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Christoph Girardet arbeitet überwiegend mit Fremdmaterial, Found Footage, meist aus Spielfilmen der fünfziger und sechziger Jahre. Es dient ihm als Fundus für eine Bildrecherche, bei der Szenen zunächst zerlegt und dekonstruiert werden, um sie dann in einer Weise neu zusammenzusetzen, die die eigentlichen Strukturen und die innere Mechanik des Gezeigten deutlich macht. So entsteht über die Analyse des Materials eine eigene Bildwelt, die sich auch in der Werkgruppe kleinformatiger Filmstills entfaltet, denen diese Ausstellung gewidmet ist.

Die Prints basieren sowohl auf zufällig gefundenen, als auch auf recherchierten und zu Standbildern isolierten Filmkadern. Girardet kombiniert unterschiedliche Motive zu Reihen, die über formale Details in den einzelnen Bildern eine neue, filmartige Erzählung ergeben, oftmals weisen sie aber auch darüber hinaus. So zeigt die Serie „TV – Red, Yellow, Blue“ (2009) drei verschiedene Monitore mit grafischen Störbildern in rot, gelb und blau, die schon im originalen Film mit simplen Masken erzeugt wurden. Girardets Titel spielt auf Barnett Newmans legendäres Gemälde an: „Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue“, das ebenfalls mit der Wirkung monochromer Flächen und Streifen in Primärfarben arbeitet.

Andere Serien sind das Ergebnis langwieriger Suche. "Seven Strokes" (2008) zeigt sieben Bilder aus sieben verschiedenen Spielfilmen, die jeweils einen nahezu identischen artifiziellen Gewitterblitz zeigen. Das wiederholt recycelte Motiv verweist auf den seriellen Charakter des industriellen Kinos, das manchmal seine Bilder aus den eigenen Archiven generiert.

In den "Seascapes" (ab 2012) versieht Girardet scheinbar nicht zu verortende Bilder von leeren Meereshorizonten mit Koordinatenangaben, die einen Hinweis auf die Filme geben, denen diese Bilder entstammen. Die spekulativen Positionsbestimmungen markieren fiktionalisierte historische, aber auch fiktive Ereignisse der jeweiligen Filmhandlung.

Ergänzend werden frühe Objekte Girardets präsentiert, die die Wahrnehmung und Erwartung des Betrachters umkreisen, Beispielsweise in "Talking to Delilah" (1998): zwei Text-LEDs zeigen einen in die Abfolge seiner Buchstaben zerlegten Dialog zwischen Samson und Delilah aus dem gleichnamigen Film (1949). Das schwer Entzifferbare der übertragenen Sprache verhält sich analog zur Befindlichkeit des Protagonisten: "Delilah! Delilah! When my eyes could see, I was blind!"

Christoph Girardet (*1966 in Langenhagen) studierte bis 1994 in der Filmklasse der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Seit 1989 produziert er Videos, Videoinstallationen und Filme, seit 1994 teilweise in Zusammenarbeit mit Volker Schreiner und seit 1999 regelmäßig auch in Zusammenarbeit mit Matthias Müller. 2000 erhielt Girardet ein Stipendium für das International Studio and Curatorial Program in New York und 2004 das Villa Massimo Stipendium in Rom. Seine Arbeiten wurden in Ausstellungen und auf Filmfestivals weltweit gezeigt und vielfach ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Hannover.

Jüngste Einzelausstellungen: Sprengel Museum Hannover; Kunstverein Hildesheim; Bê Cúbico, Recife (mit Matthias Müller); Distrito 4, Madrid (mit Matthias Müller). Jüngste Gruppenausstellungen: National Centre for Contemporary Arts, Moskau; Eye Filminstitute Netherlands, Amsterdam; CaixaForum Barcelona; Coreana Museum of Art, Seoul.

Aktuell nimmt Girardet an folgenden Gruppenausstellungen in Deutschland teil: bis hier... 50 Jahre Kunstverein Bochum, Kunstmuseum Bochum (bis 20. Januar 2013), Points of View, Roemer- und Pelizaeus Museum Hildesheim (bis 27. Januar 2013), Big Picture III (Szenen, Figuren), K21 Ständehaus, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf (bis 27. März 2013)

Girardets "The Eternal Lesson" (2012) wird im Filmprogramm der Transmediale (30. Januar -03. Februar 2013) im Haus der Kulturen der Welt gezeigt.