fall, wo Balze tatsächlich einmal ganz direkt eine Archäologie des Bauschmucks zu unternehmen scheint, die Dekorationen – Balzes eigene Entwürfe – erst nachträglich und mit Hilfe des Computers auf die Gebäude gelangt sind.

Peter T. Lenhart 2005

Pressetext

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Carolina Wolf / Florian Balze: Neueröffnung