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Der kjubh Kunstverein freut sich, am Freitag, dem 03. Februar 2006, von 19 bis 22 Uhr, eine Ausstellung von Gemälden und Skulpturen des Künstlers Dominic Wood zu eröffnen. Wood wurde 1974 in Melbourne, Australien, geboren und hat von 1993 bis 1996 am Victorian Collage of the Arts studiert. Er lebt und arbeitet in Berlin, seit zwei Jahren in einem Atelier in der Kunstfabrik am Flutgraben.

Bis vor einiger Zeit hat Dominic Wood ausschließlich gemalt. Das Bedürfnis, dieses Medium ins Räumliche zu erweitern, hat ihn zu ersten Konglomeraten aus Skulptur und Malerei geführt, die Wood als dreidimensionale Malerei definierte. Baumaterialien wie Aluminiumschienen, Plastikfolien, Holzleisten und MDF-Platten wurden zu luftigen Konstruktionen zusammengefügt, teilweise mit Farbe akzentuiert. Zwischen den Verstrebungen waren bemalte Bildträger integriert, meist schwarz-weiße Aquarelle.

Die formalen Bezüge seiner multimedialen "Zeichnungen im Raum" zur Malerei des russischen Konstruktivismus sind für Wood sekundär. Zwar ist das Interesse des Künstlers an den Architekturentwürfen und Gemälden der Suprematisten unterschwellig wirksam, es geht Wood aber eher um den Geist des Strukturalismus, die "geometrische Dynamik des Denken". Nach Auffassung der Konstruktivisten ist die Realität nur eine subjektiv vorgestellte, zusammengefügte und stets veränderliche Wirklichkeit. Entsprechend setzt der Australier kein zuvor gedanklich festgelegtes Gebilde in reale Form um, sondern er begibt sich in einen Entwicklungsprozess mit ungewissem Ausgang: Ausgehend von einem Grundmodul, das nach und nach durch Anbauten erweitert wird, erfühlt er eher als er erdenkt, wie die Form sich weiter entwickeln wird. Die Entstehung der Skulptur hat mehr mit körperlicher und psychischer Erfahrung während des Schaffensprozesses zu tun als mit intellektuellen Entscheidungen.

Wood verweist hier auf die Einflüsse seiner Beschäftigung mit John Rajchmans Drama ("Constructions", 1999) als einem Prozess des ständigen Austauschens, Überdenkens, Verwerfens und Transformierens und der Theorie der "Structural Stability" des Mathematikers René Thom, die eine gleichzeitige Existenz von struktureller Stabilität und Berechenbarkeit einer Konstruktion prinzipiell ausschließt. Wood versteht künstlerisches Handeln im Sinne beider Theorien als eine immer vorübergehende Befragung des Möglichen, das Erzeugen improvisierter Allianzen und freier, unbeständiger Konstruktionen.

In diesem Zusammenhang interessiert Wood auch die Raumlehre des Barock. Der einheitliche, dynamische, fließende Raum des Barock ist geschlossen und offen zugleich: Er vermittelt ein Gefühl der Unbegrenztheit des Seins, der permanenten Transzendenz, Wandelbarkeit - nichts hat Bestand. In der Barockarchitektur herrscht das Malerische, Atektonische vor, die Massen sind in Bewegung. Ruhe wird erzeugt, indem das Teil sich dem symmetrischen Ganzen unterordnet.

Der Künstler überlässt sich beim Bau seiner Skulpturen deren, wie er es nennt "geometric dynamic", der Eigendynamik der Schwerkraft, die nicht immer exakt prognostizierbar ist, sondern fortwährend ausgelotet werden muss. Trotz dieser Fluidität versteht Wood sein Tun nicht als einen unendlich fortsetzbaren Vorgang. Es gibt immer einen Punkt, an dem die Skulptur definitiv fertig ist, ihre inneren Kräfte Ausgleich gefunden haben. Auf diese Weise hat er – einmal über einen Zeitraum von einem ganzen Jahr – ähnlich dem "Merzbau" eines Kurt Schwitters, auf bis zu 100 Quadratmeter angewachsene Konstruktionen hergestellt. Diese sind zwar unter Einfluss des umgebenden Raums entstanden, aber nicht unter direktem Einbezug desselben: Sie sind keine Installationen, sondern in sich geschlossene Gebilde, die auch abgebaut und anderswo so oder ähnlich wieder aufgebaut werden können, in einem auf neue Weise damit kommunizierenden Umfeld, genauso gut wie in einem neutralen White Cube.

