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Im Gegensatz zu Tatiana Trouvés Einzelausstellung Il Grande Ritratto im Space02, in der ein Zustand zum Stillstand gebrachter Zeit in Szene gesetzt wird, geht es in der Gruppenausstellung Catch Me! um das Phänomen der Geschwindigkeit als persönliche Erfahrung in ihrem Verhältnis zu einem konstruierten Bild und als Streben danach, das Leben in voller Blüte zu erfassen.

Geschwindigkeit als experimentelles Phänomen hat im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts zahllose Theoretiker/innen und Künstler/innen beschäftigt und wurde im Allgemeinen entweder in einem negativen Sinne übertrieben oder romantisch idealisiert, wie etwa in Jack Kerouacs „Unterwegs“, oder in Paul Virilios richtungsweisendem Essay „Rasender Stillstand“.

Geschwindigkeit war und ist eine Metapher für alles Neue und Angesagte, für Entwicklung als allgemeine Vorstellung und Triebfeder des Lebens selbst, sowie auch für verdichtete Situationen voller Energie, Kreativität und Tatendrang. Die für Catch Me! ausgewählten Arbeiten handeln von dieser Faszination, die Extremsituationen auf uns ausüben, vom Thrill der Beschleunigung und dem Hochgefühl, das Geschwindigkeit erzeugen kann, aber auch vom Einfangen der Kraft der Bewegung in der Zeit. Dass auf jede Form der Geschwindigkeit unweigerlich Verlangsamung folgt, ist etwas, das wir für gewöhnlich zu vergessen versuchen, wenn wir uns in der aufgekratzten Phase der Beschleunigung befinden, doch wenn auch sonst nichts, hat uns die Rezession zweifellos genau das gezeigt, indem sie uns mit den Bildern der schlichten Abstraktionen des Börsenindex konfrontiert hat.

Catch Me! wird sich also mit der Sehnsucht nach dem Warten, ja, mit einer Lust auf Geschwindigkeit befassen, die sich als das Verlangen deuten lässt, einen hochkonzentrierten Augenblick zu meistern. Geschwindigkeit und Beschleunigung gehen für gewöhnlich mit einer sehr männlichen Machtmetaphorik einher, die ans Sexuelle und Erotische grenzt, und versprechen somit eine aufregende, manchmal gar hellsichtige Erfahrung, wie sie vor hundert Jahren von den Futuristen so energisch formuliert wurde – als Marinetti verkündete, dass die Zeit der Passivität vorbei und „angriffslustige Bewegung” angesagt wäre, und „dass sich die Herrlichkeit der Welt um eine neue Schönheit bereichert hat: die Schönheit der Geschwindigkeit.“ 1909, als Marinetti diesen berühmten Satz verfasste und mit ihm alles Alte verdammte, waren Autos gerade mal schneller als das schnellste Tier, hatten gerade erst die ersten Flugzeuge abgehoben, aber es war noch kein Mensch zum Mond geflogen und hatte die verlangsamte zirkuläre Bewegung des kleinen blauen Balles in einem immensen, unendlichen und sich in permanenter Bewegung befindlichen Weltraum gesehen.

Und niemand hätte sich träumen lassen, dass wir sogar in die Tiefen des Protons vordringen und dort ein völlig neues – und in permanenter Bewegung befindliches – Universum vorfinden. Dementsprechend lässt sich die Sehnsucht, Geschwindigkeit einzufangen auch als Sehnsucht verstehen, das Phänomen als Metapher für das Leben selbst in seiner Struktur und Beschaffenheit aufzufassen und es im Zuge einer eingehenden UÅNberprüfung in seine Bestandteile zu zerlegen – sei das nun durch anachronistische Verlangsamung, Aufgliederung oder energische Extraktion einer Essenz.

Ausgehend von High-Speed Gardening von Ed Ruscha stellt die Ausstellung den Versuch der Inszenierung einer durchchoreografierten Schau dar, in der eine Gruppe von Künstlerinnen und Künstler Geschwindigkeit in ihren unterschiedlichsten Facetten zum Libretto ihrer Gestaltung des Space01 macht.

So wie etwa die Pariser Tanzexperimentalisten „Les Gents d’Uterpan“, die die Grenzen der Ausstellungsräume des Kunsthaus Graz erfassen, vermessen und zugleich auch die Möglichkeiten ihrer eigenen Körper ausloten. Zu sehen bei der Finissage am 24.04.2010. Mit: Daniel Hafner, Anri Sala, Roman Signer, Ed Ruscha, Lisi Raskin, Markus Wilfling, Les Gents d’Uterpan und anderen.

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Catch me!
Geschwindigkeit fassen

Künstler: Daniel Hafner, Anri Sala, Roman Signer, Ed Ruscha, Lisi Raskin, Markus Wilfling, Annie Vigier & Franck Apertet (les gens d´Uterpan ) ...