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02.10.–06.12.2015
Die Schule von Kyiv
Klasse Karlsruhe. Lektorin: Alexandra Exter
Zbyněk Baladrán, Ricardo Basbaum, Geta Brătescu, Robert Breer, Graciela Carnevale, Tamuna Chabashvili, Josef Dabernig, Anna Daučíková, Maya Deren, Alexandra Exter, Stano Filko, Till Gathmann, Judith Hopf, Grigori Kozintsev, Taus Makhacheva, Sean Snyder, Hanna Sobachko, Iza Tarasewicz, Mikhail Tolmachev, Stas Voliazlovskyi, Anna Zvyagintseva

Ausstellungsarchitektur: Johannes Porsch

Kuratiert von Hedwig Saxenhuber, Georg Schöllhammer und Anja Casser Im Rahmen von The School of Kyiv - Kyiv Biennial 2015

Pavshyno Kunstverein
Informelle Räume und künstlerische Praktiken in der Westukraine
Yaroslav Futymskiy, Vlodko Kaufman, Kinder Album, Open Group, Poptrans, Petro Ryaska, Lubomyr Sikach, Kostya Smolyaninov & „Group” Kollektiv, Yuriy Sokolov, Lubomyr Tymkiv

Kuratiert von Lizaveta German und Maria Lanko

In Kooperation mit The School of Kyiv – Kyiv Biennial 2015, Visual Cultural Research Center, Kiew und der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig

Als Kooperationspartner der Kyiv Biennale 2015 zeigt der Badische Kunstverein eine um die Kiewer Künstlerin Alexandra Exter (1882-1949) gruppierte Ausstellung, die die Verflechtungen der europä- ischen Kunstszenen Anfang des 20. Jahrhunderts vorstellt und zugleich in zeitgenössischen Positionen ihre Relevanz für unsere Gegenwart aufzeigt – inhaltlich vertiefend und in lexikalischen Verweisen. Alexandra Exter ist eine zentrale Figur der sowjetischen konstruktivis- tischen Avantgarde. Der Nachhall ihrer Arbeit als Malerin, Bühnen- und Filmdekorateurin, Theatermacherin, Pädagogin, Lehrerin und aufkläre- rische Volksbildnerin reichen weit bis in das 20. Jahrhundert und über Europa hinaus und finden ein verstärktes Echo in einer jungen Künstler- und Künstlerinnengeneration der Gegenwart.

Die Ausstellung im Badischen Kunstverein ist in drei Kapitel unterteilt, die unmittelbar ineinander übergehen: „Emanzipation, Ethnographie und Abstraktion: Die Schule der Landschaft“ geht Exters Lehrkonzepten nach, die sie an den von ihr mitbegründeteten Schulen in Kiew, aber vor allem auch als Teil eines Kollektivs für Volkskunst in dem Dorf Verbovka einsetzte. In Anlehnung an Exters pädagogische Arbeit zeigt eine Gruppe von KünstlerInnen Projekte, die die künstlerische Erziehung einer lokalen, oft ländlichen Bevölkerung innerhalb der ästhetischen Konzepte moder- nistischer Avantgarde verhandeln. Dazu gehören beispielsweise die Werke der ukrainisch-amerikanischen Filmemacherin Maya Deren (1917-1961), Graciela Carnevales (1942) Arbeit als Künstlerin und politische Aktivistin in Argentinien sowie die Arbeit der russischen Künstlerin Taus Makhacheva (1983).

Exters Arbeiten stehen aber auch im Kontext der in der Moderne einge- schriebenen Technikeuphorie, die in den 1920er-Jahren doppelgesichtig utopisch war. Exter gestaltete die Kostüme des ersten sowjetischen Science-Fiction-Filmes „Aelita“ (1924). Das Ausstellungskapitel „Futu- rismus, Technikeuphorie, Irrationalität und Science-Fiction: Die Schule Europas“ geht der Frage nach, wie der futuristische Expressionismus nach seiner Zeit die Ästhetik beeinflusste. Dazu zählen beispielsweise Stano Filkos (1937) Raketenphantasien in den Normalisierungsjahren nach dem Prager Frühling in Bratislava. Josef Dabernigs (1956) neuer Film „Zlaté Piesky Rocket Launch“ (2015) übersetzt hingegen Motive der Technikeuphorie der 1920er-Jahre in die Drohnenszenarien der Gegenwart.

„Film, Objekt, Abstraktion: Die Schule des (spekulativen und politischen) Realismus“ als drittes Kapitel der Ausstellung widmet sich schließlich dem sowjetischen Film mit einem Hauptaugenmerk auf dem Regisseur Grigori Kozintsev (1905-1973), der bei Exter in die Lehre ging. Auch hier werden Bezüge zu einer anderen modernen oder zeitgenössischen Kunstproduktion hergestellt – sei es in Geta Brătescus (1926) geo- metrischer Abstraktion im Rumänien der Ceaușescu-Jahre, die Objekt- bezüge politischer Kunst bei Judith Hopf (1969) oder Robert Breers (1926-2011) Filme, die als stiller Protest gegen das Amerika McCarthys gesehen werden können.

Die Idee der Schule kann nicht allein durch die Exponate vermittelt werden, sondern soll in der Klasse Karlsruhe unmittelbar vollzogen werden. Im Waldstraßensaal zeigen die ukrainischen Kuratorinnen Lizaveta German und Maria Lanko mit „Pavshyno Kunstverein. Informelle Räume und künst- lerische Praktiken in der Westukraine“ eine Ausstellung rund um ihr Projekt Open Archive, das verschiedene künstlerische Praktiken und informelle Räume der spätsowjetischen Ukraine versammelt. In Verbindung mit dieser Präsentation wird eine Schule stattfinden, die sich mit Fragen der Histori- sierung und Institutionalisierung von Kunst jenseits des konventionellen Kunstbetriebs beschäftigt.

Eine sowohl inhaltliche wie formale Klammer der drei Orte Kiew, Leipzig und Karlsruhe bietet die gemeinsame Ausstellungsarchitektur des Künstlers Johannes Porsch (*1970). Die zweite Klammer ist eine Publika- tion, die nach Ablauf der einzelnen Projekte deren Ergebnisse zusammen- fasst.