Im Kern waren diese älteren Arbeiten strenger geometrisch angelegt als die aktuellen, es gab rechte Winkel, langgestreckte lineare Elemente, die wie Vektoren den Raum durchschnitten und die Dimension des Gesamtgefüges sprengten. Ihre Struktur wirkte sehr leicht und filigran, und hatte dennoch in ihrer austarierten Statik eine trügerische Stabilität.

Im Lauf der Zeit gewannen die skulpturalen Elemente innerhalb der Kombinationen mit Malerei immer mehr eigenständige Gültigkeit, daher hat sich Wood inzwischen entschieden, seine Medien wieder konsequent zu separieren und als unterschiedliche Ausdrucksweisen desselben Prinzips zu nutzen. Gemälde und Skulpturen korrespondieren zwar bei gleichzeitiger Präsentation miteinander, haben aber auch ohne direkten Bezug zueinander Bestand.

Hat der Künstler sonst Baufertigteile verwendet, Materialien also, denen Funktionalität innewohnt, so sind die Skulpturen für den kjubh ausschließlich aus Holz gefertigt. Diese jüngsten Arbeiten sind kompakter dimensioniert, sie wirken chaotischer und es geht noch unmittelbarer Unruhe von ihnen aus. In der Spannung einer gebogenen Bohle oder dem Balanceakt vieler schräger Holzleisten im Verzicht auf jeden rechten Winkel teilt sich das Tauziehen von Gewicht und Gegengewicht noch direkter, noch physischer mit als bei den älteren Werken. Das Spiel der innewohnenden Kräfte scheint brachialer, der Einfluss der Gravitation spürbarer.

Eine Giebelsilhouette – Versatzstück von Behausung – fungiert als ein ironisches Zitat, das die Fragilität der Konstruktion erst recht betont: Sie bietet keine zuverlässige, beständige Zuflucht, allenfalls ist das ein windschiefes Baumhaus, ein kippeliges Luftschloss.

Verfolgt Wood bei den dreidimensionalen Arbeiten, wie das Geordnete ins Chaotische kippt und wieder aufgefangen wird, so vollzieht sich Ähnliches gewissermaßen auf umgekehrtem Wege in den farbigen Lackgemälden. Nimmt man in den Skulpturen zunächst die stabilen Elemente wahr, die dann in Turbulenzen zu geraten scheinen, so teilt sich auf den Bilder in der vordersten Schicht zuallererst Chaos mit: vielfarbig sich überlagernde Farbrinnsale, dynamische Übermalungen der tiefer liegenden Schichten.

Erst nach und nach stößt das Auge zu den massiveren und stabileren Formen auf der Leinwand durch und erwandert bei diesem Prozess der Durchdringung bis auf den Grund einen imaginären Tiefenraum, in dem es zwischen der Auflösung im Vordergrund und den Halt suggerierenden Zonen auf der Grundierung pendelt, quasi hin– und hergezogen wird. So wie sich Wood dieser Dynamik beim Schaffensprozess seiner Bauten und Bilder überlässt, soll sich auch der Betrachter seinen "downhill feelings" ergeben. Der englische Begriff "downhill" – "bergab" wird oft, wie auch im Deutschen, mit negativer Besetzung verwendet: im Sinne von "es geht abwärts", man ist "auf dem absteigenden Ast" oder wird durch etwas "runtergezogen".

Dominic Wood will mit seinen Arbeiten diesen Zustand ins Positive färben: Er soll sich in eine angenehme Verunsicherung wandeln – das imaginative Erspüren der Gravitationskräfte soll einen süßen Sog auslösen, der Empfindung vergleichbar, im tiefen Schnee einen Berg hinabzulaufen.

Birgit Laskowski

Pressetext

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Dominic Wood: Downhill Painting and Sculpture
eingeladen von Caroline Nathusius