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« Manche sind miteinander verbunden durch in der Dicke der Wand angelegte Tunnel. » (Samuel Beckett, Der Verwaiser, Suhrkamp Verlag Frankfurt, deutsche Erstauflage 1972)

Für ihre erste Einzelausstellung in der Galerie Laura Mars Grp. ist die Einladungskarte von Claude Horstmann bereits charakteristisch in der Art und Weise, in der sie das Hieratische des graphischen Zeichens um die kombinatorischen Qualitäten eines Textes ergänzt. Die Rückseite benennt den Titel der Ausstellung, Permanent Signal, der auf einen Gebrauch hinweist (Zeitraum, Ort und Dauer) während die Vorderseite eine Zeichnung wiedergibt, die aus einem Satz besteht: All the rooms in this house are in one room.

Umfasst der Titel mit seinem programmatischen Tenor alle künstlerischen Arbeiten der Ausstellung (er ist zudem in drei Sprachen verständlich), ist die Zeichnung und ihre Herkunft unbekannt. Es handelt sich um ein Zitat, das dem Film The Scarecrow von Buster Keaton entnommen ist, ein von der Künstlerin sehr geschätzter Filmemacher (der Stummfilmära, Anm. der Übersetzerin). Auf Anhieb verstehen wir, dass das künstlerische Projekt von Claude Horstmann ganz und gar dem Schaffen von Räumen und elementarer Strukturen gewidmet ist. Diese spielen an ihrer Oberfläche mit einer perspektivischen Wirkung - und in einer sprachlich-linguitischen Perspektive mit einer Wirkung der Oberfläche wie auch einer offensichtlichen Lesbarkeit.

Alle in den Serigraphien formulierten Sätze können rückgeführt werden auf das was sie sind: konkrete und autonome Dinge, Schlagworte ohne Bezugspunkt, wären diese auch politisch oder kommerziell. Mit großer Freiheit bedienen sie sich in der Tat der Reduziertheit eines Slogan: Sie spielen mit einer Umdrehung oder Umbenennung (Appartement Danse), einem werbeähnlichen Vokabular (100 % Stroh) oder einer einfachen Auflistung (blue straggler). Streng genommen geht es sowohl bei den Sätzen als auch bei den abstrakten Zeichnungen nicht um Werke der Imagination – es sind von der Künstlerin herausgelöste, verfeinerte Durchpausungen, denen Fotos aus Marseille und Abbildungen aus der täglichen Presse zugrunde liegen – sondern um Schnitte und Extraktionen. Diese entsprechen im tatsächlichen wie übertragenen Sinn einem geologischen Entnehmen, dessen fragmentarischer Aspekt immer auf eine größere Topographie verweist.

Der erste Raum der Ausstellung ist von einer großen Zeichnung auf Papier eingenommen (ohne Titel, 2009/10), die eine Art perspektivische Sicht zeigt und – einander entgegen gesetzt bzw. gespiegelt - in zwei unterschiedlichen Techniken ausgeführt ist (Bleistift und Chinatusche). Es ist unmöglich zu sagen, was hier das «Original» und was die «Kopie» ist. Wenn eine Erfahrung nicht vervielfältigt werden kann, so kann sie doch, schlicht und präzise, Gegenstand von Rekonstruktion, und von sukzessiver Anwendung sein. Rechts daneben sehen wir eine erste Wandzeichnung (o.T., 2010) die hauptsächlich eine Öffnung in die Dicke der Wand hinein bewirkt und in ihrer Gestalt und Größe sehr auf die Präsenz des Betrachters ausgerichtet ist.

Im zweiten Raum ist ein Diptychon mit zwei fast,identischen Zeichnungen (plan, 2010) neben einer weiteren, leichten und filigranen Wandzeichnung installiert (o.T., 2007/10). Hier bewirken Transparenz sowie die Art der Wiederholung und der Wechsel zwischen matten und glänzenden Oberflächen von Chinatusche und Eisenoxid-Schwarz einen Zwischen-Raum, der nicht weit entfernt ist von den Wiederholungen und dem Zittern im Werk von Samuel Beckett (Keaton und Beckett, na sowas!): es ist gegeben eine gewisse Anzahl «permanenter Signale», die einzig darauf abzielen, diesen Ort zu beschreiben, an dem alle Räume in einem Raum sind.

(Stéphane Le Mercier, 17 Juni 2010, Basel)

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Claude Horstmann
Permanent Signal