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Fragil ist das Erscheinungsbild der Skulpturen von Christiane Löhr und ungewöhnlich ihre Beschaffenheit. Die Künstlerin findet ihr Arbeitsmaterial im Kreislauf der Natur. Samenstände, Kletten, Baumblüten oder auch Tierhaare - es sind die spezifischen Eigenschaften dieser eher unscheinbaren Elemente die sie interessieren und nach deren Vorgaben sie ihre Kunstwerke entwickelt. Diese Arbeitsweise setzt eine besondere Wahrnehmungsfähigkeit, vor allem aber ein sorgfältiges Beobachten der biologischen und physikalischen Zusammenhänge in der Natur voraus. Durch die Jahreszeiten verändert sich die Vegetation und bietet immer wieder andere Pflanzenteile zur Verarbeitung an. Tierhaar kann lang oder kurz, fein oder kräftig, büschelweise Überrest eines Winterfells oder aus einem Schweif vereinzelt sein. Ebenso vielfältig sind die Verwendungsmöglichkeiten. Die jeweilige Qualität des Materials, seine natürliche Eigenschaft führt Christiane Löhr während ihrer experimentellen Auseinandersetzung damit zur Formfindung. Die Form definiert sich durch das miteinander in Verbindung setzen der von ihr ausgewählten Grundelemente. Efeusamen erweisen sich als stabile Baueinheiten einer kleinen Pyramidenkonstruktion. Eine Vielzahl zarter Löwenzahnsamen lässt sich zu einem üppigen Volumen verdichten. Kletten verhaken sich mit weichem Haarflies zu einem kompakten Kissenformat.

Die Künstlerin sucht und sammelt im eigenen Lebensraum bzw. im Umfeld des jeweiligen Ausstellungsortes. Indem sie das organische Material aus dem Landschaftsraum herausnimmt und es im Arbeitsprozess in eine künstliche Anordnung fügt, negiert sie die inhaltliche Bedeutungsebene 'Natur'. Dem Betrachter begegnen filigrane Vernetzungen, geheimnisvolle Architekturen oder auch funktional anmutende Formen. Selten genug sind ihm die Grundmaterialien vertraut, dennoch versucht er ihre Verwandlung im Geiste nachzuvollziehen. Darin liegt ein Teil der Faszination dieser Wunderwerke. Ebenso faszinierend ist es zu erleben, wie sich die Skulpturen trotz ihres relativ geringen Formats gegenüber der Dimension des Raumes behaupten und im Miteinander der Gesamtorganisation ein Wechselspiel der Perspektiven auslösen.

Neben den skulpturalen Arbeiten entsteht ein zeichnerisches Werk von eigenartiger, spröder Schönheit. In Arnsberg werden großformatige Ölpastellzeichnungen zu sehen sein, die im Schwarz-Weiß der linearen Darstellungen den Kreuz- und Knotenpunkten des Wachstums nachzuspüren scheinen.

1965 geb. in Wiesbaden, Meisterschülerin bei Jannis Kounellis, Kunstakademie Düsseldorf; Preis Stiftung Vordemberge-Gildewart; Stipendium Cité Internationale des Arts, Paris; Graduiertenstipendium DAAD für Indien; Kahnweiler- Preis; Warhol-Stipendium Headlands Center for The Arts, San Francisco. Ausst. u.a. 1997 Das Übergewicht des Kleinen, Mittelrhein-Museum Koblenz (E,K), 1998 Eingemacht Frauenmuseum, Bonn (K), 1999 Forum Kunst Rottweil (E), 2000 artothek, Köln (E), 2001 Platea dell'Umanità, 49. Biennale di Venezia (K), 2002 Kunstverein Münsterland, Coesfeld (E,K); Basics, Kunsthalle Bern (K), 2003 Wie die Dinge den Raum berühren, Kunstmuseum Bonn (E,K); Nassauischer Kunstverein Wiesbaden (E,K); Locus+ Hancock Museum, Newcastle upon Tyne (E); Salone Villa Romana, Florenz (E); Il racconto del filo, MART Rovereto (K), 2004 Settlements Musée d’Art Moderne de Saint-Etienne. Lebt in Köln und Prato.

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Christiane Löhr
Kuratorin: Dagmar Behr