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Sexappeal, Erotik, persönliche Ausstrahlung und Phantasie kennzeichnen einen gelungenen Strip, vor allem auf gekonnte Andeutungen und raffinierte Verzögerungen baut diese Kunst und gibt dabei ein großes sinnliches Versprechen, das für den im Publikum verharrenden Zuschauer jedoch nicht eingelöst wird. Vielmehr wird über die Projektion exhibitionistischer Wünsche in der Auktion die Zahlungsbereitschaft der Kunden optimal ausgeschöpft, und der aktuelle Marktwert des Künstlers ermittelt:

In Christian Jankowskis Aktion Strip the Auctioneer passiert genau das, was der Titel beschreibt: bei einer Auktion von Christie’s entblättert sich der Auktionator Stück für Stück und versteigert fast alles, was er am Leibe trägt – Taschentuch, Krawatte, Jacket, Schuhe, Socken, Hemd und schließlich seinen Hammer. Zum Ersten: der Künstler erklärt die Auktion selbst zu seinem Kunstwerk. Zum Zweiten: das Publikum projiziert im Rausch der Auktion auratische Wünsche auf die zur Versteigerung stehenden Objekte. Und zum Dritten: die ersteigerten Objekte gehen als Kunstwerke in Sammlungen ein und werden in Ausstellungen präsentiert. Der Hammer des Auktionators saust zum letzten Mal in seiner Funktion nieder - TOCK

Strip the Auctioneer (2009) setzt die messerscharfe Analyse der Kunstliga und ihrer Spieler im Werk Christian Jankowskis konsequent fort: Mit dem Spielbankgewinn aus dem Spiel mit Sponsorengeld (1996), das er als Einsatz mit ins Casino nahm, sollte ein eleganter Auftritt des Sponsors auf dem Cover des Magazins Texte zur Kunst finanziert werden. Glück und Erlös blieben allerdings aus, so dass der Auftritt auf einen billigen Kartoffeldruck reduziert wird.

Die Installation Galerie der Gegenwart “2097“ (1997) thematisiert die einstudierten Floskeln bildungsbürgerlicher Kunstvermittlung. Gezeigt wird eine Führung des offenbar im Kindesalter befindlichen „Gründungsdirektors“ der Hamburger Galerie der Gegenwart durch die reinszenierte erste Ausstellung des Hauses. Dass diese Ausstellung bereits vor 100 Jahren stattfand und der Direktor seine Führung um ein Jahrhundert versetzt wiederholt, erklärt Jankowski mit einem Virus, „der seit Anfang des 21. Jahrhunderts zu einer permanenten Verjüngung aller Infizierten führt“. Beim Seminar – Selbstpositionierung im Kunstfeld (2002; 31’18’’), einer Videoschulung für angehende Künstler, werden dem künstlerischen Nachwuchs in überspitzt akademischer Doktrin Erfolgsstrategien und -rezepte nahegebracht.

Künstlern aus dem chinesischen Dafen, dem weltweit größten Kopistenzentrum, gab Christian Jankowski in seinem Projekt China Painters (2007) die Gelegenheit, das seit Jahren im Bestehen begriffene örtliche Kunstmuseum nach ihren Vorstellungen einzurichten und zu den Kuratoren der Sammlung zu werden: Auf zum Teil riesigen Leinwänden malten die Künstler Innenansichten vom Rohbau des Museums – die Fotografien als Ausgangspunkt dieser Innenansichten waren der von Jankowski selbst gelieferte Teil der Arbeit – mit den Werken, die ihrer Ansicht nach am dringendsten vertreten sein müssten.

Es entsteht eine ebenso heterogene wie kuriose Sammlung. In Kunstmarkt TV (2008; 45’15’’) implantiert Christian Jankowski auf Einladung der ART Cologne 2008 ein zeitgemäßes, aber im Bereich der Kunst bisher nicht gebräuchliches Verkaufsformat für Kunst: Teleshopping mit professionellen und bekannten Verkäufern.

Mit Strip the Auctioneer ist Christian Jankowski ein Coup gelungen, - sicherlich nicht zufällig zu der Zeit, nachdem erstmalig ein Künstler seine Werke selbstständig in eine Auktion gegeben hat und für seine Jahresproduktion 140 Millionen Euro von auserwählten geladenen Gästen erhielt. Ging es hier tatsächlich um die elitären Verteilungsstrategien des Marktes? Mit seiner manipulierten Feldforschung übernimmt Christian Jankowski die Rolle des „Künstler(s) als Soziologe in eigener Sache“1 und analysiert den Kunstbetrieb, von dem er nicht nur selbst ein aktiver Teil ist, sondern von dessen verlässlich funktionierenden Gesetzmäßigkeiten er überlebt, lebt und im Idealfall, bei steigender Erfolgskurve, sogar sehr gut lebt. So ist die innewohnende Kritik am beobachteten Apparat seinerseits zwar immer auch mit einem schmunzelnden Auge zu verstehen, entscheidend geht es ihm aber um die Kommunikationsprozesse, die seine Projekte in Gang setzen. Die Ergebnisse seiner Studien gehen unmittelbar zurück an das euphorische Publikum, selbstverständlich mit mehrstelliger Gewinnsteigerung – ist dies nun eine Bereicherung für alle oder am Ende doch ein Eigentor der Akteure?

Neun Objekte des Auktionators Arno Verkade, sein Taschentuch, seine Krawatte, sein Jacket, sein linker Schuh, sein rechter Schuh, sein linker Socken, sein rechter Socken, sein Hemd und schließlich sein Auktionshammer selbst, werden spätestens mit dieser, ihrer ersten Ausstellung zu Kunstwerken: hoch versichert, schonend transportiert, museal ausgestellt, fotographisch und kunstwissenschaftlich aufbereitet und dokumentiert in diesem vorliegenden Katalog. Damit ist der erste Schritt der Wertsteigerung, die durch die Auktion bereits vorgenommen wurde, bestätigt und weiter fortgeführt.

Die erste Einzelausstellung in einem Kunstverein ist für junge Künstler oft der Sprung in ihre professionelle Karriere, im Fall Jankowski ist es nicht der Künstler, der dieser Sprunghilfe bedarf, es sind vielmehr die Relikte jener vergangenen, zum Kunstwerk erklärten Auktion, denen jetzt durch dieses Gastspiel in den Ausstellungsräumen die Aura des Kunstwerkes verliehen wird. Spielen wir mit in diesem Spiel - und warten wir ab, ob auch wir unter seiner charmanten Steuerung unter den Hammer kommen.

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Christian Jankowski
Strip the Auctioneer
Kuratorinnen: Elke Gruhn, Katharina Klara Jung