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Ein Titel fällt auf sich selbst zurück, beginnend und endend mit dem Wort Grandville. “Die Entscheidung bei Grandville“, so könnte auch der Titel eines Kapitels aus einem Abenteuerroman, einer Militärhistorie oder einem Hercule-Poirot-Krimi lauten. Formal betrachtet stellt der Titel eine Schleife, einen Loop dar, vergleichbar mit Andy Warhols “From A to B and Back Again“. A-B-B-A.

Von 1993 bis 2011 und wieder zurück. In Zusammenarbeit mit dem Musiker Moritz von Oswald hat Cosima von Bonin ihre Ausstellung wie ein Quodlibet konzipiert, in dem sie einen Bogen von ihren frühesten zu ihren jüngsten Arbeiten spannt.

Die gezeigten frühen Arbeiten umfassen ein Gefängnisfenster aus Pappe und Tape, sowie eine Zeitung, die 1993 bei American Fine Arts in New York zu sehen waren. Für jene Ausstellung hatte von Bonin oberhalb der Arbeiten Vogelkäfige mit Wellensittichen angebracht, was zu unregelmäßigen Ablagerungen von Vogeldreck führte, die auf der Oberfläche der Arbeiten nach wie vor zu erkennen sind. Weitere frühe Arbeiten – beispielsweise der im Jahr 1994 über einer Tür des “Kunstvereins Kippenberger“ im Fridericianum, Kassel, drapierte Bikini, sowie ein Raster aus zusammengenähten Herrentaschentüchern – wurden für “Grandville and the Decision of Grandville“ komplett in Weiß nachgebildet.

Mehrere freistehende Möbelbeine aus dem Jahr 1992 werden auf weißen Sockeln präsentiert, wie Soldaten, die sich zu einem Angriffsmanöver versammelt haben. Ein Sperrholz-Lkw und sein Gegenüber aus Pappe, erstmals gezeigt 2010 anlässlich der Ausstellung “The Fatigue Empire“ im Kunsthaus Bregenz, wurden von ihrer Ladung befreit, die möglicherweise durch etwas anderes oder durch gar nichts ersetzt werden wird.

Indem sie den unheimlichen Animismus von J. J. Grandvilles satirischen Graphiken (beispielsweise “Un autre monde“, 1844) umkehrt, präsentiert von Bonin ihre Tier-Avatare, etwa den auf einem biomorphen Fake-50er-Jahre-Tisch hängenden roten Einsiedlerkrebs, seit ihrer Bregenzer Ausstellung im vergangenen Jahr als schlaffe und erschöpfte Wesen. In dieser neuen Installation nun griff der Ermattungseffekt bei einer Skulpturengruppe – auf einer Tischplatte ineinander verschränkt liegende weiche Wesen – auch auf die Farbe über. So wird die Ausstellung, ungewöhnlich für von Bonin, von Weiß beherrscht.

Während er in Düsseldorf lebte und dort an seiner “Section Cinéma“ arbeitete, bezeichnete Marcel Broodthaers sich selbst einmal als “Vampir von Düsseldorf“. Ebenso wie Broodthaers in seinem selbstreflexiven Spätwerk ist auch von Bonin vom Vampirismus gegenüber anderen schließlich zum Selbstvampirismus übergegangen. Als Vampir ihrer selbst und Vampir von Köln agiert von Bonin innerhalb eines Autovampirismus-Loops, man könnte auch sagen: innerhalb einer Möbiusschleife, die Köln 1993 mit Berlin 2011 verbindet und in einer Galerie präsentiert wird, deren Räume in Form eines Loops angeordnet sind, wobei zu jeder Arbeit ein geloopter Soundtrack gehört.

Auf Grundlage ihres “untoten“ Netzwerks aus Referenzen und sozialen Beziehungen scheint von Bonin ein “Document of the Dead“ geschaffen zu haben, um an dieser Stelle den Titel einer ebenfalls in der Ausstellung gezeigten Videodokumentation über den Zombie-Filmemacher George Romero zu zitieren.