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die ausstellung hätte auch kein nein oder kein ewiges nein heißen können. und könnte lauten, ja zur farbe ja zum licht ja zur entstehung. ja zum wollen, ja zum wählen ja zur perspektive ja zur illusion ja zur unschärfe ja zur schärfe ja zur schönheit ja zur stofflichkeit ja zu den schatten ja zur tiefe ja zu den mitteln der malerei. lässig, nicht fahrlässig, leicht, nicht schwer, nein zum nein. jaaaaaaa zur malerei! Christoph Schellberg

Ja zur Geschichte der modernen Malerei!, möchte man ergänzen. Denn beim ersten Blick auf die neuen Bilder von Christoph Schellberg kommen einem Kandinsky, Mondrian, Malewitsch, Magritte, Rothko, Newman, Polke, Richter, Kippenberger in den Sinn, mindestens. Die einen wegen der Motive und deren Platzierung, auch wegen ihrer Komik, die anderen wegen des Bildraums und der durch Malerei erzeugten metaphysischen Effekte. Diese erlauchte Ahnenreihe bildet, malerisch gesprochen, den Hintergrund, vor dem sich diese informierte Malerei entfaltet und ihr Spiel treibt.

Zwischen Geschichte und Spiel scheinen die Bilder eifrig hin- und herzuspringen wie Fußballspieler beim Kopf- balltraining. Nehmen wir „Grünes Bild, vier Rauten, Schatten und ein X mit Schatten“. Dessen ganze Anlage erinnert an ein Spielfeld, ähnlich den Fußballfeldern, die Schellberg vor einigen Jahren gemalt hat. Erkennen lassen sich grüner Rasen, Mittellinie, vier Spieler auf der einen Seite und auf der andern eine Kreuz-Markierung, vielleicht eine Einteilung von Spielfeldern. Das Stadiondach bedeckt die Zuschauertribüne, bietet Schutz vor der Witterung und beschattet die Fans, während die Spieler dem von allen Seiten auf sie einströmenden Flutlicht ausgesetzt sind. Die Spieler oder Spieler-Marken scheinen in Bewegung, schwebend, ungreifbar. Es ist ein geheimnisvolles Match, dessen Regeln wir nicht kennen und das wir aus der Vogelperspektive beobachten. Das ist das eine, das buchstäbliche Spiel, ja zur illusion.

Das andere ist das Spiel mit den – ja zur stofflichkeit – ganz konkreten Elementen aus der Malereigeschichte: Die perspektivisch verkürzten Vierecke erinnern an suprematistische Kompositionen, etwa von Kasimir Malewitsch, das Kreuz nimmt vielleicht die ausgeixten Marilyn-Fotos von Richard Hamilton, das X von Wade Guytons „X Sculpture“ oder das Andreaskreuz von François Morellets „Croix“ auf (sogar samt den Schatten, die diese beiden Plastiken werfen), die ganze Struktur des Bildes hat etwas von einer der ruhigen Konstruktionen Friedrich Vordemberge-Gildewarts und der Bildgrund könnte eine tiefe Farbfeldmalerei von Mark Rothko sein. Was zuvor wie ein Stadiondach erschienen war, erscheint nun als ein treppenartig abgestufter Bildrahmen. Die einzelnen Elemente stellen also eine Verbindung mit der Geschichte her und über- führen sie zugleich ins Spielerische: lässig, nicht fahrlässig, leicht, nicht schwer.

