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Nicht nur durch die Anwendung der psychoanalytischen Übertragung beispielsweise auf eine Leinwand, sondern auch auf die Gesamtsituation einer Kunstausstellung, können allgemeinere soziale, politische und kulturelle Prozesse wahrnehmbar gemacht werden, etwa durch Sprache und Stimme der Beteiligten." (Clemens Krauss)

Der Werkbegriff von Clemens Krauss geht von einem „universellen“ Körper aus, der sich nicht durch das Einzelwerk, sondern als Beziehung zwischen Künstler, Betrachterin und den Bedingungen der Kunstproduktion im Besonderen definiert. Das Kunstobjekt stellt damit das "dritte Element" zwischen Künstler und Betrachterin dar. Ebenso ist der biografische Bezug des Künstlers in seinem Werkbegriff immanent. So kommuniziert Krauss mit dem klassischen White Cube u.a. mit selbstgedrehten Aufnahmen aus seiner Kindheit, Malereien, aber auch mit der partizipativen „Performance“ bestehend aus dem Angebot einer psychoanalytischen Sitzung mit dem Künstler wahrzunehmen.

Clemens Krauss konzipiert für den Kunstraum Innsbruck eine Raumfolge von Vorzimmersituationen, die nur scheinbar in einen grundsätzlichen „Ausstellungsraum“ mündet. Im gesamten Bereich des Kunstraumes reihen sich einzelne, variable Vorzimmer aneinander, in denen sich die Betrachterinnen aufhalten, diese durchwandern und unterschiedliche Werkgruppen des Künstlers betrachten können. Die architektonische Anordnung des exemplarischen Vorzimmers wird somit als Warte- und Erwartungsraum inszeniert, der mit den Seh- und Betrachtungsweisen der Rezipientinnen in Dialog tritt. In einem dieser Räume, welcher allein nur einzeln zu betreten und welcher kein Durchgangsraum ist, hält Clemens Krauss psychoanalytische Einzelsitzungen mit Besucherinnen der Ausstellung ab. (Termine von 21.09. bis 05.10., jeweils während den Öffnungszeiten möglich; Anmeldungen zu den kostenfreien Sitzungen unter Angabe des bevorzugten Termins via E-Mail an sitzung@kunstraum-innsbruck.at oder direkt in der Galerie; pro Besucherin bis zu 5 Einzeltermine buchbar.)

Unter professionellen therapeutischen Bedingungen – wie etwa der Einhaltung der Schweigepflicht – wird dieser Behandlungsraum zu einem gemeinschaftlich geschaffenen Raum, indem Rezipientin und Künstler sowohl den analytisch-therapeutischen Prozess führen, als auch reziproke Rollen einnehmen. Nicht nur die Besucherinnen werden behandelt, sondern auch der Künstler, was wiederum den stetigen Vorgang der künstlerischen Wissens-, Erkenntnis- und Werkproduktion bedingt.

Auch wenn der Künstler selbst abwesend ist, nutzt der/die Betrachterin seine/ihre Erfahrung mit dem ästhetischen Objekt als einen Dialog mit sich selbst, der sich zu einem Dialog mit der inneren Welt des Künstlers über das Kunstwerk erweitert. Demnach wäre der innere, unbewusste Dialog des/der Betrachterin ein Gespräch, an dem der Künstler indirekt teilhat.

Das Konzept der aufeinander folgenden Räume wird zum Abbild des Erfahrungs- und Erwartungsraums des Künstlers selbst und seiner künstlerischen Praxis. Genauso wie der Betrachter durch die therapeutische Sitzung – im Fachterminus gesprochen – eine symbolische Selbstwerdung thematisiert, gibt Krauss Einblick in seine kulturelle und gesellschaftliche Sozialisation, die wiederum seine Kunstpraxis prägt. Damit stellt die künstlerische Arbeit und daraus resultierend die Raumfolge, die Konflikte und Friktionen der Selbstwerdung dar und lässt den/die Betrachterin im besten Fall im Sinne eines Erkenntnisgewinns durch die Räume taumeln. Da das analytische Begehren einen Mangel benötigt (Lacan) und sich dieser erst durch das gegenseitige Einlassen zwischen Künstler – Kunstwerk – Betrachterin aufgehoben wird, macht es nachvollziehbar, dass auch die Erfahrungseindrücke der Einzelsitzungen in die künstlerisch gestalteten Räume sukzessive einfließen.

Clemens Krauss arbeitet an einer Vorstellung des zeitgenössischen Menschen als performative Verkörperung sozialer und medialer Erfahrung. Er bezieht sich auf den menschlichen Körper als Metapher für Gesellschaft, Religion und Sexualität und begreift ihn in diesem Sinne als politische Projektionsfläche. Clemens Krauss, geboren 1981 in Graz, hat neben seinem Kunststudium auch Medizin studiert und eine Ausbildung zum Psychoanalytiker absolviert.

Im Kunstraum Innsbruck präsentiert Clemens Krauss seine erste institutionelle Einzelausstellung in Österreich. Sein Werk wurde bisher in namhaften Institutionen und Museen im Rahmen von Solopräsentationen gezeigt: wie z.B. Berlinische Galerie, Berlin; Haus am Waldsee, Berlin; MARTa Herford, Deutschland; SMAK Gent, Belgien; Museum of Contemporary Art Chengdu, China; Tel Aviv Museum, Tel Aviv, Israel; Artport, Tel Aviv, Israel; MAMA, Museu de Arte Moderna Rio de Janeiro, Brasilien; Art Gallery of New South Wales, Sydney, Australien. Darüber hinaus war Clemens Krauss der einzige österreichische Vertreter auf der Internationalen Havanna Biennale 2019.

Kuratorin: Lena Ganahl (basierend auf dem Konzept von Karin Pernegger)

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VERANSTALTUNGEN

Samstag, 05.10.2019, 20 Uhr
KURATORENFÜHRUNG durch dir Ausstellung (im Rahmen der Langen Nacht der Museen) Der Künstler wird anwesend sein.

Freitag, 08.11.2019, 15 Uhr
ARTIST TALK: Supervision
(im Rahmen der Premierentage) Clemens Krauss spricht via Liveschaltung aus Shanghai über seine Erfahrungen in der Ausstellung

Hinweis: Die Ausstellung Clemens Krauss - Vorzimmer | reception ist die letzte Ausstellung im Jahr 2019, die von der vorhergehenden Kunstraum Innsbruck-Leiterin Karin Pernegger und unter dem früheren Vorstand Lothar Tirala initiiert wurde.

VERANSTALTUNGEN
ERÖFFNUNG 20.09.2019 - 19 Uhr
KURATORENFÜHRUNG 05.10.2019 - 20 Uhr
ARTIST TALK 08.11.2019 - 15 Uhr
SITZUNGEN 21.09. - 06.10.2019