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Die Ausstellung „Die Aufgabe der Zeit“ widmet sich der Frage, wie der Zusammenbruch der kommunistischen Regime und die daraus resultierende Infragestellung des marxistischen Geschichtsbilds in der zeitgenössischen Kunst thematisiert wird. Das Wort „Aufgabe“ wird dabei in dem doppeltem Sinn von Resignation und Perspektive verstanden: ist einerseits der Kollaps ein Ende des Vertrauten, ist es andererseits die Chance für den Neubeginn. In dieser Doppeldeutigkeit arbeiten auch Künstler und Künstlerinnen aus Staaten, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Auflösung des Ostblocks neu formieren. Die Ausstellung vereint Kunstschaffende aus verschiedenen Ländern und Generationen, in deren Werk diese neue Situation direkt oder metaphorisch Aufnahme findet. Gerade in Medien, die ein erzählerisches und zeitliches Moment beinhalten, wie dem Film, der fotografischen Serie oder dem Video ist die Thematik der Aufgabe der Zeit erkennbar. Die jeweilige Zeitstruktur der Arbeiten zeigt eine bewusste Auseinandersetzung mit der Suspension und Unumkehrbahrkeit von Historie und Moment.

Drei Beispiele können dies verdeutlichen: In "FF/REW" (1998) von Ene-Liis Semper sieht man eine Frau, die sich von ihrer Lektüre in einem Buch erhebt, um sich zu erhängen. Sie ersteht wieder auf, indem der Film rückwärts läuft und bei der Lektüre wieder ansetzt, nur um in einen erneuten Suizid zu enden. Die Künstlerin begibt sich damit in einen Kreislauf von Reflektion und Selbstmord, der durch das rückwärts laufende Geschehen wieder aufgehoben wird. Der Zeitpunkt des Todes wird suspendiert in einem Schwebezustand, in dem die Künstlerin sich selbst aufhalten kann.

Deimantas Narkevicius macht sich in seiner Filminstallation "His-story" (1998) auf die Reise und Suche nach seinem Vater, der in den 1970er Jahren aus politischen Gründen in eine Nervenheilanstalt eingewiesen wurde. In dem Erzählen von seinem Vater an Orten, die ihn an seine Familie erinnern, stellen sich viele, aus der zeitlichen Distanz unlösbare Fragen über das eigentliche und mögliche Leben seiner Eltern. Das Bild eines Ehepaars auf einer Brücke taucht wie ein Traumbild auf, das das Versprechen an eine andere Zukunft enthält. In einer Mischung von Erinnerungsarbeit, Rekonstruktion und Resignation beschreibt Narkevicius das Dilemma seiner Generation, die zu jung war, den Kommunismus des Kalten Krieges zu erleben, und zu alt, um sich dieser Geschichte sorglos zu entledigen. Der Umgang mit Historie und Erinnerung und die Frage nach ihrem gegenwärtigen Wert für die Gesellschaft wird so zentral.

Die Fotoserien von Igor Savchenko arbeiten mit der Belichtungszeit der Fotografie auf eine Weise, dass die Suspension von Zeit in der Überbelichtung ihren Ausdruck findet. In der Arbeit "On the Altered Behaviour of Sunlight" (1996) werden die abgelichteten Schneelandschaften und die im Dunkel versunkenen Bilder in Titeln kommentiert, die über den Wechsel der Geschichte und die Unsicherheit derer Konsequenzen sprechen.

Auf vergleichbare Weise beschäftigen sich auch die anderen beteiligten Künstler mit der Thematik der neuen Zeit, sei es in den Fotografien von obdachlosen Ukrainern bei Boris Michailov, im Reigen ehemaliger Soldaten der Polnischen Armee bei Artur Zmijewski oder in der Zukunftsverwaltung eines fiktiven, künstlerischen Staates der Künstlergruppe IRWIN.

IRWIN (Slowenien) Boris Michailov (Ukraine) Deimantas Narkevicius (Litauen) Igor Savchenko (Weißrussland) Ene Liis Semper (Estland) Artur Zmijewski (Polen)

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Die Aufgabe der Zeit

Künstler: Irwin , Boris Mikhailov, Deimantas Narkevicius, Igor Savchenko, Ene-Liis Semper, Artur Zmijewski