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Memoria erhält neue Kleider. Neben Nalurwissenschaftlern, Philosophen und Historikern stellen heute, im Zeitalter digitaler Datenspeicher und beschleunigter Medienkommunikation, auch Künstler ntensiver denn je die Frage nach dem Gedächtnis und der Bedeutung von Erinnerung.

Seit den 60er Jahren reagieren viele Künstler auf die Herausforderung durch die stetig ansteigende massenmediaie Bilderflut. Das Speichern von Informationen, Bildern und Dingen machten sie zum Thema ihrer Arbeiten, indem sie das Verpacken, Stapeln und Lagern als künstlerische Ausdrucksformen für sich entdeckten. Die Allgegenwart digitaler Datenspeicherung und Datenverarbeitung in den 90er Jahren führte zu einer erneuten künstlerischen Auseinandersetzung mit den Entlastungen bzw. Enteignungen des menschlichen Gedächtnisses. In Frage steht die lebendige Erinnerungsarbeit als Grundlage unseres Bewußtseins.

Die Ausstellung DEEP STORAGE ARSENALE DER ERINNERUNG zeigt in Werken von mehr als 40 international renommierten Künstlerinnen und Künstlern aus drei Generationen, die vielfältigen Formen ihrer Auseinandersetzung mit dem Speichern von Dingen und Informationen. Die Verfahren des künstlerischen Archivierens bestehen im Verpacken von Einzelobjekten oder im Reihen bzw. Stapeln von Bildern, Texten und Materialien in seriellen Strukturen. Systematisch oder chaotisch gruppierte Dinge des täglichen Lebens werden in Regalen, großräumigen Bodenarbeiten und Künstlerräumen gelagert. Zu diesen Objektarchiven gesellen sich Werke, die wie photographische, filmische und digitale Datenspeicher funktionieren.

Den Auftakt der Ausstellung bildet ein von Karsten Bott inszeniertes Warenlager aus Fundstücken, über das der Besucher auf einem Steg in den benachbarten Raum von Hanne Darboven geleitet wird. Ihr "Wunschkonzert" besteht aus 1008 handgeschriebenen Blättern, die das Verfließen der Zeit und den Versuch ihrer Konservierung ebenso sichtbar machen wie die "One Million Years Future"/"One Million Years Past" von On Kawara und die "Time Capsules" von Andy Warhol. Im anschließende Videoraum von Jochen Gerz vernehmen wir das Geprassel der massenmedialen Nachrichtenschwemme, die zugleich jede essentielle Botschaft unterdrückt. So kann die Vernichtung von Informationen zugleich als Verlust und Befreiung von lebensunwichtigem Ballast empfunden werden. Mit der Bilderflut und dem Informationsmüll beschäftigen sich auch die Arbeiten von Arman und Robert Rauschenberg aus den 60erJahren sowie von Douglas Blau und Wilhelm Mundt aus den 90er Jahren. In den Künstlerräumen von Christian Boltanski und Bernd & Hilla Becher befindet sich der Besucher in eigentümlichen Archiven verschwundener Personen oder vom Untergang bedrohter Bauten. Auch die gemalten Kuppeln des Amerikaner David Deutsch sind als Ausschnitte aus einem Pantheon der Bilder zu verstehen, in dem unzählige Gemälde aufbewahrt werden. Das Verschwinden der Welt im schwarzen Loch der elektronischen Bilder führt uns hingegen die Videoprojektion von Peter Kogler vor Augen.

