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Eröffnung: 7. März, 19 Uhr

Nach der Beteiligung an zahlreichen bedeutenden internationalen Gruppenausstellungen (u.a. „Made in Germany“, Hannover, 2007; „Say it isn’t so. Naturwissenschaften im Visier der Kunst”, Museum Weserburg, Bremen, 2007; “Again for Tomorrow”, Royal College of Arts, London, 2006, oder aktuell “All Inclusive. Die Welt des Tourismus“, Schirn Kunsthalle Frankfurt), ist die Braunschweiger Ausstellung die erste – längst überfällige – institutionelle Einzelpräsentation des bereits mehrfach prämierten Künstlers Christoph Keller. Christoph Keller [geb. 1967] bewegt sich in seiner Arbeit an den Schnittstellen von Kunst und Wissenschaft. In einer Art Archäologie der Wissenschaft interessiert sich Keller in Werken wie „Encyclopedia Cinematographica“ oder „Archives as Objects as Monuments“ für das Archiv und das utopische wie zwanghafte Verlangen der Wissenschaft nach dem systematischen, vermeintlich objektiven Erfassen und Ordnen von Material und Erkenntnis.

Die Serie der „Inverse Observatories“ besteht aus einer Sammlung von vorgefundenen Fotografien von Observatorien, die Keller invertiert, das heißt als Negativ, präsentiert. Es sind auratisch anmutende Monumente – Kathedralen der Wissenschaft – , denn sie trachten wie diese nach einer Verbindung von Himmel und Erde. In ihrer Inversion stehen sie bei Keller jedoch gleichzeitig auch für eine Umkehrung des Blicks – der statt nach außen, nach innen gerichtet ist: Das Sehende wird zum Objekt der Observation. Der Ausstellungstitel „Observatorium“ bezeichnet daher nicht nur die gleichnamige Werkserie, sondern beschreibt auch Kellers künstlerisches Vorgehen an sich. Denn letztlich geht es in Kellers Arbeiten weniger um die wissenschaftliche Erkenntnis selbst, als um die dahinter stehende Motivation. Das Begehren der Wissenschaft, ihre Utopien und spezifischen Ziele geben Aufschluss darüber, was eine Gesellschaft umtreibt. Gleichzeitig verweist der Titel im Bezug auf Robert Morris bekanntes, in den 1970er Jahren in den Niederlanden realisiertes „Observatorium“, auch auf die Bezüge, die Kellers Werk zur Land Art aufweist. Als eine Art Land Art des urbanen Raums sind seine Arbeiten vielfach Eingriffe im Stadtraum, so beispielsweise die für Braunschweig rekonstruierte Arbeit „Cloudbuster“, einem technoiden „Wolkenfänger“ und „Regenmacher“, der auf – wissenschaftlich weder belegten noch widerlegten – Orgon-Theorien Wilhelm Reichs zurückgeht, die heute im Rahmen verschiedener Verschwörungstheorien um die so genannten „Weather Wars“, die wettermanipulierende Kriegsführung, auf erneutes Interesse stoßen.

Überhaupt interessiert sich Keller in Arbeiten wie „Hypnosis-film Project“, „American Embassies“ oder „Chemtrails-Project“ zunehmend für grenzwissenschaftliche Phänomene wie Hypnose und Verschwörungstheorien, die als „Wissenschaftskonstrukte“ gleichermaßen Ausdruck eines bestimmten gesellschaftlichen Bewusstseins sind. Ganz gleich, ob wahr oder frei erfunden: Ihre Existenz allein ist Sinnbild einer globalen Verunsicherung und der menschlichen Sehnsucht nach Erklärung, Sinn oder Transzendenz und – im Falle der Conspirancy Theories – der Suche nach „höheren“ Zusammenhängen, seien sie auch weniger wirtschaftlicher oder militärischer Art: Die Arbeit „Chemtrails-Project“ beispielsweise dokumentiert den bizarren, im Internet kursierenden Diskurs um Flugzeugkondensstreifen. Die Anhänger dieser Theorie glauben, dass gefährliche Chemikalien und geheime Klima-Experimente zu einer Veränderung der charakteristischen Kondensstreifen am Himmel geführt hätten. Ob Hypnose, Trance oder Verschwörungstheorien, sie können als Indiz einer geradezu gegenaufklärerischen Tendenz gelten, die unsere Gesellschaft derzeit zu erfassen scheint.

Zur Ausstellung erscheint im Verlag der Buchhandlung Walther König ein umfangreicher Katalog (dt./engl.). Textbeiträge und Interviews u.a. von Stefan Heidenreich, Hans-Ulrich Obrist, Anselm Franke, Sharon Ben- Joseph, Christoph Keller und Hilke Wagner.

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Christoph Keller
OBSERVATORIUM
Kuratiert von Hilke Wagner
Ort: Haus Salve Hospes