Wie viele seiner Vorgänger arbeitet auch Schellberg in Serien. Die einzelnen Elemente werden immer neu kombiniert. Dabei sind Schatten und Unschärfen als ebenso eigenständige Elemente zu begreifen wie die geometrischen Formen. Trocken wie die Titel der Bilder, aber nicht ohne Augenzwinkern, setzt Schellberg seine Elemente immer wieder neu zusammen, isoliert und kombiniert, vergrößert und verkleinert, dreht und wendet die Formen, Stäbe, Ränder. Spielerisch, neugierig und ohne Angst vor Regelverstößen. Das entfernt an Sigmar Polkes Gemälde „Moderne Kunst“ erinnernde „Blaue Bild. Rotes Dreieck, gelbes Quadrat, schwarzer Kreis, Ei“ verstößt gegen so ziemlich alle ungeschriebenen Regeln der ernsthaften Malerei: die Formen werden nicht dynamisch komponiert, sondern in der Mitte der Fläche platziert, die Schatten wirken unmotiviert, die geometrischen Muster des Konstruktivismus werden von einem gewöhnlichen Ei verhöhnt, und schließlich setzt der Maler irritierenderweise Primärfarben auf eine türkisfarbene Fläche. Es ist kein abstraktes Bild, sondern ein Witz auf ein abstraktes Bild. Oder vielmehr das Bild eines Witzes von einem Bild. Denn die Vorlage findet sich in einem Kinderbuch, in dem ein solches Bild über einem Sofa hängt. Schellberg, für den es in dieser Serie kein nein geben soll, begeht diese Regelverstöße bewusst, so, als wollte er sagen: „Auch das, was es nicht geben soll und nicht geben darf, gibt es.“ Noch die Parodie auf ein Kunstwerk ist nämlich ein Kunstwerk. Der Kunst lässt sich so wenig entgehen wie dem ja. Deshalb sagt diese Schau einfach und geradeheraus yes; sie sagt ja zur farbe ja zum licht ja zur entstehung.

Das ist alles andere als eine kecke Pose. Es ist auch nicht so ironisch, wie es erst den Anschein hat. Schellbergs ja bezeugt nicht nur fröhliche Zustimmung, sondern auch eine Abgrenzung, denn er grenzt sich, vielleicht gar nicht absichtlich oder polemisch, aber doch – ja zum wählen – mit seinen künstlerischen Grundentscheidungen von einer düsteren, schweren Malerei ab. Vielleicht sogar von den eigenen dunklen Porträt-Gemälden, die der Punk-Ästhetik, bekanntlich eine der Neinsager, verschrieben waren. nein zum nein.

Das heißt nicht unbedingt, dass es mit diesen Bildern endgültig vorbei wäre und er die mit ihnen verbundenen Attitüden auf einmal verachten würde. Es heißt aber, dass er gern am Ball bleibt, mitspielt, weiterspielt. Und es heißt außerdem, dass sich die nein-Sager gründlich irren, wenn sie glauben, ihr nein sei ein besonders verwegenes und konsequentes Wort. Das ist es bestimmt nicht. Wie nichts ist nein sogar ein Wort, das niemand sagen kann, ohne sich damit selbst zu widersprechen. Wer nämlich nein sagt, hat doch jedenfalls etwas gesagt, er hat, bei aller Entschlossenheit zum Negativen, etwas Positives in die Welt gesetzt, immerhin ein Wort, einen Laut, eine Geste, ein Bild. Wer nein sagt, hat also immer auch ja gesagt und sei es bloß ja zum nein. Egal, was wir tun, egal, was wir hervorbringen, egal, was wir sagen, sagen wir immer auch ja, mit jedem Atemzug, bis zum letzten Keucher, einfach, weil wir da sind, einfach, weil wir morgens aufstehen, einfach, weil wir atmen. Noch die Hand, die zum Strick greift, sagt ja zum Strick. Das könnte uns verdrießen. Das können wir aber auch sportlich nehmen. Wir können etwas daraus machen. Wir können nach vorn stürmen. ja zum wollen, ja zum wählen.