Die Objekte von Artschwager und die Fotografien von Lawler beschäftigen sich mit dem Verschwinden des Kunstwerkes in seiner Verpackung, die ihrerseits zum Kunstwerk wird. Dem traditionellen Wissensspeicher des Buches und der Bibliothek widmen sich die Arbeiten von David Bunn, Meg Cranston und Peter Wüthrich. Diese Werke der 90er Jahre greifen zuruck auf die Ideen der Pop Art und des Nouveau Realisme der 60er Jahre, als Künstler wie Christo, Oldenburg und Spoerri einzelne Bildwerke, aber auch das Museum als Ganzes in ihrer Funktion als Speicher zum Gegenstand der Kunst machten. In ihrer Tradition, der auch Nam June Paiks "Koffer" als Nachrichtenbehälter und -vermittler angehört, stehen die Arbeiten von Lynn Hershman, Karen Kilimnik, Paul McCarthy und Jason Rhoades, die in ihren Objektassemblagen persönliche Geschichten mit der Zeitgeschichte und fiktive Existenzen mit dokumentarischen Indizien zu einem dreidimensionalen Bilderteppich verweben, in dessen Muster sich die Grenzen zwischen Dichtung und Wahrheit verwischen. Im Gegensatz zur chaotischen Fülle der amerikanischen Künstler steht die Leere in den Arbeiten der Deutschen Joseph Beuys, Reinhard Mucha und des Duos Arndt & Moonen. Isolierende Materialien wie Filz und Dämmplatten, aber auch der Leerraum selbst erzeugen Projektionsflächen für die im Betrachter gespeicherten Erinnerungen seiner eigenen Geschichte oder seines eigenen Körpergedächtnisses. Stefan Hoderlein legt mittels Diaprojektionen eine Kleidersammlung an, die mit der Idee systematischer Sammlungen und ihren Ordnungsentwürfen ebenso spielt wie die in den Vitrinen gesammelten Werke aus älteren und jüngsten Projekten künstlerischen Archivierens. Das Verschwinden als Voraussetzung des Erinnerns wird in Sophie Calles poetischer Kombination von Fotos und Texten ebenso angesprochen wie in der computerisierten Selbstbespiegelung von Monika Fleischmann, dem elektronischen Tagebuch Lynn Hershmans, dem Internetprojekt von Vera Frenkel zur Rekonstruktion des verlorenen Bildbestandes eines von Hitler geplanten Führermuseums und in der dramatischen Videoinstallation von Steinle/Rosefeldt. Meta-Speicher der Kunstsphäre bilden Marcel Broodthaers' Tafelwerk zum Museum als Kunstlager und die Installation von Sabine Groß, die ein phantastisches Archiv aller erdenklichen Künstlertypen erstellt.

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Deep Storage. Arsenale der Erinnerung
Eine Initiative des Siemens Kulturprogramms

Künstler:
Arman , Rob Moonen & Olaf Arndt, Richard Artschwager, Eugène Atget, Hannelore Baron, Bernd und Hilla Becher, Joseph Beuys, Douglas Blau, Jennifer Bolande, Christian Boltanski, Karsten Bott, Marcel Broodthaers, David Bunn, Sophie Calle,  Christo , Joseph Cornell, Meg Cranston, Hanne Darboven, David Deutsch, Marcel Duchamp, Hans-Peter Feldmann, Monika Fleischmann, Vera Frenkel, Jochen Gerz, Sabine Groß, Lynn Hershman, Stefan Hoderlein, On Kawara, Karen Kilimnik, Peter Kogler, Louise Lawler, George Legrady, Piero Manzoni, Paul McCarthy, Annette Messager, Reinhard Mucha, Wilhelm Mundt, Claes Oldenburg, Nam June Paik, Robert Rauschenberg, Julian Rosefeldt, Jason Rhoades, Ed Ruscha, Jeanne Silverthorne, Daniel Spoerri, Piero Steinle / Thomas Virnich, Andy Warhol, H. C. Westermann, Peter Wüthrich.

Kuratoren:
Christoph Vitali

Stationen:
Haus der Kunst München
Neue Nationalgalerie, Berlin
Museum Kunst Palast, Düsseldorf
Kulturforum Potsdamer Platz, Berlin
P.S.1 MoMA, Long Island
Henry Art Gallery, Seattle