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Eröffnung des Projektraums im Foyer der Temporären Kunsthalle Berlin 20. Februar 2009, 18 – 21 Uhr

Mit der Einzelausstellung „Dissonanzproduktion“ von Christine Würmell eröffnet die Temporäre Kunsthalle Berlin ihren neuen Projektraum im Foyer. Diese steht am Anfang einer Reihe rasch wechselnder Projekte, die neben den langfristig geplanten Ausstellungen im Hauptraum Einblicke in das breit gefächerte Spektrum der Berliner Kunstlandschaft bieten.

Als erste Künstlerin, die im Projektraum ausstellt, steht Christine Würmell vor der Herausforderung, das ehemalige Foyer in einen Ausstellungsraum umzufunktionieren, der kunstbetrieblichen Konventionen entspricht. Dazu bombardiert sie den bislang in einheitlichem Dunkelgrau gehaltenen Raum mit weißer Farbe und verwandelt ihn so mit einer aktivistischen Geste in eine – allerdings brüchige – White-Cube-Architektur. Denn an den zufälligen Stellen in der Mitte des Raumes, die nicht von der Farbe getroffen wurden, scheint die vormalige funktionale Identität des Ortes immer noch durch, wird die Geschichte des Ortes lesbar.

Im so aufgeladenen mehrschichtigen Raum installiert die Künstlerin drei Fotoarbeiten. Der zweiteiligen Arbeit „Futures“ (2008) sowie „2005-2050“ (2009) liegen Malereien zu Grunde, auf deren unmittelbare Präsentation Würmell bewusst verzichtet. In beiden Fällen eignete sie sich prognostische Kurvendiagramme zur Erderwärmung an, um sie in abstrakte Malerei zu verwandeln. Bei der Produktion der Vorlage von „Futures“ verwendete Würmell Sprühfarbe, die außerhalb der Leinwand ein ‚Rest-Bild’ auf dem Untergrund erzeugte, dem sie im fotografischen Abbild die Indexangaben des ursprünglich kopierten Diagramms wieder hinzufügt. Bei „2005-2050“ sprüht Würmell zum Teil auf die Wand, zum Teil auf das Abbild des Aquarellgemäldes die Angaben „mit“ und „ohne Klimapolitik“, um die Aussage des für 2050 maximalen und minimalen prognostizierten Verbrauchswert an CO2 polemisch zu reduzieren. Auch bei der dritten Fotoarbeit „California Leadership Ending Global Warming” (2009) verfolgt Würmell die emblematische Strategie einer Änderung der Bildaussage durch dessen textliche Manipulation. Der grob aufgelöste Abzug eines Internetbildes, auf dem der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger den Global Warming Solutions Act (2006) unterzeichnet, ist mit dem angeeigneten Graffito „Alle Autos in die Antarktis“ übersprüht.

Mit „Dissonanzproduktion“ liefert Christine Würmell eine Ausstellung, in der sie komplexe Zusammenhänge, unterschiedliche Ideenebenen und Aussagen auf vereinfachte Weise verbindet – in dem Bewusstsein, dass sie die Interpretation der ursprünglichen Quellen verschiebt. „Solche bewussten Fehlinterpretationen von Indizien und Verdrehungen zeitlicher Informationen bilden die Krux von Würmells Werk. Durch Verschmelzung überlappender Systeme und falsch verknüpfter Informationen unterstreicht sie die Biegsamkeit der Interpretation und die Multivalenz von Bedeutungen, die fruchtbare Kluft zwischen Plan und Ereignis, Intention und Effekt.“ (Kirsty Bell)

Christine Würmell, geboren 1972 in Frankfurt am Main, lebt seit 1992 in Berlin, wo sie 1998 ihr Kunststudium an der Hochschule der Künste als Meisterschülerin von Georg Baselitz abschloss. Nach ihrem Master of Fine Arts am California Institute of the Arts, Los Angeles, folgten Teilnahmen an Gruppenausstellungen im In- und Ausland, u.a. bei der 4. Berlin Biennale (2006), bei Camera Austria im Kunsthaus Graz (2006), im CCA Wattis Institute for Contemporary Arts, San Francisco (2007), im Neuen Berliner Kunstverein (2007) und bei der 3. Prag Biennale (2007). Aktuell sind Arbeiten von ihr in der Ausstellung „Moralische Fantasien“ im Museum Morsbroich, Leverkusen, zu sehen. „Dissonanzproduktion“ ist ihre erste institutionelle Einzelausstellung.

Zur Ausstellung erscheint eine signierte Künstlerkarte (Auflage 200).

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Christine Würmell “Dissonanzproduktion”
Projektraum im Foyer der Temporären Kunsthalle Berlin