Dass es zum ja gar keine echte, jedenfalls keine praktische Alternative gibt, erleichtert allerdings weder das Leben noch das Malen. Eine Absichtserklärung macht noch kein gutes Bild und ein emphatisches jaaaaaaa zur malerei! noch keinen Meister. Und Meisterschaft scheint doch eines der Ziele dieser Gemälde zu sein, ein ja zur farbe perspektive illusion unschärfe schärfe schönheit stofflichkeit tiefe wird nicht nur proklamiert, sondern geradezu zelebriert. Wenn Hintergründe, Schatten und Unschärfen aus unzähligen, fein lasierten Farbschichten zusammengesetzt sind, wenn Untergründe am Rand sichtbar werden und der Schatten eines Stabes aus einem gezielt abgestimmten Farbspektrum entsteht, fühlt man sich an die Opulenz eines Ad Reinhardt oder eines Brice Marden erinnert, ohne dass Schellberg einen von beiden imitierte oder auch nur zitierte. Er sagt nicht ja zu den Alten, sondern ja zu den mitteln der malerei.

Hier geht es also nicht um irgendein großes Vorbild, sondern vielmehr darum, wie die dem Maler zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt werden. Die Mittel sind es, die Schellberg für die eigene Malerei adaptiert, in jeweils ganz eigenständigen Kompositionen, Farben und Materialien. Rothko, Newman, Malewitsch etc. liegen unter der Oberfläche dieser Bilder wie versunkene Schiffe unter den Wellen des Meeres. Unser Echolot ortet sie. Für den Betrachter bringt das den seltsamen Doppelsinn der Wiedererkennung und der Neuentdeckung, des Verborgenen und des Bergens mit sich, ein Effekt, der auch bewirkt, dass die Zeit dieser Bilder nicht mehr klar anzugeben ist. Wir befinden uns gleichzeitig in der Geschichte der Malerei und im Hier und Jetzt des konkreten Bildes.

Und wenn wir uns die sorgfältige Ausführung der Gemälde vor Augen führen, lässt sich eine weitere Zeitebene einziehen. Nämlich die der Entstehung der Gemälde selbst: Schichten an den Rändern oder unter der Oberfläche durchscheinende Kompositionen verweisen auf die Zeit, die es braucht, diese feinen Nuancen zu gewinnen. Auch deshalb ist auf Bildern wie „Dunkles Bild mit zwei Pinnen und Schatten“ eine ursprüngliche und dann verworfene Anlage mit vier Dreiecken und einem Kreuz sichtbar geblieben. ja zur entstehung.

Schellberg, der in einem und demselben Bild einen virtuosen Hintergrund und die „moderne Kunst mit Ei“ malt, bejaht also die klassische, altmeisterliche Malerei und zugleich all jene, die sie vom Thron gestürzt haben. Er stellt sich, wenn man so will, gleichzeitig in die Tradition eines Sigmar Polke und eines Mark Rothko, eines Martin Kippenberger und eines Kasimir Malewitsch und verbindet so scheinbar nicht miteinander zu vereinbarende Ästhetiken. Deshalb wirken seine Bilder einerseits sehr vertraut und andererseits sehr fremd. Vertraut mit ihnen sind wir, weil sie eine uns alten Museumsgängern und Kunstbuchlesern wohlbekannte Geschichte in sich tragen. Fremd werden sie in der Art, wie sie sich diese verstreute Geschichte spielerisch und gegen alle Spielregeln aneignen. Schellberg spielt sein eigenes Spiel. Zwar können wir seine Kompositionen theoretisch in ihre Einzelteile zerlegen, können ihre Doppeldeutigkeiten klar benennen, aber als tatsächlich vor uns hängende Bilder bleiben sie komplex, unaufgelöst, in einer Balance zwischen Spiel und Ernst. In ihnen drückt sich jenes alte Gesetz von Leben und Kunst aus, das besagt, dass alles, selbst noch die wütende Ver-werfung und die entschlossene Durchstreichung, selbst der Wandel und die Ambivalenz, erst recht die Ironie und die Anspielung, überhaupt alles, was sich uns darbietet, auch Dasein besitzt und so immerzu sein weder wegzudenkendes noch wegzudisputierendes ja sagt.

Julia Friedrich

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