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Kaum hatte Dave Hullfish Bailey im September 2001 mit der Installation seines schon lange geplanten Projekts Schindler Shelter – einem „temporŠren Katastrophenspielplatz“ in und um das von Rudolf Schindler in Los Angeles erbaute Schindler Haus – begonnen, lie§en die TerroranschlŠge von 9/11 eine fast unheimliche Analogie zu einem sehr zentralen Thema in Baileys kŸnstlerischer Praxis erkennen: die zumindest zeitweise Aufhebung und Desorganisation sozialer Strukturen in Folge von Katastrophen wie TerroranschlŠgen, Erdbeben oder †berschwemmungen sowie die vorŸbergehende Neukonfiguration der Gemeinschaften jenseits von EthnizitŠt, Religion oder politischer Orientierung.

Vier Tage lang sollte der „Katastrophenspielplatz“ bis zu 70 Menschen einen „post-apokalyptischen Zufluchtsort“ bieten, um gemeinsam die zum †berleben notwendigen Arbeiten (wie Kochen, den Bau von SchlafstŠtten etc.) in einer Ausnahmesituation zu meistern. Vor dem Hintergrund der ursprŸnglichen Idee Rudolf Schindlers, ein Leben in Harmonie mit der Natur zu fŸhren, untersuchte Bailey, wie man die Momente der extremen Beweglichkeit und des Ungleichgewichts in der Natur auf die temporŠre Neuordnung von Gemeinschaftsbeziehungen anwenden kann.

In der Galerie der Secession zeigt Bailey Arbeiten, die sich mit den industriellen Mechanismen der Einlagerung von Getreide in Gro§silos befassen und zudem auszuloten versuchen, inwiefern diese Schnittstelle von Agrarprodukten und deren moderner maschineller Weiterverarbeitung als Metapher fŸr Mšglichkeiten gesellschaftlicher Strukturen fungieren kann.

Baileys Ausstellung in der Secession ist eine soziale Untersuchung, die auf Begriffe von InstabilitŠt und Konflikt referiert, die durch das Ordnen und Durcheinanderbringen von Informationen erzeugt werden. In dem Video im Kreuzraum dokumentiert Bailey die Arbeitsprozesse von Getreidehebern in einem der fŸnf gro§en Silos am Alberner Hafen in Wien. Bailey beobachtete, dass die Struktur des Getreidekorns vom Mikro- bis in den Makrobereich vergleichbar der des Individuums in einer Gruppe ist. Die einzelnen Verarbeitungsprozesse und Reaktionen der Kšrner erzeugen durch gegenseitige Reibung Feinstaub, der im richtigen MischungsverhŠltnis mit Luft gewaltige Explosionen verursachen kann.

In der InstabilitŠt des Staubes als ungewolltes Neben- und Abfallprodukt des Aufeinandertreffens von Landwirtschaft und industrieller Produktion sieht Bailey ein Modell des sozialen Zerfalls mit revolutionŠrem Potential. Die Staubexplosion kann als Moment des Kontrollverlusts und der Entbindung gelesen werden.

Dass die Secession wŠhrend des zweiten Weltkrieges kurzfristig auch als Getreidesilo zweckentfremdet wurde, verleiht der Ausstellung von Dave Hullfish Bailey nicht nur einen ironischen Unterton, sondern schafft auch eine Analogie zur Entstehungsgeschichte des Hauses: Die Abspaltung der Secessionisten von der Gesellschaft …sterreichischer Bildender KŸnstler des KŸnstlerhauses1897 wird durch das eigene Ausstellungshaus nach EntwŸrfen von Joseph Maria Olbrich symbolisiert. Gleichzeitig reprŠsentiert das GebŠude der KŸnstlerInnenvereinigung einen entscheidenden Augenblick in den gesellschaftlichen VerŠnderungen, die zu dieser Zeit in Wien stattfanden, als die Neuerungen der modernen Architektur gegen den Historismus einer vergangenen €ra standen.

Neben dem Video zeigt Bailey in Zeichnungen und Skulpturen „unbeabsichtigte Kombinationen“ von Alltagssprache, Wissenschaft und Theorie. Diese stehen fŸr jene neuen Gesellschaftstrukturen, die sich nach einem Totalkollaps formieren kšnnen. Indem er Worte, Tatsachen und Theorien als bildhauerische Materialien behandelt, trennt Bailey Zeichen von Bezeichnetem, Klang von Schreibweise, Ereignis von Interpretation.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten von Emily Pethick und Timothy Martin.

DAVE HULLFISH BAILEY, geb. 1963, lebt und arbeitet in Los Angeles. AUSSTELLUNGEN (Auswahl): 2005 Bastard Science, Daniel Hug Gallery, Los Angeles; University of Queensland Art Museum, Brisbane; The Lateral Slip, Sweeney Art Gallery, University of California; 2004 Banding Station, IBID Projects, London; Socle du Monde, Herning Kunstmuseum; Groundhog Day, David Pestorius Gallery, Brisbane; Kommando Pfannenkuchen, Daniel Hug Gallery, Los Angeles; Spacemakers, Lothringer Dreizehn, MŸnchen; 2003 World Watchers, NGBK – Neue Gesellschaft fŸr Bildende Kunst, Berlin; Book Trade, Centre d’Ždition contemporaine, Genf; Rent-a-Bench, Trapholt Kunstmuseum, Kolding; Affinity Archive, The Metropolitan Complex, Dublin; 2002; Schindler Shelter, Parkhaus im Malkasten, DŸsseldorf; Rent-a-Bench, public spaces in Los Angeles; Perspective 2002, Ormeau Baths Gallery, Belfast; Layered Histories, Verein Berliner KŸnstler, Staatsbank, Berlin; HeavenKnows I’m Miserable Now, Low Gallery, Los Angeles; Charley, P.S. 1 Center for Contemporary Art; 2001 20/35 Vision, MAK Center for Art and Architecture at the Schindler House, Los Angeles; New Settlements, Nikolaj Contemporary Art Center, Kopenhagen, Copenhagen; Stone Soup, Three Day Weekend, Los Angeles; 2000 Urban Hyms, California State University, Los Angeles.

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