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Vernissage: Sonntag, 30. August, 11 Uhr, Rathaus

Ausgelöst durch die Berufung von Johann Gottlieb Fichte an die Jenaer Universität fand hier nach 1794 ein Kreis von jungen Dichtern, Literaturkritikern, Philosophen und Naturwissenschaftlern zueinander, der Jena zum Fixpunkt einer vor allem geistig-ästhetischen Bewegung machte, die man heute als Frühromantik bezeichnet. Der geistige Horizont war im damaligen Herzogtum Sachsen-Weimar durch Goethe, Schiller, Herder und Wieland hinreichend vorbereitet, so dass die jungen Romantiker einen angereicherten Boden fanden. Einig war man sich in der Verehrung für Goethe, den „Gott der Romantiker“, jenseits davon suchten die Frühromantiker mit Ironie und Übermut nach Wegen, die jenseits der klassischen Entwürfe lagen.

Innerhalb von nur wenigen Jahren kam neben August Wilhelm Schlegel, seiner Frau Caroline, dessen jüngerem Bruder Friedrich auch der Philosoph Friedrich Wilhelm Schelling nach Jena und trat hier eine Professur an der Jenaer Universität an. Neben den Naturwissenschaftlern Johann Wilhelm Ritter, Christoph Wilhelm Hufeland und Justus Christian Loder gehörten auch Hölderlin, Novalis, Clemens Brentano und Ludwig Tieck zu jenen, die hier lebten und aus dem intellektuell aufgeheizten Klima großen Gewinn für ihre Arbeit zogen. Mit Sophie Mereau, Dorothea Veit und Caroline Schlegel gesellten sich erstmals auch Frauen zum Kreis der Romantiker, deren Gedanken jenseits häuslicher Taten ausschweiften und die mit ihrer anderen Art „weltschaffender Beteiligung“ die Palette denkbarer Lebensentwürfe bereicherten. Ludwig Tieck beschreibt „jene schöne Zeit in Jena“ als „eine der glänzendsten und heitersten Perioden meines Lebens“ und er erinnert diese Jahre als ein „ununterbrochenes Fest von Witz, Laune und Philosophie“. Das Jenaer Romantikertreffen im November 1799 bildet einen letzten glanzvollen Höhepunkt dieser heiteren und zugleich scharfzüngigen Gemeinschaft.

Auch wenn man die Epoche der „Romantik“ meist zwischen dem Ende des 18. Jahrhunderts und der Mitte des 19. Jahrhundert verortet, so bleibt die zeitliche Einordnung ebenso unscharf wie die stilistische. Das, was eine junge Generation von Künstlern umgetrieben hat, ist kein Stil, sondern eine Haltung, deren Dynamik bis heute ihre Wirkung in immer anderer Weise entfaltet.

Die Sehnsucht nach Mysterium und Geheimnis sind Erscheinungsformen einer Suche nach Ganzheitlichkeit, die offenbar besonders dann, wenn sich gesellschaftliche Rahmenbedingungen verändern, neuen Aufwind erfahren. Nebelverhangene Täler, Klosterruinen oder endlose Landschaften sind Metaphern für das Unbewusste und Abgründige, für Bereiche also, die weder nützlich noch alltäglich sind und das Schöne und Erhabene nicht nur beschwören, sondern auch desavouieren. Ausgehend von den mehr oder weniger bekannten Bildern der Meister der Romantik unternimmt die Ausstellung den Versuch, die sich wandelnden Positionen romantischen Denkens und Gestaltens von der Zeit der Jenaer Frühromantik bis hin zur aktuellen Kunst aufzuzeigen. Es geht jedoch nicht allein um eine Spurensuche, sondern vielmehr um die Aktualität jener Fragestellungen, die einst, am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in einen enorm anregenden Diskurs geführt haben, der aus dem Kreis der Jenaer Philosophen und Literaten um Johann Gottlieb Fichte und August Wilhelm Schlegel entscheidend angeregt worden ist. Frei nach dem Satz von Rüdiger Safranski, dass der romantische Geist sich niemals in gleicher Weise gibt, sondern verwandelnd und widersprüchlich, sehnsüchtig und zynisch, ironisch und schwärmerisch, formbewusst und formauflösend wirkt, werden die Potenziale der Romantik an den Arbeiten der Künstlerinnen und Künstler unserer Tage diskutiert und in der Ausstellung beziehungsreich miteinander verschränkt. Im Raum steht nicht nur die Frage nach jenen Perspektiven, die durch die Romantiker entscheidende Impulse erfahren haben, sondern auch die nach einer neuen Inhaltlichkeit, die sich möglicherweise unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts eingestellt hat.