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Es liegt in der Natur des Reisens, dass mit dem Überqueren von Grenzen zwangsläufig kulturelle Kontexte aufeinanderprallen. Für die einen ist die Begegnung mit dem Fremden eine faszinierende, zeitlich klar begrenzte Erfahrung mit dem touristischen Blick von außen. Für andere wieder ist es jedoch vor dem Hintergrund individueller biographischer Verwerfungen eine dauerhafte Herausforderung. Seien es Arbeitsbedingungen, politische Umstände, persönliche Entscheidungen oder sogar Situationen direkter physischer Bedrohung – immer mehr Menschen treibt es weit über den Geburtsort hinaus in die verschiedensten Länder quer über den Globus.

Mit den modernen Transport- und Kommunikationstechniken, mit den globalen Märkten ebenso wie mit den weltweiten kriegerischen Auseinandersetzungen sind »der Ausländer«, »der Fremde« oder »der Flüchtling« einerseits zu einem alltäglichen gesellschaftlichen Phänomen geworden. Zugleich aber ist vielerorts ein verstärkter Rückbezug auf Regionalismen, Ethnien oder Religionszugehörigkeiten zu beobachten.

Und so stehen sich plötzlich globalisierte Wirtschaftsstrukturen und intensivierte Brauchtumspflege direkt gegenüber, Kriege werden weit entfernt in anderen Kontinenten geführt, die einmal von höchst kleinteiligen Regionalkonflikten ausgingen, und auch in der theoretischen Diskussion stoßen Begriffsdiskussionen um Transnationalität oder Migration mit einer Neubestimmung des Heimatbegriffs und einer hohen Wertschätzung lokalen Rückbezüge zusammen.

Vielleicht stärker, vor allem aber spürbarer als andere Menschen reagieren Künstler auf solche tief greifenden gesellschaftlichen, politischen wie vor allem auch kulturellen Veränderungen, indem sie Fragen nach so geläufigen Phänomenen wie Heimat, Grenze, Identität und Region neu stellen. Weitestgehend frei von politischen Sachzwängen und Scheuklappen, aber auch mit utopischer Kraft und einer bildmächtigen Sprache sind sie in der Lage, neue Perspektiven in festgefahrene Diskussionen zu bringen.

Anhand von vier exemplarischen künstlerischen Positionen – und das heißt oftmals auch exemplarischer Biographien – soll dieses Problem- und Diskussionsfeld in Nordhorn thematisiert werden. Dies geschieht zudem an einem Ort, der selbst mit seinem ländlichen Umfeld und der direkten Grenznähe zu den Niederlanden ganz konkret zwischen ausgeprägter Heimatverbundenheit und regem Austausch mit den holländischen Nachbarn, zwischen Selbstbezogenheit und Weltoffenheit hin und her gerissen ist und mit dem Fremden Wunschträume und Projektionen ebenso verbindet wie Befürchtungen und Vorbehalte.

Die Ausstellung in der Städtischen Galerie wird solche Fragen und Haltungen anregend zur Diskussion stellen und mit einem künstlerischen Werk konfrontieren, das sich auf unterschiedliche Weise mit Heimatlosigkeit oder »Weltbürgertum« auseinandersetzt. Eingeladen wurden Colonel/Thierry Geoffroy (geb. in Frankreich, aufgewachsen in Algerien, lebt in Kopenhagen), Gillion Grantsaan (geb. in Surinam, lebt in Amsterdam), Jun Yang (geb. in China, lebt in Wien) und Jörn Stahlschmidt (geb. in Köln, lebt in Hamburg, Vielreisender). Die thematische Ausstellung wird zudem von einem Rahmenprogramm begleitet, das in enger Kooperation mit dem Kulturamt des Landkreises Grafschaft Bentheim zusammengestellt wird. Ausgehend von den künstlerischen Fragestellungen sollen hier – mit Vorträgen, Gesprächsrunden, Filmen oder kleineren Ausstellungsprojekten – persönliche Lebensgeschichten und grundsätzliche Fragen in den Mittelpunkt gerückt werden.

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Daheim in der Fremde – Fremd in der Heimat
Kurator: Roland Nachtigäller

mit Thierry Geoffroy / Colonel, Gillion Grantsaan, Jun Yang, Jörn Stahlschmidt