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„Der Linie folgen“ heißt eine Ausstellung mit Zeichnungen von Dorothee Rocke, die die Marielies Hess-Stiftung e.V. vom 7. April bis 7. Mai in der Goldhalle des Hessischen Rundfunks (hr) in Frankfurt am Main zeigt.

Zur Eröffnung am Donnerstag, 6.4., um 19 Uhr führt der Ausstellungsmacher und Autor Matthias Bärmann ins Werk der Frankfurter Künstlerin ein.

Mit der Ausstellung begeht die im Hessischen Rundfunk beheimatete Marielies Hess-Stiftung e.V. zugleich ihr 40jähriges Bestehen: Hervorgegangen aus einer Initiative von hr-Mitarbeitern, fördert die nach der Ehefrau des ehemaligen Intendanten Werner Hess benannte Stiftung, die heute als gemeinnütziger Verein verfasst ist, seit ihrer Gründung im Jahr 1966 ihrer Satzung gemäß "bemerkenswerte bildende Künstler ..., die eine Verbindung zum Land Hessen haben". Zu den größeren Projekten der Stiftung gehörten damals die Einzelausstellung Eberhard Fiebig, die Wiederentdeckung des vergessenen Malers Reinhold Ewald, vor allem seiner Bilder aus den zwanziger Jahren, eine Plastikausstellung im Hof des Hessischen Rundfunks mit Arbeiten von 21 Bildhauern, schließlich die Wettbewerbe „Junge Kunst in Hessen“.

In den letzten zehn Jahren wurden Arbeiten u.a. von Holger Herrmann, Karin Radoy, Regine Schumann, Barbara Feuerbach, Bernd Wolf und Heide Weidele gezeigt. Hervorzuheben sind auch die Doppelausstellung „Kunst in der hessischen Psychiatrie“, die in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie und der Saalbau GmbH 1996 im Hessischen Rundfunk und im Bürgerhaus Bornheim zu sehen war, sowie die von Vollrad Kutscher kuratierte Ausstellung „Flüchtige Verfestigung“ mit 22 raumbezogenen Installationen.

Die Künstlerin

Dorothee Rockes künstlerischer Werdegang nach dem Studium der Bildenden Künste in Mainz nimmt Anfang der 1980er Jahre seinen Ausgang in großflächigen Kohlezeichnungen. Pastellkreiden kommen hinzu, ihre Farbspuren drängen hervor und leiten eine Entwicklung von den graphischen Mitteln hin zur Malerei ein, in der Gouache und Acryl wichtig werden. Bald jedoch verabschiedet sich Rocke von der Farbe und konzentriert sich auf die subtileren Ausdrucksformen der breiten Ton-Skala zwischen Weiß und Schwarz. Der Bildgrund wird dabei Aktionsraum für dynamisch gesetzte Pinselzüge; bevor das rasch trocknende Acryl sich verschließen kann, gibt ihm die Künstlerin Strukturen, indem sie andere Materialien, wie etwa Leinen und perforierte Pappe, abdruckend auf die Farbe preßt. Einzelne Formen in den Bildern aus dieser Zeit – zum Beispiel aus der Kugel abgeleitete Elemente – behaupten sich als dunkle Dominanten von einiger Schwerkraft.

Parallel dazu beginnt Dorothee Rocke, die Möglichkeiten der Zeichnung genauer zu erkunden. Das Papier wird ab 1990/91 ihr genuiner Raum für behutsam geführte Wegstrecken von Blei- und (seltener) Farbstift, deren Ausgangspunkt und Verlauf auch in der zeitlichen Dimension beim Betrachten zum Nachvollzug reizen. Der Schriftsteller Arnold Stadler, der sich wie kaum ein anderer Autor unserer Gegenwart intensiv mit Bildender Kunst beschäftigt, kennt Rockes Papierarbeiten seit Mitte der 90er Jahre und ließ sich von einigen Blättern zu seinem Text „Meine Hand, mein Bleistift, mein Blatt“ anregen. Darin heißt es: „Die Zeichnungen Dorothee Rockes [...] legen sich und mich nicht fest. Sie öffnen einen Freiraum, beziehungsweise: sie halten einen Raum frei. So kann ihr Raum mein Raum werden und ihr Raum bleiben. Sie sind offen für mich und meine Weltreise.“

In Serien verfolgt Rocke ihre Themen, die sich oft durch einen Anstoß von außen ergeben, etwa als Reaktion auf musikalische oder literarische Phänomene. Ihr Vorgehen ist sehr konzentriert, es kommt der Meditation nahe; sie kostet den Prozeß der Linienführung und –findung aus, ohne das jeweilige Ergebnis vorherzubestimmen; sie legt die Kompositions-Regeln einer jeden neuen Reihe fest und läßt sich doch im Lauf der Arbeit vom Entstandenen überraschen. Diese Arbeitsweise fußt auf einer erfahrungsgesättigten Sicherheit im artistischen Einsatz ihrer Mittel, aber auch auf der Bereitschaft, immer wieder Risiken einzugehen, denn: Korrekturen sind nicht möglich, Augenblicke nachlassender Aufmerksamkeit bedeuten eine Gefährdung des begonnenen Blattes.

Die Ausstellung „Der Linie folgen“ in der Goldhalle des hr auf Einladung der Marielies Hess-Stiftung zeigt typische Folgen aus etwa zehn seriell konzipierten Werkzyklen seit 1995 und macht damit die Vielfalt der Formen, Figuren und Strukturen in Dorothee Rockes zeichnerischem Oeuvre erfahrbar. Im schauenden Nachvollzug vermittelt sich dem Betrachter einerseits die Prozeßhaftigkeit ihres Vorgehens, die zu verblüffend differenten Wirkungen führt; andererseits erschließen sich so auch Zusammenhänge im Werkganzen, die unabweisbar sind und doch von keinem stilistischen Etikett getroffen werden.

Besonders hinzuweisen ist auf Rockes erst im vorigen Jahr vollendete kostbare Gruppe von sieben rätselhaften Blättern mit erstmals erprobten Applikationen: Wellenringen ähnlich, die ein ins Wasser geworfener Stein auslöst, sind die zeichnerischen Strukturen; auf diesem fragilen Grund befestigt liegen winzige menschliche Figuren aus Porzellan. Treiben sie in einem Meer der Erinnerung? Es bleibt jedem einzelnen überlassen, den unweigerlich ausgelösten Assoziationen zu folgen. Auch diese Arbeiten sind ´offen´ für vielerlei ´Weltreisen´.

Pressetext

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Der Linie folgen
Zeichnungen von Dorothee Rocke
Ort: Goldhalle des Hessischen Rundfunks, Frankfurt