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Das Angermuseum Erfurt konnte im September 2004 eine der wohl umfangreichsten Sammlungen moderner Grafik, die in der DDR zusammengetragen worden ist, als "Schenkung Rudolf und Ilse Franke" entgegennehmen. Der Erfurter Grafiker, Hochschullehrer und Sammler Rudolf Franke (1925 – 2002) baute sie gemeinsam mit seiner Ehefrau Ilse über mehrere Jahrzehnte hinweg auf. Schon früh richtete er den Blick auf das internationale Kunstgeschehen von Prag bis Paris, erwarb Werke von Künstlern der École de Paris ebenso wie Meisterwerke tschechischer Grafiker. Das politische Diktat des Eingeschlossenseins in der DDR, zugleich des Abgeschnittenseins vom internationalen Kunstgeschehen, konnte und wollte Franke nie akzeptieren. Er korrespondierte mit Künstlern wie Emil Schumacher, HAP Grieshaber oder Hermann Ober, die im Westen Deutschlands lebten, und pflegte über Jahrzehnte hinweg den Kontakt mit der im West-Teil Berlins beheimateten Galerie Nierendorf.

Frankes Grafiksammlung des 20. Jahrhunderts mit etwa 14000 Werken ist eine „Sammlung, die man nur in ihrer Reichhaltigkeit und Qualität bewundern kann“, notierte der Künstler Gerhard Altenbourg schon 1964. Neben den vielfältigsten Stilrichtungen sind "alle Techniken einbezogen, die die moderne Grafik kennt" (Franke). Obgleich er sich hauptsächlich auf die Druckgrafik konzentrierte, fanden auch Handzeichnungen, Aquarelle, Collagen und zahlreiche Kombinationstechniken Eingang in seine Sammlung. Sie vereint Werke von Nonkonformisten der DDR wie Hermann Glöckner, Willy Wolff oder Gerhard Altenbourg, von Ingo Kirchner, Robert Rehfeldt oder Roger Loewig; später kamen die Akteure der legendären Künstlergruppe "Clara Mosch" hinzu. Frankes Aufmerksamkeit galt zudem stets der Kunst der Klassischen Moderne, von den Expressionisten der Dresdner "Brücke" mit Erich Heckel oder Max Pechstein bis zu den Vertretern des Bauhauses wie Lyonel Feininger oder Paul Klee.

"Ich mache kein Geheimnis daraus, moderne Kunst zu sammeln", äußerte sich Rudolf Franke in den schwierigen sechziger Jahren: einer Zeit heftigster, ideologisch aufgeladener Debatten um Formalismus und Realismus, in der das öffentliche Bekenntnis zur Kunst der Moderne – wieder – Restriktionen nach sich ziehen konnte. Es war für Franke ein Gebot der Stunde, die Leidenschaft mit der nötigen Schweigsamkeit zu leben, doch zugleich war es für ihn noch wichtiger, seine Sammlung – so weit möglich – immer auch jenen vorzustellen, die an bildender Kunst ein aufrichtiges Interesse hatten. Über Jahrzehnte hinweg wurden seine jährlich stattfindenden "Feste der Augen", wie er selbst die Bildbetrachtungen in seiner Privatwohnung nannte, zum festen Bestandteil des (inoffiziellen) Erfurter Kunstlebens. Zu den Gästen zählte auch der Kreis der "Erfurter Ateliergemeinschaft": eine Gemeinschaft von Künstlern und Kunstfreunden, die von 1963 bis 1974 – in deutlicher Abkehr vom offiziellen Kunstgeschehen der DDR – Ausstellungen zeitgenössischer Kunst organisierte. Rudolf Franke leistete als spiritus rector der Gruppe Entscheidendes zu ihrer nachhaltigen Wirksamkeit. Herbert Kunze, von 1925 bis 1937 und von 1945 bis 1963 Direktor des Angermuseums, konstatierte damals: „Hier wird zu meiner Freude die glanzvolle Tradition des Angermuseums (...) weitergeführt".

Franke nahm solche Werke in seine private Sammlung auf, die Herbert Kunze gern im Angermuseum gesehen hätte. Bis 1989 war es faktisch unmöglich, den Bestand um Arbeiten des Informel, der Pop Art oder um Werke des Expressionismus und Konstruktivismus zu erweitern. Mit der Beschlagnahmungsaktion 1937 hat das Angermuseum fast seine gesamte Sammlung moderner Kunst verloren. Die Schenkung Rudolf und Ilse Franke, sie heilt intentional die tiefste, unheilbarste Wunde, die eine gestörte Tradition dem Museum zugefügt hat. So hat sie über ihren Realwert hinaus auch beträchtlichen Symbolwert.

Wegen Sanierungsarbeiten im Rahmen der Neugestaltung des Angermuseums ist die Ausstellung in der Kunsthalle Erfurt zu sehen. Vom 25. Januar bis 19. März 2006 wird sie in den Opelvillen Rüsselsheim gezeigt.

Pressetext

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Dem Auge ein Fest
Die Schenkung Rudolf und Ilse Franke
Veranstalter: Angermuseum Erfurt
Veranstaltungsort: Kunsthalle Erfurt

Stationen:
06.11.05 - 08.01.06 Kunsthalle Erfurt
25.01.06 - 19.03.06 Opelvillen Rüsselsheim

siehe Kunsthalle Erfurt